Inhalt
„Ich bin ein normaler Typ und möchte ein normales Leben haben. Das wird mir aber grad nicht gegönnt.“
Bei weit geöffneten Fenstern schallt die Musik von Adams Mutter in den Berliner Innenhof. Durch die heftigen Bässe fühlt er sich mit ihr verbunden. Ansonsten haben die Welten des gehörlosen jungen Mannes und der Technomusikerin nicht viel miteinander gemein. Jetzt ist sie krank, irreversible Hirnschädigung durch Alkohol, heißt es. Adam ist auf sich allein gestellt. Er schafft sich einen eigenen Zugang zur Außenwelt, verliebt sich und begibt sich auf die Suche nach seinem Vater. Auf jedem Schritt begleitet ihn der Wunsch seiner Mutter, nicht mehr leben zu wollen, wenn sie jemals ein Pflegefall werden sollte.
Kritik
Fast 15 Jahre nachdem sie ihr Spielfilmdebüt Jargo dort vorstellte, bringt Maria Solrun ihr zweites Langprojekt ins Generation Programm der Berlinale. Die ziellose Verknüpfung von Alltagsszenen als Drama im filmischen Sinne zu bezeichnen, wäre allerdings schon zu viel geschönt. Neue Ideen hatte die isländische Regisseurin in all den Jahren offenbar keine und dazu null Ambition, bekannte Konzepte zu etwas Neuem zu verarbeiten. Keine idealen Voraussetzungen, um einen Filmversuch zu starten? Ach was, das geht schon. Es braucht bloß ein paar gewichtige Themen, die zwischen alten Heimvideos und Unterwasserbildern mal eben angerissen werden. Dann wirkt jede banale Aufnahme vom Rumhängen im Park oder dem Hinterhofausblick aus dem Fenster als erforsche sie tiefgründige Fragen des Lebens.
Das von Adam (Magnus Mariuson, Brüder/ Feinde) dreht sich monoton um die gleichen Sachen. Tütennudelsuppe, Baden und Sex. In den aktionsreicheren Momenten wagt sich die Inszenierung an Kombinationen der drei existenziellen Faktoren: Tütennudelsuppeessen in der Badewanne. Sexfantasien nach dem Tütennudelsuppe essen. Tatsächlich tauchen die viereckigen Plastikpäckchen mit Trockennudeln plus Gewürzmix als einziges filmisches Motiv konstant auf, sodass unweigerlich die Frage entsteht: Gab es da einen Werbedeal? Als Werbespot würde die lose Abfolge hohler Momentaufnahmen mehr Sinn ergeben denn als Jugendfilm, wären da nicht die grobschlächtigen Amateurbilder. Jede visuelle Aussagekraft oder grundlegende cineastische Qualität geht der Handkamera völlig ab. Gleichgültig pickt Solrun Details aus dem Berliner Stadtbild, ohne sie in einen dramaturgischen Kontext zu stellen.
Aber waren da nicht schwerwiegende Themen? Allerdings! Sterbehilfe, Freitod, elterliche Verantwortung und umgekehrt die Frage nach der Verantwortung erwachsener Kinder für ihre Eltern, Erstkontakt mir unbekanntem Vater, eigene Vaterrolle, Suizid, irreversible Hirnschäden. Letzte sind nicht Folge von Solruns Werk, sondern treffen Adams Mutter Gabriele (Floriane Daniel, Weiber!) nach jahrelanger Sucht (möglicherweise nach Tütensuppe, wahrscheinlicher aber nach Alkohol und Drogen). Die unmittelbaren sozialen und persönlichen Konsequenzen der Diagnose für Adam geht die Inszenierung jedoch niemals an. Probleme werden aufgeworfen – die Wohnung wurde ihm gekündigt, seine Mutter will sterben, bräuchte aber seine Hilfe, er hat weder Arbeit noch Geld – und nie ausgearbeitet. Ein glaubhafter Leidensdruck ist bei all dem beim Protagonisten nie spürbar. Nur beim Publikum.
Fazit
Die aus kunstlosen Wackelaufnahmen zusammengestoppelte Episode interessiert sich weder für ihre Figuren, noch den Wust kontroverser Themen. Letzte bleiben ohne greifbaren inhaltlichen oder emotionalen Bezug zu den profanen Geschehnissen bedeutungslose Schlagworte: Suizid, oha! Den Darstellern kann man da ihre unengagierten Leistungen kaum übel nehmen. Etwas zu spielen liefert Regisseurin Maria Solrun ihnen nicht.
Autor: Lida Bach