Inhalt
Sophia ist in tiefer Trauer um ihren verstorbenen Sohn Jack und wünscht sich nichts mehr, als noch einmal mit ihrem Kind reden zu können. Aus ihrer Verzweiflung heraus sucht sie Hilfe in der Okkultismus-Szene. Bei ihrer Suche trifft sie auf Joseph Solomon, der ihr gegen die entsprechende Bezahlung verspricht, Kontakt zu Jack aufzunehmen. In einem abgelegenen Haus auf dem Land, bereiten sich die Beiden auf eine monatelange Tortur zwischen dunklen Ritualen, körperlichen Grenzgängen und emotionalen Auseinandersetzungen vor.
Kritik
A Dark Song lebt in erster Linie von seiner großartigen Exposition. Liam Gavin nimmt sich ausreichend Zeit um seine Charaktere und Situationen zu zeichnen, sodass sich beim Zuschauen bereits bei kleineren Spannungsspitzen ein mulmiges Gefühl einstellt. Das liegt zum großen Teil auch daran, dass die Welt, in die man eintaucht, als gegeben dargestellt ist. In anderen Genrevertretern nimmt man sich Zeit, um das Publikum in die okkulte Welt einzuführen, hier ist es bereits Bestandteil der Geschichte und die Protagonisten sind sich dessen zu jeder Zeit bewusst. Ein Fakt, der von außen betrachtet keinen Platz für Spekulationen lässt. Oder etwa doch? Was wirklich vor sich geht und was nicht, offenbart die Geschichte nur zögerlich.
Catherine Walker (Versailles, Planet der Monster) und Steve Oram (Paddington, The World´s End) lassen keinen Zweifel daran, dass sie unter normalen Umständen nicht denselben Raum teilen würden. Beide haben eine ganz spezielle Chemie und vermitteln dem Zuschauer ein Unbehagen, welches zu Beginn des Films stark von ihrer gegenseitigen Abneigung gefüttert wird. Nach und nach scheinen sich die Charaktere anzunähern, nur um im nächsten Moment ihre Aversion füreinander preiszugeben. Beide haben mit ihren ganz eigenen Dämonen zu kämpfen, welche tief in die menschliche Psyche blicken lassen. Genau dies ist der Moment, bei dem Drama auf Horror trifft.
Wie der Schmerz des Verlustes dazu führen kann, dass man sich im Leben nicht mehr zurechtfindet, wird von Catherine Walker treffend vermittelt. Dies gibt dem Zuschauer auch das nötige Futter um zu begreifen, warum sich Sophia in die scheinbare Abhängigkeit von Joseph begibt. Joseph selbst bietet als Charakter mehr Facetten als man beim ersten Hinschauen erahnt. Seine latente Aggressivität und lethargische Art lassen vermuten, dass es hinter der Fassade deutlich am Brodeln ist.
Die rituellen Handlungen sind besonders stark inszeniert, da sie unglaublich realistisch dargestellt sind. Man nimmt sich Zeit, man rekapituliert und fängt von vorne an. Immer und immer wieder, nur um an die schmerzerfüllte Realität des Seins erinnert zu werden. Überhaupt wirkt alles sehr geerdet, erwachsen und glaubhaft. Auf Style over Substance verzichtet man hier gänzlich und somit gelingt ein perfektes Spiel mit dem Zuschauer. Man ist ständig hin- und hergerissen, ob man der Sachlage Glauben schenken soll oder nicht.
Effekte und Make Up sind glaubhaft, auch wenn der ein oder andere Zuschauer im letzten Drittel des Films einen Aha-Moment haben könnte. Wie bei vielen Filmen dieser Art, wird man dies zu schätzen wissen oder nicht. Positiv zu erwähnen ist auch das Kameraspiel von Cathal Watters. In Kombination mit der Musik von Ray Harman ist beides auf einem hohen Niveau und unterstreicht das Stimmungsbild des alten Landhauses perfekt.
Fazit
In Zeiten von Horror-Massenware und Jumpscare-Paraden ist "A Dark Song" eine willkommene Abwechslung. Hier trifft Drama auf Horror in einem arthousigen Kammerspiel. Liam Gavin gelingt ein tolles Regiedebüt, welches durchaus das Zeug zum Genre-Geheimtipp 2021 hat.
Autor: Mike Kaminski