Inhalt
Michael Bosworth steht wegen Totschlags vor Gericht. Anwältin Nancy Breyers steckt mit dem kaltblütigen Gangster unter einer Decke, seine Flucht aus dem Gerichtssaal ist längst geplant. Bosworth entkommt mit zwei Komplizen, will aber Nancy mitnehmen und macht deshalb unterwegs Station in einem Vorort von Salt Lake City, um sich mit ihr zu treffen. Dort verbarrikadiert sich das Gangstertrio im Haus der wohlhabenden Familie Cornell - die nun folgenden Stunden werden zu einem nervenaufreibenden Alptraum für alle Beteiligten.
Kritik
In seiner künstlerischen Hochphase war der New Yorker Filmemacher Michael Cimino nahezu konkurrenzlos: Mit Die durch die Hölle gehen und Heaven's Gate – Das Tor zum Himmel sind Cimino zwei epochemachende Meisterwerke gelungen, die die amerikanische Filmlandschaft bis heute nachhaltig prägen. Es gab allerdings einen Punkt im Schaffen von Cimino, an dem die musische Vehemenz seiner Person verbraucht schien. Eine letzte Machtdemonstration erfolgte 1985 mit dem brillanten Im Jahr des Drachen, während der zwei Jahre darauffolgende Der Sizilianer mit Christopher Lambert kaum mehr überzeugen konnte. Gründe für diesen abrupten Qualitätsfall gibt es natürlich einige, erschreckend logisch aber scheint die Begründung, dass die Filmindustrie, das Studiosystem der Post-New-Hollywood-Ära, ihm schlichtweg die Luft zum Atmen genommen hat. Cimino musste reagieren, er konnte nicht mehr nur agieren.
Das lässt sich auch dem 1990 entstandenen 24 Stunden in seiner Gewalt ablesen, einem Remake des mit Humphrey Bogart in der Hauptrolle besetzten Klassikers An einem Tag wie jeder andere von William Wyler. Augenfällig ist dabei, wie unausgegoren das Drehbuch mit den Charakteren umgeht, wie wenig Konzentration der inneren Logik des Geschehens zugesprochen worden ist – und wie wenig Interesse man daran gehabt hatte, die Spannung und Dynamik des Films über eine geschmeidige Montage lebendig zu erhalten. Dabei beginnt 24 Stunden in seiner Gewalt durchaus überzeugend, wenn der so cholerische wie hochintelligente Michael Bosworth (Mickey Rourke, Angel Heart) mithilfe seiner ihm verfallenen Strafverteidigerin Nancy (Kelly Lynch, Road House) auf spektakuläre Weise aus dem Gerichtsgebäude flieht, in dem Bosworth eigentlich seine Verurteilung wegen Totschlag erfahren sollte.
Die Wege von Bosworth und Nancy trennen sich alsbald, der Gangster sucht sich einen Unterschlupf, in dem er ungestört auf seine Geliebte warten kann, gleichzeitig aber auch von der Polizei unentdeckt bleibt: Das Familienhaus der Cornells. Hier jedoch hängt der Haussegen bereits vor der Ankunft der Störenfriede reichlich schief, stehen Tim (Anthony Hopkins, Das Schweigen der Lämmer) und Nora (Mimi Rogers, Ginger Snaps – Das Biest in Dir) doch mitten in ihrer Scheidung, versuchen aber gleichwohl, die Liebe für ihre beiden Kinder nicht zu kurz kommen zu lassen. Und damit wandelt sich 24 Stunden in seiner Gewalt zum Home-Invasion-Thriller, in dem Bosworth mit seinen Komplizen (besetzt mit Elias Koteas und David Morse) ihre Psychospielchen an einer psychologisch bereits ramponierten Familie auslassen. Klingt immer noch nicht verkehrt, oder?
Einen vollkommenen Reinfall stellt 24 Stunden in seiner Gewalt auch nicht gänzlich dar, dafür ist die Regie von Michael Cimino immer noch zu stilvoll (vor allem, wenn er den Zion-Nationalpark von Utah in seiner majestätischen Erhabenheit illustriert) und die schauspielerischen Leistungen, allen voran Mickey Rourke, der hier noch einmal seine unbehandelte Attraktivität zum markanten Ausdruck bringen kann, zu solide. Dass der Psycho-Thriller aber nicht mitreißt, liegt an den inhaltlichen Unzulänglichkeiten, die das Drehbuch fortwährend bemüht. Die Handlungen der Charaktere sind nicht aufgrund der angsterfüllten Extremsituation fragwürdig, sie sind bisweilen grundsätzlich hirnrissig – und damit sind sowohl die Geiselnehmer als auch die Geiseln gemeint. Einen ungemein faden Beigeschmack erhält 24 Stunden in seiner Gewalt aber erst ganz am Ende: Hier beschwört der Film tatsächlich die Rückkehr des Patriarchat.
Fazit
"24 Stunden in seiner Gewalt" reiht sich nahtlos in den künstlerischen Niedergang des Michael Cimino ein. Mag seine Regie durchaus stilvoll sein und gerade Mickey Rourke in der Hauptrolle des psychopathischen wie hochintelligenten Geiselnehmers gefallen, ist "24 Stunden in seiner Gewalt" inhaltlich unausgereift bis hanebüchen und lässt die basal vorhandene Spannung des Home-Invasion-Thrillers durch die mangelnde innere Logik zusehends verebben.
Autor: Pascal Reis