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Videospiel "Marvel’s Midnight Suns" im Test

von Thomas Repenning

Das Marvel Universum und dessen Videospielumsetzungen sind immer ein zweischneidiges Schwert: Während Titel wie Marvel's Spider-Man (und sein Addon) und Marvel's Guardians of the Galaxy zwei spektakuläre Blockbuster darstellten, waren Games wie Marvel's Avengers, Marvel Ultimate Alliance 3: The Black Order oder Lego Marvel Super Heroes 2 eher gemischt unter Fans aufgenommen worden. Derzeit jedoch, erlebt das Marvel Universum einen richtigen Traumlauf: Während Marvel Snap gerade zum wahren Popkultur-Hit avanciert, schafft es auch Marvel's Midnight Suns ein Spiel abzuliefern, welches nicht nur neu und erfrischend (in Bezug auf Marvel) wirkt, sondern mit seinen vielen Zutaten auch jede Menge Spaß abliefert, sodass Fans – egal ob Strategie- oder Comic-Fans – voll auf ihre Kosten kommen. Das liegt daran, dass Firaxis Games (Civilization und XCOM) nicht nur seine Hauseigene Expertise einfließen lässt, sondern neben seinem Strategieanteil auch im Kern ein klassisches Rollenspiel abliefert. Mehr noch, Marvel's Midnight Suns könnte auch als Fire Emblem Three Houses mit Wolverine, Spider-Man und Co. bezeichnet werden. So oder so, gibt es nicht nur jede Menge zu tun, sondern auch Superhelden-Action mit Tiefgang, Entwicklung und jeder Menge Beziehungen. Wir haben uns einmal in den Kampf gegen Lilith gestürzt.

Kritik

Das Spiel selbst, und dies können wir schon zu Beginn verraten, wird euch je nach Spielart um die 60-70 Stunden fesseln können (ein erneuter Run winkt aber wenig um die Ecke). Allerdings brauchen wir zu Beginn doch etwas Geduld: Während uns das strategische und taktische Gameplay (welches mit Karten und einer ungeahnten Tiefe daherkommt) zu Beginn etwas überfordert, braucht auch die Geschichte etwas, um uns schließlich in den Bann ziehen zu können. Mit dem großen MCU hat dies indes nichts zu tun, sondern die Macher sind eher große und vor allem leidenschaftliche Marvel-Comic-Fans, was man an jeder Ecke zu spüren bekommt (inklusive vieler Anspielungen oder Wiki-ähnlichen Einträgen). Und auch dies ist besonders: Wir übernehmen hier keine große Figur von Marvel, sondern dürfen uns mit Hunter einen oder eine eigene Kreation erschaffen, die kurzerhand die letzten 300 Jahre verpennt hat. Als schließlich Hydra die Mutter aller Dämonen Lilith erweckt, will diese nicht nur jede Menge Chaos über die Welt bringen, sondern diese gar mit einer alten Prophezeiung in den Untergang zwingen. Unser Job ist es fortan mit den Avengers (und dessen bekannten Figuren wie Iron Man oder Captain Marvel) sowie den neuen Helden der Midnight Suns (Ghostrider, Blade, Nico Minoru oder Magik) dies zu verhindern.

Bevor wir uns aber regelmäßig in die vielen verschiedenen und durchaus abwechslungsreichen Missionen stürzen, lernen wir erst unsere Basis kennen: Eine mystische Abtei in der Taschendimension. Und hier ändert sich dann auch das Gameplay gegenüber beispielsweise XCOM. Wo wir zuvor gegen Aliens nur eine rudimentäre Basis hatten (mit viel Klicks), wo wir geforscht haben, ausgerüstet und ausgewechselt, geht es hier viel mehr um das Erkunden, Beziehungen aufbauen und jede Menge reden. Es gibt sogar einen geregelten Tagesablauf mit aufstehen, kurze Gespräche führen, Mission auswählen und anschließendem Abendgameplay, bevor es ins Bett geht. Zugegeben: Das dürfte nicht allen Strategiefans gefallen, jedoch ist der neue Fokus durchaus erfrischend und erinnert tatsächlich an die vielen Stunden in Fire Emblem, wo es zumeist mehr um die Beziehungen untereinander geht, als um den Krieg selbst. Natürlich bleibt ewas Cringe nicht aus und auch manche Dialoge sind etwas daneben oder treffen nicht immer den richtigen Ton oder Humor, aber am Ende macht es über die Stunden hinweg durchaus Spaß sich mit den Figuren anzufreunden, einige Entwicklungen zu betrachten und dann mit ihnen zusammen in den Kampf zu ziehen. Schade ist hingegen, dass die variablen Gesprächsoptionen nur was mit der Beziehung der Figur zu tun haben, nichts mit der Geschichte im Gesamten. Es geht also eher um Boni (über Licht und Schatten auch um unsere eigenen, also ein kleines Moralsystem). Hier hätten wir uns aber etwas mehr gewünscht.

Zumindest zu tun gibt es genug in der Basis: Neben den unzähligen Dialogen (die oft auch ohne uns ablaufen und wo sich Spider-Man über z.B. Videospiele unterhält), können wir so mit den anderen Helden Abends abhängen, Clubs beitreten, nach und nach der Marvel Lore näher kommen, Geheimnisse entdecken, Puzzle lösen, Tagebucheinträge finden, Rohstoffe sammeln und verarbeiten und uns im Gesamten auch verbessern. Dabei sind vor allem vier Location (die alle auch mit der Schnellreise-Funktion gut ansteuerbar sind – da wir uns sonst regelmäßig verlaufen) wichtig: Der Hexenkessel mit Agatha, wo wir diverse Kampfgegenstände wie Heilsalben herstellen, die Schmiede wo wir Beute analysieren und Karten mit Heldenfähigkeiten herstellen und auch forschen (auch mit neuen Bereichen für die Abtei selbst), der Hof als Trainingsort um hier Boni und Freundschaften zu bekommen und schließlich der Supercomputer C.E.N.T.R.A.L., wo wir durch das Entschlüsseln von Geheiminformationen neue Heldenmissionen freischalten. Etwas überfrachtend ist hingegen das Währungssystem des Spiels: Mit insgesamt sechs verschiedenen Ingame-Währungen werden wir ebenso überfrachtet wie die Möglichkeiten, die sich teils daraus ergeben. Wobei wir die neue Einrichtung unseres Zimmers oder einen neuen Swimsuit durchaus verzichten können. Die neuen Heldenkostüme sind indes dann schließlich auch über einen Ingame-Shop freischaltbar. Doch auch dies lässt sich gut ignorieren.

Doch kommen wir einmal zum zweiten Kern-Element von Marvel's Midnight Suns: Den Missionen und damit den durchaus spektakulären Kämpfen. Denn diese sehen nicht nur aufgrund der vielen schönen Animationen und Effekte toll aus, sondern sind auch in ihrer Mechanik durchaus herausfordernd und angenehm tief. So haben wir mit unserer Truppe 3 Kartenzüge, 2 Nachziehmöglichkeiten, 1 Bewegungszug und eventuell ausgerüstete Kampfgegenstände zur Verfügung. Ein Kartendeck? Ja, richtig gelesen, anders als beispielsweise XCOM, arbeiten wir in Midnight Suns mit diversen Karten (die wir wie schon erwähnt auch aufrüsten und verbessern können), wobei jeder Held ein Deck aus 8 Karten besitzt. Diese unterscheiden sich grundsätzlich in Angriffe, Unterstützungsskills und Heldenfähigketen. Letztere müssen wir auch aufladen und müssen daher wohl überlegt eingesetzt werden. Mit 3 Helden greifen wir damit pro Kampf auf einen Pool von insgesamt 24 Skills zu. Durch das Puzzeln mit den Karten, das wohldurchdachte Ausspielen dieser und den diversen Fähigkeiten, sind somit die Möglichkeiten fast unbegrenzt. Zudem wechseln sich aber auch die Missionen immer wieder angenehm ab und haben immer wieder neue Mechaniken und Schwierigkeiten im Petto.

Und auch dies gehört zum Kampf: Während wir uns vorher gut unser Deck überlegen – vorher alles gut sammeln und erforschen – müssen wir im Kampf schließlich auch taktisch denken. Dies umfasst zum Beispiel die Wahl der Karte, da nicht alle Karten eine Verbrauchskarte darstellen und wir so unseren Spielzug – der immer alle unsere Helden umfasst – durchaus in die Länge ziehen können oder gar mehr Schaden hervorrufen könnten. Zudem können wir Feinde zurückwerfen, gegen Gegenstände prallen lassen, Dinge zum explodieren bringen oder Plattformen für einen Sprungangriff benutzen. Neben den vielen kleineren Bösewichten – wie jeder Menge Minions die bei einem Hit ins Gras beißen – gibt es auch stärkere Gegner und schließlich auch berühmte Hauptbösewichte, die noch mit ganz besonderen Kniffen und Taktiken aufwarten. Langweilig wird dies somit nie. Ein Problem ist allerdings die Übersichtlichkeit der Schlacht: Die Kamera ist stets nah an den Figuren, ohne dass wir richtig herauszoomen können. Darunter leidet nicht nur die Sichtbarkeit mancher Aktionen, sondern wir können auch nicht immer ganz erahnen wie sich unsere Figuren jetzt stellen werden. Haben wir schließlich alle Nebenmissionen, Hauptmissionen und Heldenmissionen gemeistert, schalten wir nach und nach die höheren Schierigkeitslevel frei. Während wir zu Beginn zwei besitzen, können wir noch 6 weitere Stufen freischalten. Ob sich diese allerdings alle lohnen, können wir derzeit noch nicht sagen. Die Grafik ist indes für so einen Titel in Ordnung: Manche Texturen sind schwammig oder verwaschen, dafür klotzen die Effekte. Im Gesamten kein Totalausfall aber auch keine wahre Schönheit. Dafür überzeugen die Cut-Szenen.

Fazit

Wer überzeugende, tiefe, abwechslungsreiche und vor allem taktische Gefechte sucht – auch für Fans von XCOM – ist bei Marvel's Midnight Suns genau an der richtigen Adresse. Doch auch dies gehört dazu: Jede Menge Dialoge, viel Marvel Lore, jede Menge Freundschaften und eine Basis, die mehr ist als nur Forschung, sondern ein Hort der Beziehungen. Zudem gibt es so viel zu sammeln und zu tun, dass Kampf und Basisbetreuung manchmal etwas aus dem Gleichgewicht geraten. Für Fans solcher Spiele, ist es Marvel's Midnight Suns aber eine wahre Offenbarung und kurzerhand eines der besten Games des Jahres. Gerade die Leidenschaft für die Marvel Comics strömt hier – trotz mancher Cringy Dialoge – an jeder Ecke aus dem Bildschirm. Kurzum: Wer beide Welten mag, wird hier definitiv nicht enttäuscht und bekommt unzählige Stunden voller Marvel Action, die man nicht missen möchte.

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