Mit Call of Duty: Modern Warfare soll es zugleich zu den Kernelementen der Reihe zurückgehen als Reboot, sowie nach vorne. Doch kann diese Formel heute noch überzeugen und funktionieren? Zumindest hat mit Infinity Ward genau der richtige Entwickler seine Finger am Spiel. Das Spiel selbst ist unterdessen so groß wie schon lange nicht mehr: Ein großer Singleplayer, viele Mehrspieler-Variationen und diverse Koop-Einsätze laden zum ausgiebigen Shoot and Run ein. Doch nicht nur dies, Modern Warfare verzichtet auf Lootboxen und umgeht so kurzum eine der aktuellen größten Kontroversen. Schafft dafür aber neue im Bereich der erzählten Geschichte. Mit einer unglaublichen technischen Entwicklung, ist zudem das Spiel eines der wunderschönsten auf dem derzeitigen Markt. Wir haben uns in den Krieg gestürzt (seit dem 25.10.2019 im Handel) und sagen euch, ob sich das Spiel lohnt.
Kritik
Zu Beginn werfen wir ersteimal einen Blick auf den Solopart von Call of Duty: Modern Warfare, der im Vorfeld schon viele Fragen aufwarf: Wird die Geschichte rund um Terror und Krieg vielleicht sogar ein Anti-Kriegsspiel sein? Gibt es wieder starke Kontroversen (wie zum Beispiel No Russian aus Call of Duty: Modern Warfare 2) im Spiel? Werden wir erneut dramatische wie schockierende Szenen zu sehen bekommen (wie die Mission Shock and Awe aus Call of Duty 4: Modern Warfare)? Die Fragen sind indes gar nicht mehr so leicht zu beantworten. Es hängt wohl an den Erwartungen an die Geschichte ab. Wer einen Skandal sucht, wird ihn definitiv finden – doch angesichts der Vorgängerspiele ist auch Modern Warfare kein Schocker mehr. Dafür überzeugt die Story nicht gerade von einer authentischen Erzählweise. Böse Russen, gute „Amerikaner“ (oder Westen). Genau dieses Rezept findet man an fast jeder Ecke. Und auch wenn Infinity Ward dieses klassische Gut/Böse Schema immer wieder versucht aufzuweichen – ein Element ist hierbei Captain Price – bleibt am Ende doch genau dies übrig. Und auch die Idee den Highway of Death (ein reales Kriegsverbrechen der USA) fiktiv den Russen in einem fiktiven Staat Urzikstan anzudichten, wird vielen sauer aufstoßen (Call of Duty war leider schon immer westliche Propaganda im Gewand eines fiktiven Shooters). Insgesamt hat die Kampagne aber eher andere Probleme.
Die Geschichte selbst ist unterdessen an vielen Stellen gut erzählt und bleibt bis zuletzt spannend: Nicht nur zeigt sie gut auf, wie moderner Terror aussehen kann und könnte, sondern auch Kriegsverbrechen und Gräuel werden gekonnt in das Setting eingebaut, sodass der Spieler oft an seine moralischen Grenzen kommt und ein Gefühl dafür bekommt, wie Krieg aussieht (komprimiert natürlich). Und auch die Charaktere wirken deutlich stärker und tiefer als bei vergleichbaren Spielen, sodass manche Gefechte nicht so schnell vergessen werden. Jedoch schafft es Infinity Ward nicht, die Grenzen zu durchbrechen und mehr zum nachdenken anzuregen. Handlungen werden immer wieder akzeptiert, verteidigt oder eben als notwendiges Übel betrachtet. Es gibt nur den einen Weg, es gibt nur den Tot. Dies wird besonders an Captain Price deutlich, der an vielen Stellen vor lauter Wut fast platzt, jedoch dann ernüchternd handlungsunfähig bleibt. Auch dies könnte man natürlich als Stärke interpretieren, ein erfrischender Ansatz wäre aber anders gewesen. Neben der Geschichte findet der Spieler aber die wohl größeren Probleme im Gameplay selbst. Dieses ist erneut spektakulär, aufregend, bombastisch inszeniert und tragisch. Aber eben auch sehr ermüdend, redundant und viel zu kurzweilig.
Ein Solo-Shooter im Jahre 2019 sollte mittlerweile deutlich mehr bieten als geskriptete Ereignisse, Moorhuhn Soldaten (auch wenn die Übersicht gekonnt immer wieder in Kriegswirren untergeht), getimte Explosionen sowie Railshooter-Sequenzen. Die Freiheit kommt einfach viel zu kurz. An einer Stelle wird dies besonders deutlich: In einer Gefängnissequenz sollen wir uns zur Wand drehen. Machen wird dies nicht, dann befinden wir uns plötzlich in einer gefühlten Endlosschleife. Der Rest ist indes viel Action, gelegentliches Durchatmen – die Sniper-Sequenzen sind mit die stärksten (und blutigsten) im Spiel – und stetiges nach vorne drängen. Viele dieser Elemente oder Story-Abschnitten haben wir aber bereits in älteren Spielen der Reihe gesehen (Seht hier auch unsere Tests zu Call of Duty: Infinite Warfare, Call of Duty: Advanced Warfare). Viele Überraschungen gibt es zumindest nicht mehr. Am Ende schießen wir uns mal interessiert, mal aufgeregt, mal gelangweilt durch das Szenario. Ein Highlight ist dagegen die Grafik selbst: Sowohl die höchst beeindruckenden Rendersequenzen, als auch die Spielegrafik selbst sind beeindruckend. Egal ob Explosionen, Auflösung, Texturen, Partikeleffekte oder Stilmittel. Mehr als einmal kommen wir dabei ins Staunen. Kern von Call of Duty: Modern Warfare ist aber natürlich der Multiplayer und hier schon einmal die gute Nachricht: Hier bekommt ihr eines der besten CoDs aller Zeiten.
Im Mittelpunkt des Multiplayers steht dabei natürlich das Klassensystem: Wir Leveln auf, schalten immer mehr für Waffen, Perks etc. frei und bauen uns so nach und nach unseren Lieblingsspieler zusammen. Dies mag recht klassisch wirken, funktioniert aber immer noch prächtig. Es motiviert einfach ungemein und sorgt auch dafür, dass man sich immer wieder dabei erwischt doch noch ein kurzes Spiel zu machen, um noch das Teil freischalten zu können. Individualität wird eh großgeschrieben: Hier noch eine Farbe für die Waffe, hier noch ein anderer Aufsatz. Zu den bekannten Perks – hier könnt ihr 3 von 18 mit euch nehmen - und den 19 Abschussserien-Belohnungen, gibt es zudem die Feldaufrüstungen, welche wir automatisch in Runden aufladen und nutzen können. Egal ob Schild oder Geräuschlosigkeit (unglaublich hilfreich angesichts des hervorragenden Tons, aber viel zu lauter Schritte von Feinden), hier findet jeder Spieler sein perfektes Deck.
Der Multiplayer ist allerdings in seinen Untermenüs sehr verschachtelt und komplex und bedarf etwas Gewöhnungszeit. Wer sich dann aber in den Kampf stürzen möchte, findet unglaublich viele verschiedene Modi und Möglichkeiten: Auf derzeit 10 gut verschachtelten, aufgebauten und teils sehr gut ausbalancierten Karten geht es auf den beliebten Team Deathmatch. Daneben können wir uns aber auch in Cyberangriff (erinnert stark an Counterstrike), Suchen & Zerstören, Herrschaft und weitere stürzen. Das Feuergefecht dient vor allem für vier Spieler Gefechte die es spanend mögen. Nicht nur sind die Karten sehr klein, kompakt und daher unglaublich intensiv und spannend, auch erhaltet ihr in jeder zweiten Runde andere Waffen. Der Modus Bodenkrieg setzt indes auf Massenschlachten à la Battlefield, inklusive Helikopter und Panzerfahrzeuge, und bietet riesige Maps um so einen einmaligen CoD Massenspielmodus zu haben. Zwar komm die Spieleerfahrung nicht an das große Vorbild heran, bietet aber eine tolle Abwechslung gegenüber den sonst sehr kleinen und schnellen Schlachten. Richtig taktisch wird es aber nicht. Und dann hätten wir auch noch den Koop-Modus. Mit Überleben und Klassische Spezialeinheit gibt es einen Hordemodus, der neue Herausforderungen bietet. Hier ist nicht nur gutes taktieren erforderlich, sondern auch sehr gute Fähigkeiten. Technisch gesehen funktioniert das Match-Making hervorragend und auch die Crossplay Funktion ist unglaublich beeindruckend und funktioniert prächtig. Daneben gibt es aber auch einige kleinere spielerische Neuigkeiten, wie z.B. das Nachladen im Visiermodus. Der Modus Realismus bietet zudem die Möglichkeit alle störenden HUD Elemente abzuschalten.
Wer auf stark individualisierte Kämpfe hoffte, wird auf jeden Fall bei Call of Duty: Modern Warfare fündig: Die Möglichkeiten sind immens, die Modi sind abwechslungsreich, gut durchdacht und bieten vielen Herausforderungen. Schade ist dagegen, dass an vielen Stellen doch das taktische zu kurz kommt. Oftmals geht es eben darum, wer schneller ist, seine Waffe gut in Griff hat oder die Karten eben in und auswendig kennt. Doch das war Call of Duty schon immer, macht euch heute noch immens Spaß und bot selten so viele Möglichkeiten für Solo-Gamer wie Teams wie hier. Ein weiteres Highlight ist indes die Grafik selbst: Die ist nicht nur unglaublich hübsch anzusehen, sondern technisch auf einem sehr guten Level. Vor allem das Raytracing erzeugt eine viel authentischere Inszenierung und eine glaubhaftere Welt. Doch auch Texturen sind hochauflösend und das Gameplay zu jeder Zeit unglaublich flüssig. Gerade bei 4K Auflösung. Etwas umständlich ist dagegen der Start des Spiels: Nicht nur die Installationsgröße (130GB) ist angesichts mancher Internetabdeckung in Deutschland eine Herausforderung, auch Battle.net-Account und Activision-Konto müssen eingerichtet werden. Zudem braucht es den aktuellen Grafikkartentreiben und dann optimiert das Spiel selbst noch minutenlang die Shader. Da haben es Konsolenbesitzer deutlich einfacher. Zudem sind unschöne Ruckler bei den Rendersequenzen aufgetreten, die wir nicht wegbekommen haben.
Fazit
Während der Solo-Part von Call of Duty: Modern Warfare weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt und die hohen geschürten Erwartungen nicht erfüllt werden können, bietet das Kernspiel aber genau das, was sich alle erhofft haben: Schnelle, actionreiche und vor allem Skillbasierte Kämpfe auf gut gestalteten wie kurzweiligen Maps. Zudem bieten die vielen verschiedenen Modi eine hervorragende spielerische Abwechslung. Gerade der neue Hordemodus als Koop-Variante sowie Bodenkrieg können trotz Schwächen dabei überzeugen. Und auch die Grafik ist – vor allem auf dem PC - ein klares Highlight. Somit reiht sich Call of Duty: Modern Warfare als eines der besten Games der Reihe ganz weit oben in der Liste ein. Ein toller Shooter, der – wenn ihr wollt – hunderte Stunden Spielspaß bietet.