Bildnachweis: © Pidax | Werbemotiv zu "Tokyo Vice"

Verfilmung der Autobiographie des Journalisten Jack Adelstein "Tokyo Vice" - Staffel 1 - Kritik

von Yuliya Mieland

Inhalt

Ende der neunziger Jahre: Der Amerikaner Jake Adelstein zieht nach Tokio. Als erster ausländischer Reporter kann er bei einer bekannten und renommierten japanischen Zeitung arbeiten. Als Mentor unterstützt den Journalisten der Polizist Hiroto Katagiri, der in der Abteilung für organisierte Kriminalität arbeitet. Er ist eine Art Vaterfigur für Jake und führt ihn durch den schmalen Grat zwischen dem Gesetz und der Yakuza …

Kritik

„Wie kommt die Hauptfigur Jake Adelstein eigentlich auf die Idee, nach Japan auszuwandern?“ Das ist die Frage, die man sich augenblicklich stellt, sobald die Serie losgeht. Japan ist sicherlich schön und nach und nach erfährt man, dass Jake Adelstein (Ansel Elgort, Baby Driver) wohl von seinen Problemen zu Hause geflüchtet ist, doch die Frage, warum ausgerechnet Japan bleibt unbeantwortet, dabei will man es unbedingt erfahren. Auch wenn man von seiner Familie abhauen möchte und der Abstand einem nicht weit genug ist, warum zum Kuckuck Japan? Dann will Jake Adelstein auch noch ein erfolgreicher Journalist werden und muss die japanische Sprache perfekt beherrschen. Konnte er nicht Journalist in irgendeinem anderen US-Bundesstaat werden? Wie dem auch sei, er trifft auch noch auf die junge Amerikanerin Samantha (Rachel Keller, Dirty John), die ebenfalls ihr Glück in Japan versucht und ebenfalls vor etwas auf der Flucht ist.

Es gilt daher herauszufinden, wovor genau diese beiden Figuren fliehen und warum sie sich freiwillig der Herausforderung stellen, die komplizierte japanische Sprache zu lernen. Wenn die Serie nicht auf einer wahren Geschichte basieren würde, würde man es kaum glauben. Dabei ist Tokyo Vice auch für den Zuschauer anspruchsvoll und erfordert immer die volle Aufmerksamkeit, weil sie überwiegend auf Japanisch mit deutschen Untertiteln ist, manchmal sogar auf Koreanisch. Es ist großartig, was die Darsteller hier leisten, die fließend Japanisch sprechen, als wäre es selbstverständlich. Insbesondere Ansel Elgort gibt alles, um seine Rolle so authentisch, wie möglich zu verkörpern. Er erzählt schließlich die Lebensgeschichte des ersten nicht-japanischen Journalisten bei der japanischen Zeitung  Yomiuri Shimbun Newspaper und wenn man sich als Ziel setzt, einen echten Menschen zu verkörpern, der Großes geleistet hat, dann sollte man selbst bereit sein, Großes zu leisten und Ansel Elgort war definitiv bereit für diese anspruchsvolle Rolle.

Um ein Land richtig kennenzulernen, muss man dort leben und sich nicht nur als Tourist ein paar Wochen in diesem Land aufhalten, sonst wird alles, was man darüber zu berichten hat, nichts weiter als ein Reiseabenteuerbericht und Tokyo Vice könnte von so einem Reiseabenteuer nicht weiter entfernt sein. Der echte Jack Adelstein schrieb nämlich ein Buch über seinen beruflichen Werdegang in Japan: „Tokyo Vice: An American Reporter on the Police Beat in Japan“ und dieses Buch beinhaltet einige pikante Details über seine Zeit als Journalist in Japan, in der er zwangsläufig der Yakuza über den Weg lief und deshalb ein paar spannende Geschichten zu erzählen hatte. Offenbar so spannend sogar, dass sich kein Verleger in Japan traute, sein Buch zu verlegen, wogegen in Amerika sein Werk mit größter Freude ins Verlagsprogramm von Random House und Pantheon Books aufgenommen wurde und schlussendlich zu dieser Verfilmung geführt hat.

Die Kerngeschichte dieser Serie dreht sich tatsächlich, um mysteriöse Mordfälle, die offensichtlich von der Yakuza verschuldet wurden. Im Großen und Ganzen weiß man, wer der Schuldige ist, man weiß nur nicht, ob die Täter für ihre Taten belangt werden und ob Jake Adelstein, mit seinem vorlauten Wesen, heil aus der Sache herauskommt. Tokyo Vice ist sicherlich keine Serie, die zu Schnappatmung und großer Aufregung führt, sondern sie besticht hauptsächlich mit ihrer Authentizität und mit Freude, die man dabei empfindet, wenn man einen ungeschönten Blick auf die fremde Kultur, auf Kriminalität und Polizei- und Journalistenarbeit erhält. Das größte Manko von Tokyo Vice bleibt allerdings die oberflächliche Figurenzeichnung, weil die Informationen, die man über Jack Adelstein bekommt, so detailarm sind, dass man die Hauptfigur nie wirklich kennenlernt und sich somit leider nie mit ihr identifizieren kann.

Außerdem wird die Serie erst ab der sechsten Folge etwas spannender, aber auch diese Aufregung hält sich in Grenzen, man ist nur froh, dass endlich etwas einigermaßen Aufregendes passiert. Trotzdem enttäuscht die Serie am Ende gewaltig, weil keiner der Handlungsstränge so richtig aufgelöst wird und man weiß kaum etwas über Jacks Vergangenheit. Wenn Tokyo Vice in dem Tempo weiter macht, dann werden wohl noch 5 Staffeln nötig sein, um alle Fragen zu beantworten. In manchen Serien funktioniert diese Taktik, doch bei Tokyo Vice zieht man die Handlung nur unnötig in die Länge. Kaum zu glauben, dass die Gangsterwelt in Japan so langweilig inszeniert werden kann.

Fazit

"Tokyo Vice" sollte eigentlich einen spannenden Einblick in die Gangsterwelt Japans liefern und die wahre Geschichte von Jack Adelstein, dem ersten nicht-japanischen Journalisten bei einer japanischen Zeitung erzählen. Im Ergebnis sind die Einblicke, die man hier bekommt tatsächlich interessant, aber nicht spannend genug und man lernt die Hauptfigur Jack Adelstein leider nie wirklich kennen. Für die zweite Staffel kann man sich nur mehr Höhepunkte und mehr Hintergrundwissen über Jack Adelstein wünschen. Außerdem wäre es schön, wenn die Serie endlich mal alle Fragen beantwortet, die sie aufwirft!

Technischer Part

Pidax veröffentlichte die Blu-Ray von Tokyo Vice am 15. September 2023 in hervorragender Bild- und Tonqualität auf Japanisch/ Deutsch und Englisch/ Japanisch mit englischen und deutschen Untertiteln. Die Disc erhält sehenswerte Bonusmaterialien: The Craft (Karl Taro Greenfeld, Hiroshi Takebayashi & Minako Takebayashi, Enriko Yamaguchi), Featurette "Rituals of the Unterworld", "Creating the World", Script to Screen (Joseph Kuboto, Hikari), Spotlight: Alan Poul, Getting into Character (Ansel Elgort, Ken Watanabe, Rachel Keller, Ella Rumpf, Tomohisa Yamashita, Rinko Kinkuchi, Hideaki Ito, Show Kasamatsu).

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