Bildnachweis: © ZDF, Hardy Brackmann und Monika Plura | Werbemotiv zu "Unsichtbarer Angreifer"

„Unsichtbarer Angreifer“: Interview mit dem Produzenten Eric Bouley

von Yuliya Mieland

Moderne Technologien sind aus unserem täglichen Leben nicht mehr wegzudenken, weil sie unser Leben so einfach wie noch nie machen, doch sie bringen natürlich auch Gefahren mit sich. Davon kann die Hauptfigur des Films „Unsichtbarer Angreifer“ ein Lied singen. Als Emma (Emily Cox) eine von ihr entwickelte Therapie-App in der Praxis einsetzt, kommt es zu rätselhaften und immer gefährlicheren Zwischenfällen, die sie ihre Karriere, ihre Familie und letzten Endes den Verstand kosten können … UFA Fiction produzierte den spannenden Thriller Unsichtbarer Angreifer der ab 04. Mai in der ZDF-Mediathek erscheint und am 13. Mai um 20:15 Uhr im ZDF ausgestrahlt wird. Aus diesem Anlass stand uns der Produzent Eric Bouley für ein schriftliches Interview zur Verfügung. 

Bildnachweis: © Isabella Hoffmann | Foto von Eric Bouley

Was fasziniert dich an der Thematik der künstlichen Intelligenz (K.I.)?

Mich hat K.I. schon fasziniert, bevor die Thematik so gehypt wurde, und ich habe sie schon früher viel verfolgt. Das Thema wurde gerade in den letzten Jahren „en vogue“, was sich als ein sehr glücklicher Zufall für unseren Film herausstellte. Ich war schon immer ein Technik-Freak und sehe auch immer erst das Positive daran. Daher kann ich die vielen Weltuntergangsszenarien nicht nachvollziehen, in denen K.I. alles zerstören und supergefährlich sein soll. Ich denke, K.I. hat viele Vorteile und kann für etwas Gutes eingesetzt werden.

Welche Vorteile bringt K.I. mit sich?

Es gibt viele Vorteile, da das Thema sehr breit gefächert ist – zum Beispiel auf meinen Bereich bezogen, können Tools wie beispielsweise ChatGPT, Midjourney, Sora oder was noch kommen wird, sehr helfen. Wenn man zum Beispiel mehr in die Genrerichtung Fantasy oder Science-Fiction, Horror etc. gehen und Moodtrailer, Concepts oder Ähnliches relativ einfach erstellen will, kann die KI es vereinfachen, die eigene Vision des Films anderen zu vermitteln. Das kann im Verkaufsprozess sehr praktisch sein. Und wenn man sich dann gut mit der Technik auskennt und die entsprechenden Prompts beherrscht, kann das ganz hilfreich sein. Andererseits kann man durchaus Angst bekommen, weil es gleichzeitig vielleicht die Zukunft des Filmemachens radikal verändern kann. Du kannst dich dem aber nicht verwehren, sondern nur gucken, wie du es zu deinem Vorteil nutzt.

Im persönlichen Leben finde ich die ganzen vernetzten Geräte superhilfreich. Meine Kaffeemaschine ist zum Beispiel mit meinem Handy verbunden. Ich kann dann darauf drücken und sagen: „Mach Kaffee!“. Es ist eine kleine Spielerei und ich muss die Tasse natürlich selbst darunter stellen, aber irgendwie finde ich das ganz nett – und es ist noch so viel mehr möglich.

Ich denke, man kann die „große industrielle Revolution 4.0“, oder wie wir es auch nennen wollen, nicht aufhalten. Man kann den Kopf in den Sand stecken oder man kann versuchen, die Entwicklung anzunehmen und mitzugestalten. Natürlich musst du dich damit beschäftigen und dranbleiben, weil der technische Fortschritt so unfassbar schnell vonstattengeht.

Welches technische Gerät ist aus deinem Leben nicht mehr wegzudenken?

Mein Handy. Ich könnte auf alles andere verzichten. Meinen Laptop, mein iPad … Aber mit meinem Handy kann ich alles machen, was ich möchte.

Welche Gefahren gibt es im Hinblick auf K.I.?

Wenn man K.I. nutzt, in sein Haus reinlässt oder in den Berufsalltag integriert, sind das natürlich Einfallstore, durch die man gehackt werden kann. Das ist möglich und damit muss man rechnen. Vor allem, wenn man an Deepfakes denkt, oder daran, wie viele Scammer:innen unterwegs sind, die ihre Stimmen oder Gesichter verändern und damit vorgeben, deine Mutter oder deine Großmutter zu sein. Es gibt so viele Möglichkeiten – und wenn man kein geschultes Auge hat, kann man ganz leicht darauf reinfallen. Zum Beispiel gibt es auch Start-ups, die daran arbeiten, eine tote Person lebendig zu machen, indem sie deren WhatsApp-Nachrichten auslesen und die K.I. so programmieren, dass die vermeintliche Person im gewohnten Schreibstil weiter kommunizieren kann. Man will sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn das politisch ausgenutzt würde.

Das Thema K.I. war letztes Jahr auch Thema bei den Streiks in Hollywood. Was hältst du von den Streiks in Hollywood?

Ich finde es vollkommen nachvollziehbar, dass dort gestreikt wurde. Vor allem die neuen Entwicklungen der neu angekündigten K.I.-Software wie zum Beispiel „Sora“ zeigen mit ihrem ersten Bewegtbildmaterial, was alles möglich ist.

(Anm. d. Red.: Für alle Leser, die noch nicht wissen, was Sora bedeutet: Sora ist eine von OpenAI entwickelte generative künstliche Intelligenz, die auf die Generierung von Texteingaben zu Videos spezialisiert ist. Das heißt, dass man nur einen bestimmten Text einzugeben braucht, den Sora dann in passende Videoclips umwandelt.)

Mich als Produzent könnte ein fortgeschrittener Dienst wie „Sora“ auch betreffen. Es würde mich nicht wundern, wenn die Zuschauer:innen irgendwann den Fernseher anmachen und sagen können: „Ich hätte gerne den Film XYZ, oder einen Film in der Art von XYZ mit mir selbst in der Hauptrolle!“, und dann kommt dieser Film auf Knopfdruck. Wenn man es nicht schafft, die Anwendung von K.I. hier in gewisser Art und Weise zu regulieren, könnte es auch sehr schmerzhaft für meine Branche werden. Dieses Thema war deshalb auch mit das Hauptthema der Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen in den USA, die ja monatelange gestreikt haben, um den Einfluss von K.I. zu begrenzen.

Wie bist du auf das Drehbuch aufmerksam geworden? Gab es zunächst eine Idee oder hast du das fertige Drehbuch auf den Tisch bekommen?

Ich hatte damals mit meinem Kollegen Christopher Sassenrath eine eigene Firma, eine kleine Tochterfirma von X Filme, und gemeinsam mit dem Drehbuchautoren Willi Kubica haben wir die Idee zu „Unsichtbarer Angreifer“ entwickelt. Wir wollten schon immer einen K.I.-Horrorfilm machen, noch bevor der Trend aus Amerika kam. Vor vier oder fünf Jahren schrieben wir einen kurzen Pitch und sind damit zu Alexandra Staib vom ZDF gegangen. Sie hat das Potenzial erkannt und wir haben das Drehbuch zusammen mit dem ZDF entwickelt. Dabei hatten wir Glück, dass das Thema gerade so groß wurde, wie es jetzt ist. Ich schätze, wir hatten gutes Timing und Glück …

Was macht man als Produzent? Was sind deine Aufgaben?

Produzent:innen haben Ideen und kommen damit auf Drehbuchautor:innen zu, oder andersherum. Als Produzent:in versuchst du, das Projekt, den Stoff, so am Markt zu platzieren, dass es von einem Sender, Streamer oder Kinoverleih und der Förderung umgesetzt wird. Man ist in allen möglichen Bereichen tätig: Man ist wie ein Motor in der Fabrik, wie jemand, der das Feuer am Laufen hält. Du bist vom ersten bis zum letzten Moment dabei, bis zu einer möglichen Premiere und der Presse, du finanzierst das Projekt und produzierst es. Natürlich macht man das alles nicht alleine, es gibt zahlreiche Mitstreiter:innen. Unterm Strich versucht man Geschichten zu finden und sie so aufzustellen, dass sie dem größtmöglichen Publikum zugänglich gemacht werden können. Und dabei ist jedes Projekt sehr individuell. Insgesamt geht es darum, einen Prototyp herzustellen. Du kannst zwar auf deinen Erfahrungsschatz zurückgreifen, aber jedes Projekt ist anders.

Was sollen die Zuschauer aus dem Film lernen?

Uns war es wichtig, dass die Ambivalenz der Technik im Vordergrund steht. Wir wollten die Technik weder total verteufeln und als Dämon hinstellen noch glorifizieren, sondern unser Ziel war es, dass die Zuschauer:innen darüber nachdenken und ein Gespür dafür bekommen, weil wir alle viele technische Geräte zu Hause haben. Es kann nicht schaden, seinen Blick dafür zu schärfen, wie viel Technik wir zu uns nach Hause lassen und nicht zu blauäugig und naiv an die Sache heranzugehen. Natürlich gilt es auch, die Vorzüge der modernen Technik kennenzulernen. Das, was unsere Hauptfigur Emma Turgut mit der K.I.-App vorhat, ist ja total wichtig, weil sich die Suche nach einem Therapieplatz nicht so einfach gestaltet und die App deshalb eine große Erleichterung darstellt. Auch solche Roboter wie in dem Film werden in anderen Ländern in der Pflege eingesetzt. Klar, man kann darüber diskutieren, dass ein Roboter den persönlichen menschlichen Kontakt nicht ersetzen kann, aber er kann Dinge übernehmen, die menschliche Pflegekräfte aufgrund von Personal- und Zeitmangel nicht stemmen können. So können Roboter und die K.I. für Arbeitserleichterung sorgen.

Was war die Inspiration für den Film?

Wir haben uns Gedanken über Alexa und Smart Homes gemacht. Deutschland ist ja ein Land der Mieter und Mieterinnen: Wir haben hier kaum Eigenheime, deswegen gibt es natürlich nicht so viele Gelegenheiten, ein Smart Home zu errichten. Ich habe selbst nie ein Haus gebaut, aber mich dennoch viel mit der Technik beschäftigt und denke daher, dass die Zukunft des Wohnens natürlich auch smart sein wird. Das, was wir im Film mit dem Smart Home dargestellt haben, ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Gibt es neue Projekte, die in die gleiche Richtung gehen?

Ich entwickle gerne genreaffine Stoffe in der Art und Weise. Es geht nicht um ein Smart Home, aber ein, zwei Sachen, die ein bisschen mehr in die Mystery-Horror-Richtung gehen, sind gerade in der Pipeline. Es ist noch nicht spruchreif, aber die Tonalität wird ein bisschen spezieller, düsterer und brutaler, und wir werden mit einem Thema arbeiten, das hoffentlich in ein paar Jahren auch so groß ist wie K.I.

Das Thema K.I. gibt es in Filmen schon länger, aber zum Entstehungszeitpunkt von Filmen wie Terminator war das Thema noch viel weiter entfernt, eine dystopische Zukunft. Dagegen ist dieser Film beinahe realistisch, weil vieles von dieser Technik bereits existiert.

Bildnachweis: ©ZDF und Monika Plura | Szene aus "Unsichtbarer Angreifer"

Das stimmt, die Zeit hat uns eingeholt. Wenn wir den Film neu entwickeln würden, würden wir heute vieles anders darstellen. Als wir damals angefangen haben, daran zu arbeiten, waren viele Aspekte noch vollkommen absurd, und jetzt kann man sich davon schon viel mehr vorstellen. In „Unsichtbarer Angreifer“ haben wir bewusst auf Jahreszahlen verzichtet: Auf dem Paketschein steht beispielsweise keine Jahreszahl, weil man schwer abschätzen kann, wie schnell sich die Technik entwickelt. Das Smart Home, in dem wir gedreht haben, war bereits zum Drehzeitpunkt vollkommen funktionsfähig und hat beispielsweise wirklich Rollos, die automatisch runterfahren – und es existiert schon seit 10 Jahren. Wir mussten hier und da ein bisschen tricksen, aber es hatte sehr gute Grundlagensysteme, viele technische Spielereien und Möglichkeiten, die uns sehr geholfen haben und die uns auch bei der Wahl des Drehortes sehr wichtig waren. Allein automatische Fensterläden im Film so zu faken, wäre sehr aufwendig gewesen.

Wo habt ihr gedreht?

In Sacrow bei Potsdam. Das Haus war super und ein toller Motivgeber. Wir haben ein paar Kleinigkeiten umgebaut, aber im Großen und Ganzen existierte es so.

Hast du selbst die Schauspieler ausgesucht?

Wir haben mit Cornelia Mareth und Maria Rölcke zusammen gecastet. Es war ein ganz klassischer Castingprozess: Das Drehbuch war fertiggestellt, auch Martina Plura und ihre Schwester Monika Plura standen bereits als Regisseurin und Kamerafrau fest, und gemeinsam haben wir das Casting durchgeführt.

Hattet ihr schon einen bestimmten Schauspieler/ Schauspielerin im Kopf, als ihr an der Geschichte gearbeitet habt?

Nein, aber natürlich hatten wir gewisse Rollentypen im Kopf, die transportieren können, was man möchte – allerdings keinen konkreten Namen. Uns war es wichtig, dass unsere Hauptfigur trotz der ganzen Technik-Spielereien nahbar und nicht zu weltfremd ist, und dass eine große Emotionalität, die menschliche Komponente hervorgehoben wird, sodass nicht nur die Technik im Mittelpunkt steht, sondern ein Gleichgewicht gefunden wird. Emily Cox war ein absoluter Glücksgriff!

Bildnachweis: © ZDF und Monika Plura | Szene aus "Unsichtbarer Angreifer"

Ist die moderne Technologie eher Fluch oder Segen für dich?

Weder noch, aber ich bin da eher Optimist.

Das ist auch das Schöne an dem Film, dass es nicht abschließend geklärt wird.

Ja, das war uns wichtig, denn es lässt sich auch nichts vorhersagen. Ich kenne Menschen aus anderen Generationen, zum Beispiel aus meiner Familie, die alles verteufeln, was ich in gewisser Weise auch nachvollziehen kann. Andererseits hat meine Oma mit über 90 ein iPad, kann dadurch mit ihren Enkeln skypen und ist glücklich. Auch ich freue mich über Teams, Zoom oder Videotermine. Wenn ich darüber nachdenke, für wie viele Termine ich früher morgens um 6 Uhr in einen Flieger nach Köln oder München gestiegen bin: Umwelttechnisch war das eine Katastrophe. Jetzt kann ich die Termine einfach digital wahrnehmen und Zeit sparen.


Wir bedanken uns für das Interview bei Eric Bouley.

Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.