Ganze Generationen von Filmfans und Kinogängern hat George Lucas seit 1977 mit seiner Space Opera „Star Wars“ unterhalten und inspiriert. Millionen Menschen feierten – und feiern immer noch – die Kämpfe der Jedi-Ritter gegen korrupte Regierungen, Droidenarmeen und vom Glauben abgefallene, ehemalige Jedis. Die gedanklichen Ursprünge des Star Wars-Universums sind mannigfaltig und überraschen den westlichen Zuschauer. Denn gerade der Jedi-Orden – also die übergeordnete Instanz der einzelnen Jedi – besticht in seinen Grundfesten durch ostasiatische Glaubenspraktiken und Ehrenkodizes.
Die drei wichtigsten ostasiatischen Glaubensrichtungen, die auch heute noch eine Rolle spielen, sind: Der Konfuzianismus, der Taoismus und der Buddhismus. George Lucas bediente sich bei allen drei und unterfütterte sein Werk noch mit Elementen des Bushido und der Shaolinmönche. Wer nun glaubt, Lucas nutzt all das um einen karikierenden Abklatsch fernöstlicher Spiritualität zu erzeugen, der irrt. Denn wie er die oben genannten Punkte miteinander verbindet, ist äußerst subtil und überlegt.
Die asiatischen Einflüsse in George Lucas‘ Werk lassen sich ganz einfach erklären. In den 60er und 70er Jahren suchten viele Menschen eine Alternative zu den üblichen, westlichen Denkmodellen. So schwappte eine Welle fernöstlicher Literatur über den Teich, amerikanische Universitäten lehrten plötzlich asiatische Philosophen. „Star Wars“ ist in seiner Konzeption der Ausdruck dieser Gegenkultur in den 70ern, der die Faszination für den Fernen Osten widerspiegelt.
Der Taoismus geht zurück auf Laotse (chin. „der alte Meister“) ungefähr 6. bis 5. Jahrhundert vor Christus, und bedeutet „Lehre des Weges“. Für Laotse ist das Tao ein allumfassendes Prinzip. Es steht für die Einfachheit des Lebens, also das Loslassen und Geschehenlassen, im Gegensatz zum Handeln durch Willenskraft. Im Fokus steht dabei das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang, die das Leben bestimmen, und das Qi, die alles durchströmende Energie. Das wichtigste dem Taoismus entnommene Element ist die „Macht“. Genau wie die taoistische Philosophie besteht sie auf eine enge Verbindung zwischen Geist (=Jedi) und Kosmos (=Macht). Exemplarisch hierfür ist die Szene zwischen Yoda und Luke in Episode V. Hier wird die „Macht“ vom Lehrmeister als „Energie, die uns umgibt und mit allem verbindet“ beschrieben. Sie ist die Kraft, die alles Leben durchdringt und ordnet. Die stoffliche Welt und der Geist werden von ihr durchdrungen, eine wissenschaftliche Manipulation der Natur ist ausgeschlossen.
Yoda selbst wirkt wie ein dem Taoismus entnommener Grundbaustein. Er ist nahezu unsterblich und womöglich das weiseste Geschöpf der Galaxie. Man könnte ihn beinahe als einen der Unsterblichen, taoistische Quasi-Gottheiten, halten, für die der lange Weg vom Leben zum Tod keine Bedeutung mehr hat. Wenn er mithilfe der „Macht“ das Raumschiff den Sümpfen Dagobahs entreißt, ist das nicht Ausdruck seiner Kraft, sondern seines Einblickes in die Kräfte, die in der Natur herrschen. Es ist ein Miteinander und keine Instrumentalisierung jener Mächte. Yoda beschreibt die „Macht“ als transzendent und immanent, führt sie also nicht auf ein göttliches Wesen zurück. Sie ist pure Energie ohne Willen, ein taoistischer Grundpfeiler. Noch dazu kommt das Streben der Jedi nach einem Gleichgewicht der Macht. Sie versuchen, eine Balance in der Macht zu finden und sehen in Anakin Skywalker denjenigen, der diese wiederherstellt. Ein weiteres Element des Taoismus.
Der Buddhismus beruft sich auf Siddhartha Gautama, 6. Jahrhundert bis 483 vor Christus. Seiner Lehre liegen die „Vier edlen Wahrheiten“ zugrunde, in deren Mitte die Einsicht in die Grundtatsachen des Lebens und die Vermeidung des Leidens besteht. Das Ziel ist es, Extreme zu vermeiden und so zur Erlösung zu kommen. Diese kommt in Form von einer Befreiung aus dem ewigen Kreislauf von Geburt und Wiedergeburt, in dem alle Wesen bis zu ihrer Erleuchtung gefangen sind. Wie im Buddhismus, so ist es auch in der Welt der Jedis die Aufgabe des Meisters, seinen Schüler zu unterrichten. Er schützt seinen „Padawan“ gleichermaßen, wie er ihn fordert seine Komfortzone zu verlassen und sich zu beweisen. Erst wenn der Meister die Ausbildung für abgeschlossen hält, steigt der Novize zum vollwertigen Jedi auf. Das verhält sich genauso in buddhistischen Klöstern, die – wie der Jedi-Orden – in ihrer Struktur sehr starr und hierarchisch aufgebaut sind. Hier wie dort gibt es große Mystiker und Traditionalisten, Gegensätze, die trotzdem ineinander verschränkt sind. Qui Gon beispielweise ist im Vergleich zu den anderen Jedi-Meistern ein Freidenker und Rebell, andere Ratsmitglieder pochen jedoch auf Tradition. Das wird in der Ratszene deutlich, in der die Jedi-Meister über eine Ausbildung Anakins diskutieren. Traditionalisten und Mystiker versuchen eine gemeinsame Linie zu finden, was unmöglich scheint.
Buddha sagte einmal: „Nur die, welche nichts lieben und nichts hassen, tragen keine Fesseln“. So verwundert es nicht, dass Jedis mit Start ihrer Ausbildung ihrer Familie entsagen und sich dem Zölibat verschreiben. Zwei Dinge, die Anakin Skywalker nicht zulassen kann. Er rächt seine ermordete Mutter und geht eine Liebesbeziehung mit Padme ein. Aus der Angst vor ihrem Tod resultiert schließlich seine größte Schwäche, die ihn in die Arme des dunklen Lord Sidious und somit der dunklen Seite der „Macht“ treibt. Er kann also nicht die Maxime Buddhas bzw. seines Jedi-Ordens einhalten, die Erlösung bleibt ihm (vorerst) verwehrt. Obi-Wan Kenobi sagt im Kampf mit seinem ehemaligen Schützling Anakin selbst: „Nur ein Sith kennt nichts als Extreme“. Das widerspricht dem Buddhismus und dem Weg zur Erlösung völlig.
Ein weiterer Einfluss ist der Konfuzianismus und geht auf Konfuzius, 551 bis 479 vor Christus, zurück. Er war Justizminister sowie Berater des Herzogs der Provinz Lu und veröffentlichte viele Schriften und Bücher. Im Konfuzianismus steht das Streben des Menschen nach Vervollständigung seiner selbst im Zentrum. Anhand von Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Sittlichkeit, Aufrichtigkeit und Weisheit soll der Mensch sich selbst optimieren. Diese Grundpfeiler des Konfuzianismus sind ebenfalls wichtige Bestandteile des Jedi-Ordens. Die Jedi verpflichten sich zum Wohle aller Lebewesen zu handeln und in diesen Kategorien Vervollkommnung zu erreichen. Die Meister unter ihnen sind hierbei besonders erfahren und dienen als Vorbilder für nachfolgende Generationen.
Weitere Elemente, die George Lucas seiner Geschichte einverleibt hat, sind die Werte der Samurai. Gerade in der Ursprungstrilogie sind die Kämpfe von präzisen Bewegungen geprägt, wie sie in den japanischen Kampfsportarten Kendo und Iaido gebraucht werden. Daran dürfte der japanische Starregisseur Akira Kurosawa mit seinen Samurai-Epen nicht ganz unschuldig sein, den Lucas verehrte. Der Jedi-Orden ähnelt nämlich – neben dem Shaolin-Orden – auch den Samurai. In ihrer Aufgabe als Elitetruppe der Republik während der Klonkriege sind die Jedi dem Kriegeradel, also den Shogun, des feudalen Japan nicht unähnlich.
Die Filmreihe verbindet (Fern-)Ost und West wie kaum ein anderes Werk. Sicherlich ein Grund, wieso „Star Wars“ weltweit in allen Teilen der Welt für Furore sorgt. Dieser Text ist nur ein erster Einblick in die fernöstlichen Einflüsse von „Star Wars“. Oder wie Yoda zu uns sagen würde: „Viel zu lernen du noch hast.“