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Sergej Eisenstein / Edmund Meisel: Panzerkreuzer Potemkin & Oktjabr - Kritik

von Pascal Reis

Noch heute wird Werner Herzog, einer der imposanten Nachkriegsregisseure Deutschlands, der gerade erst auf der Berlinale sein neustes Werk „Queen of the Desert“ in den Wettbewerb geschickt hat, nicht müde zu erwähnen, wie viel Wert Sergej Eisenstein„Panzerkreuzer Potemkin“aus dem Jahre 1925 für unsere heutige Filmwahrnehmung in sich trägt: „Unterschätzt“, nennt er ihn. Frei nach den tatsächlichen Ereignissen des russischen Revolutionsjahres 1905, schildert der Klassiker des Stummfilms die Meuterei der Besatzung des russischen Kriegsschiffes Njas Potjomkin Tawritscheski gegen deren dem Zarismus verschriebene Offiziere. Inzwischen ist „Panzerkreuzer Potemkin“ zu wahrhaftigem Kulturgut herangewachsen und tritt als unbedingtes Bildungsprogramm in Erscheinung, als cineastisches Grundwissen, so auch in der Neuauflage der Edition filmmuseum, in der ebenfalls Eisensteins Nachfolgewerk „Oktjabr“(oder auch: „Oktober. Zehn Tage, die die Welt erschütterten“) enthalten ist.

Mag „Oktjabr“ über die Dekaden auch nicht die filmhistorische Relevanz eines „Panzerkreuzer Potemkin“ erlangt haben, so sind beide Werke doch zweifelsohne als kinematographische Monumente zu dechiffrieren. Interessanter, um es an diesem Punkt schon einmal deutlich zu machen, ist es nun, auf die Geschichte hinter „Panzerkreuzer Potemkin“ und seine audiovisuelle Brillanz einzugehen, würde eine handelsübliche, auf informaler Bedeutsamkeit basierende Rezension doch relativ schnell ins Leere führen und sich ohnehin automatisch in zwei spezifische Pole zergliedern. Denn natürlich ist „Panzerkreuzer Potemkin“ als kommunistische Propaganda zu titulieren, und das macht Sergej Eistensteins „Mutter aller Filme“ diskutabel, vielleicht sogar bedenklich, wenn man denn nicht so weit denken möchte, um ein politisches Ideal im Kern der Konstruktion zu entdecken, das sich eindeutig der Vergangenheit und nicht der Zukunft verpflichtet. Wer sich zum Beispiel nur einmal den mit Stars gespickten Großstadt-Western „Die Unbestechlichen“ von Brian De Palma angesehen hat, wird direkt wieder darüber in Erinnerung gesetzt, welch stilbildende Wellen „Panzerkreuzer Potemkin“ doch geschlagen hat.

Gemeint ist damit natürlich die Szene, die sich auf der Hafentreppe von Odessa abspielt, dramaturgisch lokalisiert im gleichnamigen vierten Akt der Handlung. Es ist eine Sequenz, in der der memorable Montagekomplex Eisensteins in voller Wucht zum Ausdruck gebracht wird und in einer fotografischen Rhythmik auf den Zuschauer eindonnert, wie es die kompetentesten Filmemacher heutzutage kaum bewerkstelligt bekommen: Ein, wie der gesamte Film, Paradebeispiel dafür, wie man visuell dringliche Agitation betreibt. Dass die sowjetische Filmorganisation Goskino der Prometheus das Verleihmonopol für „Panzerkreuzer Potemkin“ über einen Zeitraum von ganzen drei Jahre übertrug, zog nach sich, dass der bei der Prometheus angestellte Piel Jutzi, der die deutschen Fassungen sowjetischer Verleihfilme bearbeitete, sich dazu gezwungen sah, „Panzerkreuzer Potemkin“ zurechtckzuschneiden, da die Gefahr zu groß gewesen wäre, die deutsche Zensur zu reizen – Ohne Erfolg. Jutzis Schnitt wurde weiter und weiter geschnitten und als „die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdend“ verschrien. Inzwischen ist man schlauer und rührt Bedauern.

Dieses kollektive Bedauern speist sich aus der formidablen, aber nur noch als Gerippe vorhandene musikalischen Untermalung des avantgardistischen Kapellmeister-Komponisten Edmund Meisel, der eine eigenständige Partitur für „Panzerkreuzer Potemkin“ (und natürlich auch für „Oktober. Zehn Tage, die die Welt erschütterten“) - nach eigener Aussage – über einen Zeitraum von 12 Tagen und 12 Nächten geschrieben hatte. Sergej Eisenstein war überwältigt von der symbiotischen Allianz, die Bild und Ton eingingen, wie die audiovisuelle Kraft es vollbrachte, den Zuschauer zu erregen, zu schockieren, zu bewegen. Und genau das schaffen sowohl „Panzerkreuzer Potemkin“ als auch „Oktober. Zehn Tage, die die Welt erschütterten“ im Hier und Jetzt nach wie vor mit profitablen Erfolg. In diesem Sinne: Eine klare Empfehlung, sich mit diesen Meilensteinen auseinanderzusetzen. Gerne auch in dieser Veröffentlichung, die von „Panzerkreuzer Potemkin“ sowohl die deutsche Premierenfassung von 1926 bereithält, als auch die deutsche Tonfassung von 1930. 

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