"Moonraker" war das Konzentrat der Bond'schen Albernheiten: Noch nie war James Bond mehr Parodie seiner selbst, aber noch nie hat er dabei auch solchen Spaß gemacht. Glücklicherweise weiß Regisseur John Glen, dass er die Reihe in dieser Hinsicht nicht mehr steigern kann - und geht folgerichtig genau den entgegengesetzten Weg. "For Your Eyes Only" beginnt damit, dass 007 frische Blumen an das Grab seiner verstorbenen Frau bringt. Ein Moment, der von der rasanten Pre-Title-Sequenz sogleich verdrängt wird, aber doch im Gedächtnis haften bleibt. Das liegt daran, dass die Geschmacksnerven von ständigen Actionszenen zunehmend betäubt sind und man als Zuschauer nach mehr Intimität dürstet. Wir wollen Bond verletzlich sehen, herausfinden, was ihn antreibt. Glen gibt mit seinem Film keine Antwort darauf, liefert aber einen angenehm unaufgeregten Film ab, der mit reichlich Spektakel auftrumpft (wie etwa der bisher spektakulärsten Verfolgungsjagd auf Skiern), aber vor allem in ruhigen, intensiven Spannungsmomenten zu sich selbst findet. Dies ist ein reifer Bond-Film, sowohl in Inhalt, als auch in Form und Stil. Die Kamera bewegt sich dynamischer als je zuvor, die Bond-Girls emanzipieren sich langsam aber sicher von ihrer ewigen "damsel in distress"-Rolle. War "Moonraker" noch die direkte Antwort auf den zwei Jahre zuvor gestarteten "Star Wars", fühlt sich "For Your Eyes Only" in seinen Unterwasserszenen wie die verspätete Antwort auf "Jaws" an: Wenn Bond (immer noch lässig wie kein zweiter: Roger Moore) und die nach Rache gierende Melina Havelock (toll: Carole Bouquet) ein versunkenes Schiff inspizieren, erzeugt Glen durch die Point-of-View-Perspektive des herannahenden Bösewichts einen im Bond-Franchise bisher unbekannten Nervenkitzel.
von Nikolas Friedrich