Nur wahrlich selten gibt es Serien, die einen nicht nur absolut überraschen können, sondern es sogar bemerkenswert verstehen gewohnte wie bekannte Klischees gekonnt zu umfahren und zudem eine unglaubliche Sogwirkung und Spannung zu erzeugen. Eben eine Reise, die einen in eine Welt eintauchen lässt, in der sich der Zuschauer vollends verlieren kann. Eine solche Odyssee gibt es zurzeit dank Serienschöpfer Ronald D. Moore („Battlestar Galactica“) in den ruhigen malerischen Highlands zu bewundern: „Outlander“. Eine Serie die definitiv mehr Aufmerksamkeit verdient hat, präsentiert sie immerhin nicht nur eine der stärksten Frauenrollen der letzten Jahre, sondern offenbart auch eine fabelhafte romantische Bindung, die über Folge und Folge enger wird und dies gar ohne jeglichen Kitsch. Wenn dann noch grandiose darstellerische Leistungen hinzukommen und die typischen brachialen wie wundervollen Bilder des schottischen Hochlandes, dann kann der geneigte Fan wahrlich von Liebe sprechen. Einer Serienliebe, die nun dank Sony Pictures Home Entertainment seit dem 15.10. in die zweite Hälfte übergeht.
Handlung: Im Laufe der Season wird Claires und Jamies Beziehung auf die Probe gestellt und Claire muss ihre moderne Mentalität mit der Welt des 18. Jahrhunderts in Einklang bringen. Skrupellose Rotröcke, unberechenbare Clanpolitik und ein brutaler Hexenprozess zwingen Jamie und Claire, in eine neue Heimat zu fliehen. Gerade als ihr Leben als Ehepaar Gestalt annimmt, wird Jamie wieder in Captain Randalls Dunkelheit gezogen. Letztendlich entdeckt Claire, dass es etwas Schlimmeres als den Tod gibt, während sie versucht, sowohl Jamies Herz als auch seine Seele zu retten.
Warum „Outlander“ indes so fesseln kann? Nun, dies liegt gleichsam an den Charakteren als auch an der erfrischenden Herangehensweise der Geschichte. Bereits die erste Staffel zeigte uns eine kämpferische und keineswegs mundscheue Claire Randall (brillant energisch und gleichzeitig verletzlich von Caitriona Balfe gespielt), die in einer vollkommen neuen (alten) Welt zurechtkommen muss. Eine voller schottischer Sturheit, gewaltsamen politischen Prozessen und einer stetigen Bedrohlichkeit durch Natur, Banden, Rotröcken und gesellschaftlicher Stände. Wenn dann auch noch mit Captain Randall ein verstörend intensiver Bösewicht die Szenerie betritt und mit Jamie Fraser ein Held mit einer dunklen Vergangenheit, dann scheint sich die Geschichte von selbst zu schreiben. Und ja, dies ist auch in der zweiten Hälfte der ersten Staffel so: Wo wir zuletzt mit dem Höhepunkt zwischen Randall und Fraser zurückgelassen wurden, gibt es nun eine gekonnte Weiterentwicklung. Charaktere werden zurückgelassen, Kulissen gewechselt und Claire sowie Jamie bekommen eine nachvollziehbare Ehe, inklusive Liebe, Hass, Nähe, Ferne und Streit. Hier wären wir dann auch schon beim nächsten gelungenen Stilmittel von „Outlander“: Alles was wir immer wieder an Klischees in den verschiedensten Romanzen um die Ohren bekommen, gibt es hier schlichtweg kaum. Alles ist vollkommen unerwartet und, das ist viel wichtiger, gefühlt realistisch. Bis es schließlich im Finale zu einer tiefen emotionalen Entscheidung kommt. Und (dies bleibt nur wage angedeutet) zudem mit Folge 15 (Wentworth Prison) eine der nachhaltigsten Szenen der letzten Jahre im Bereich der Serien besitzt.
Dies ist wiederum wohl vor allem der hervorragenden Leistung von Sam Heughan als Jamie Fraser zu verdanken, dessen Wut und Verzweiflung zu jeder Zeit spürbar wird. Währenddessen darf sich Tobias Menzies als Frank Randall zum blutigen Sadist aufschwingen und somit zu einem der besten Bösewichte der letzten Jahre. Blut gibt es genug und somit ist auch die Erhöhung des FSK auf 16 mehr als gerechtfertigt. Dies ist aber nicht alles, was uns die zweite Hälfte der ersten Staffel zu bieten hat: Mit Laura Donnelly als sture wie sensible Jenny Fraser gibt es eine schöne Cast-Erweiterung, die, trotz ihrer wenigen Screentime, nachhaltig im Gedächtnis bleibt. Graham McTavish darf als Dougal MacKenzie unterdessen weiterhin Ränke schmieden und seine dunkle Seele offenbaren. Darstellerisch gibt es also einiges zu entdecken, was sogar für die kleinsten Nebenrollen gilt. Alles fügt sich gekonnt zusammen und fühlt sich wie ein angenehmes Komplettbild an. Natürlich untermalt in dem Falle mit einmal mehr fabelhaften Kulissen (alles Original erhaltende Burgen oder Anwesen aus der Zeit), malerischen Szenerien oder eben den handgearbeiteten Kostümen, welche das 18. Jahrhundert lebendig werden lassen.
Natürlich ist aber auch „Outlander“ keine reine Perfektion: Buchliebhaber der Vorlage werden schnell ihre Mängel entdecken, während unterdessen die eine oder andere Folge (gerade Episode 14 - The Search) kleine Längen hervorrufen oder künstlich die Handlung strecken. Angesichts der anderen Vorzüge der Serie von Ronald D. Moore ist dies aber nicht nur zu verschmerzen, sondern auch gerne in Kauf genommen. Denn was bleibt ist schlichtweg eine der beeindrucktesten historischen Serien der letzten Jahre.
Fazit: „Outlander“ ist wunderschön, höchst emotional, ungewohnt erzählt und bietet eine unglaubliche Sogwirkung ins Schottland des 18. Jahrhundert. Die Serie von Ronald D. Moore ist somit eine der besten der letzten Jahre und dies gilt nicht nur für Kulissen, Ausstattung und Darsteller, sondern vor allem für die Erzählung, in der Klischees so rar sind wie Kartoffeln in den Hügeln des Hochlandes (Seriengucker werden es verstehen). Wir dürfen also gespannt sein, wohin die Reise von Claire Randall führen wird und ob der düstere Ton des Finales beibehalten wird. Eine klare Empfehlung.
Blu-Ray: Warum unbedingt die erste Staffel in zwei Teilen erscheinen musste, bleibt – bis auf das wirtschaftliche Argument – wohl ein Rätsel. Doch das Warten hat sich gelohnt. In HD sind die weiteren 8 Folgen einmal mehr eine wahre Freude und somit das schottische Hochland regelrecht fühlbar. Zudem bietet uns die BD eine Hülle an Extras: Egal ob eine kurze Dokumentation über die Herstellung der Stoffe von „Outlander“, ein Podcast, Gag Reel, unveröffentlichte Szenen oder Diana Gabaldons Rundgang durch die Serie. Hier gibt es für Fans eine Menge zu entdecken. Klare Kaufempfehlung.