1. Highlights aus den Kinosälen:
Suspiria - Luca Guadagnino orientiert sich nur grob an Dario Argentos meisterhaftem Original und kreiert eine absolut fantastische Neuinterpretation, die in diesem Filmjahr mit Sicherheit noch den größten Publikumsspalter darstellen dürfte. Mit deutlich feministischem Anstrich erzählt der Regisseur von unterschiedlichen Müttern und Töchtern, die sich von den Fesseln eines vererbten Verderbens losreißen wollen, indem Empfindungen wie Schuld und Scham im Angesicht eines vergangenen Traumas akzeptiert werden müssen, um zukünftige Generation vor dem sicheren Untergang bewahren zu können. Als verkopfter Kunstfilm, entfesselte Horror-Fantasie, brisante Allegorie, bizarrer Trash und sinnliches Gefühlsbad zugleich verlangt Suspiria dem Betrachter beinahe sämtliche Reaktionen ab, die ein Film hervorrufen kann.
Aufbruch zum Mond - Der bislang konventionellste Film von Damien Chazelle ist nichtsdestotrotz wieder ein großartiges Drama, in dem der Regisseur die wahre Geschichte der ersten Mondlandung als intimes Biopic von assoziativ-poetischer Schönheit inszeniert. Neil Armstrong, das große Symbol, beschreibt der Regisseur als gebrochenen Zweifler, der auf der Erde jeglichen Boden unter den Füßen verloren hat und in der Schwerelosigkeit des Alls neuen Halt sucht. Seinen emotional bestürzenden Höhepunkt findet Aufbruch zum Mond schließlich im erstaunlichen Finale, das unbedingt im IMAX gesehen werden sollte.
2. Flops aus den Kinosälen:
Verschwörung - Der vielleicht schlechteste Film des Jahres. Verschwörung ist in erster Linie ein überaus unbeholfenes Werk geworden, in dem sich Regisseur Fede Alvarez und die Autoren in ihren eigenen abgegriffenen, dramaturgisch zerfaserten sowie klischeehaft zusammengeschusterten Plotstrukturen verheddern wie das titelgebende Mädchen im Netz der Spinne. Mit unerträglich konstruierten Entwicklungen und einem Fokus auf generische Action im Rahmen eines hanebüchenen Plots wirkt Verschwörung auf unangenehmste Weise wie ein James Bond-Film der späten Brosnan-Ära. Ein Streifen, wie man ihn seit gut 20 Jahren eigentlich nicht mehr drehen dürfte und der sofortige Sargnagel für die US-Remakes der Millenium-Filme.
Operation: Overlord - Nach einem regelrecht beeindruckenden, intensiven Auftakt, der den Zuschauer mitten in die Hölle des Krieges zieht, entpuppt sich Operation: Overlord recht schnell als furchtbar misslungenes Werk. Das größte Problem von Julius Averys Film besteht darin, dass dieser so offensichtlicher Trash ist und sich trotzdem unentwegt gegen diesen Stempel wehrt und unbedingt als ernstzunehmender Film betrachtet werden soll. Am Ende ist Operation: Overlord von beidem ein wenig und nichts so richtig. Zeitverschwendung.
3. Highlights im Heimkino:
Die Verachtung - Die Verachtung, den Jean-Luc Godard in teurer Cinemascope- sowie Technicolor-Ausstattung drehte, gerät neben dem edel-opulenten Rahmen zur intimen Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Druck, dem sich der Regisseur während der Realisierung dieses Films permanent ausgesetzt sah. Im Kern ist Die Verachtung aber auch ein Filmerlebnis, das ganz schlicht durch die Reize des Kinos auf den Betrachter einwirkt. Schlussendlich berichtet der Regisseur von einer Liebe, die durch das Kino, das für Godard schon immer 24 mal pro Sekunde die Wahrheit bedeutet, am Leben zerbricht.
Batmans Rückkehr - Nach wie vor einer der besten Comicfilme aller Zeiten. Wie Tim Burton den Batman-Mythos nach dem von Studioeingriffen deutlich verzerrten Vorgänger seiner ganz eigenen Handschrift unterordnet und sich die meiste Zeit über viel stärker für die Bösewichte in diesem Film interessiert, die der Regisseur wie gewohnt als tragische Außenseiter und von der Gesellschaft ausgestoßene Randfiguren interpretiert, ist von einer ebenso traurigen Schönheit wie mutigen Radikalität. Die wohl perfekteste Szene in Batmans Rückkehr gehört nichtsdestotrotz auch zur Hälfte dem titelgebenden Superhelden, wenn dieser gemeinsam mit Selena Kyle aka Catwoman ausgerechnet auf einem Maskenball unmaskiert als Bruce Wayne auftaucht und beide einen sinnlichen Kuss austauschen, bevor die nicht vorhandenen Masken in einer schutzlosen Realisierung endgültig fallen.
Inferno - Der zu Unrecht oftmals übergangene Suspiria-Zwilling ist ein hervorragendes Horror-Erlebnis, das wie die besten Filme von Dario Argento über pure Audiovisualität auf den Betrachter einstürmt. Als Blick in eine Zwischenwelt, die einem Traum jenseits jeglicher fassbarer Logik entspricht, inszeniert der Regisseur Inferno als sprunghaftes, irrationales Labyrinth der Szenenübergänge, Perspektivwechsel und unheilvoll-surrealen Räumlichkeiten. Jeder, der das Kino von Argento erfahlen, fühlen sowie ansatzweise verstehen will, muss Inferno gesehen haben.
Halloween - Pflichtsichtung an Halloween. John Carpenters Horrorfilm ist bis heute ein beeindruckender Slasher-Klassiker, der das pure Grauen mit ausgeklügelten Kameraeinstellungen und vor allem einem unerreichten Score in der amerikanischen Vorstadt, dass einem bei der Sichtung von Halloween jedes Mal wieder das Blut in den Adern gefriert.
Trouble Every Day - Angelehnt an das europäische Arthouse-Kino der 60er- und 70er-Jahre ist Trouble Every Day von Claire Denis ein nur schwer (be)greifbares Werk, in dem tiefschwarze Vampirromantik auf ein bitteres Drama über Isolation, Entfremdung und Einsamkeit trifft. Zusammen mit dem melancholischen Score der Tindersticks und Hauptdarsteller Vincent Gallo, der die gesamte Rätselhaftigkeit, Traurigkeit und Abgründigkeit des Films in seinen Augen trägt, ist Trouble Every Day von zeitlos betörender Strahlkraft.
4. Flops im Heimkino:
Apostle - Ein Film, der zeigt, dass Gareth Evans außerhalb des Action-Genres nicht allzu viel zu melden hat. In viel zu langen 130 Minuten verheddert sich der Okkult-Horror des Films in zu vielen Erzählfäden und angerissenen Handlungssträngen, die der Regisseur allesamt nicht stimmig verknüpft. Diesen Missstand versucht Evans im letzten Drittel schließlich durch brutale Gewalteinlagen auszugleichen, die eher anöden als schockieren.
22. Juli - Und direkt die nächste Netflix-Gurke. Wer sich eine wirklich gelungene Auseinandersetzung mit dem Utoya-Massaker ansehen will, ist mit Utoya 22. Juli wesentlich besser bedient. Die Variante von Paul Greengrass versagt auf ganzer Linie als oberflächlicher Blick auf ein Land, das in der Schockstarre versinkt, während der Regisseur dem Attentäter selbst viel zu viel Aufmerksamkeit schenkt und für Anders Breivik bisweilen eine fast schon bizarre Faszination entwickelt.
5. Alles über Serien:
Nix über Serien.
6. Für den November plane ich:
Mandy, The House That Jack Built
7. Filmschaffende(r) des Monats:
Luca Guadagnino
8. Mein Monat hat mich irgendwie an diesen Film erinnert:
9. Meine Gedanken zu Moviebreaks Horroctober:
Feine Sache wie immer!