Bildnachweis: © Sony | Thomasin McKenzie und Ben Foster in "Leave no Trace"

Moviebreaks Monatsrückblick: August

von Levin Günther

1. Highlights aus den Kinosälen:

Leave no trace - Debra Granik blickt mit bedrückender Klarheit und ohne falsche Mitleidigkeit auf destruktive Beziehungen am äußersten sozialen Rand. So auch in dieser eindringlichen Studie einer Vater-Tochter-Gemeinschaft am Schnittpunkt von Liebe und Abhängigkeit, Unabhängigkeit und Entfremdung. 

Lazzaro felice - Mit spielerischer, doch nie verspielter Leichtigkeit verknüpft die Regisseurin Parabel und Parodie zu einer tragikomischen Elegie auf den vergeblichen Humanismus eines erleuchteten Narren. Das Poster ist nebenbei ebenso verträumt-schön wie der Film. 

Girl - Victor Polster gibt sein herausragendes Debüt als Hauptdarsteller dieser zurückgenommenen Studie eines komplexes Wandlungsprozesses. Hinter der beherrschten Fassade der jungen Protagonistin gähnt ein Abgrund aus Versagensangst, Selbstzweifel und Verzweiflung über die scheinbare Unvereinbarkeit ihrer Seinsideale. 

Mary and the Witch's Flower - Das magische Abenteuer vor der Kulisse einer geheimnisbergenden Natur kann die psychologische und metaphorische Vielschichtigkeit seines Stoffs kaum halten. Doch genau wie bei der jungen Heldin macht die ungestüme Lebendigkeit den Charme des hintersinnigen Animés aus.  

2. Flops aus den Kinosälen:

Alpha - Lassie, Come Home in der Eiszeit, in der Männer schon echte Hipster waren. Mit cool frisierten Bärten, Tunnel Piercings, Tattoos und den Insektensnack immer griffbereit jagten sie das Mammut. Davon gibt's inzwischen keine mehr, nur noch ein paar Bisons. Fünf davon mussten ihr Leben lassen für eine Handlung, die anthropologisch, naturgeschichtlich und tierkundlich ein Haufen Murks ist. Aber als in einer Szene ganz hinten am Bildrand ein Stück toter Bison rumlag, taten es nicht Attrappen und Kunstblut, nein, es muss ja authentisch sein! Ich seh das schon, wie scharenweise selbst ernannte Tierfreunde da rein rennen, sich dann einen Alaskan Malamute in ihre Mini-Stadtwohnung holen, den Alpha nennen und spätestens nach Weihnachten an einer Straßenkreuzung abstellen. 

Crazy Rich Asians - Seichtes Seifenopernkino, das sich die verklemmt-homophobe Sexualpolitik seines Schauplatzes aneignet. Zahllose grandiose Storys könnten mit der tollen asiatischen Cast realisiert werden - stattdessen erstickt dieser Rich-Bitch-Kitsch mit schicker Redundanz.

3. Highlights im Heimkino:

The Big Lebowski - Eine Kultkomödie, die einfach nicht an ihren Nimbus herranreicht. Das verstärkt wieder meinen Überdruss: nicht gegen den Film, sondern das weitverbreitete Bedürfnis Werke oder deren Regisseure (es sind praktisch immer Regisseure) total zu verklären? Warum ist gut - oder auch toll, super, klasse - warum ist das alles nie gut genug? Wieso muss es immer "best ever", "aller Zeiten, des Jahrzehnts, des Jahrhunderts" sein? Warum diese Götzendienerei? Warum überhaupt dieser Hrang zu Absolutismen und Superlativen? Wie auch immer, völlig abgeschweift. Also, wie bei der ersten Sichtung vor gefühlt 300 Jahren unterhält mich die Story dank des Ensembles, der Genrereferenzen und ihrer absichtlichen Ziellosigkeit. Die Traumtanznummer ist das Beste. Alles könnte so schön sein, wäre da nicht diese kurzsichtig-privilegierte Perspektive, untermauert von einer penetranten Selbstverliebt.

Henry: Portrait of a Serial Killer - Unverändert eine der treffendesten Momentaufnahmen von Soziopathie. Fesselnd ist auch der reale Fall, auf dem das konzise Charakterdrama basiert.

4. Flops im Heimkino:

Einen Widerspruch eingelegt. Werde alles daran setzen, dass der durchkommt. Ansonsten verzweifele ich am System, dem Staat und der Menschheit. Alles wie immer. 

5. Alles über Serien:

Wird einer der grandiosesten Horrorromane adaptiert, versuche selbst ich meine serienuntaugliche Agenda danach auszurichten. Erste Bilder und Infos lassen allerdings leider wenig Gutes von The Haunting of Hill House erahnen. Dafür habe ich kurz vorm Einschlafen dank Podcasts wieder Aufschlussreiches gelernt über Jeans, bizarre Mordfälle in Kanada und Klimaanlagen. 

6. Für den September plane ich:

Job till You drop. Zudem bin ich fest entschlossen, meinem Zeitplan ein paar Stunden abzuhacken, wie man einem finsteren Ritter die Extremitäten abhackt. In diesen Stunden dann endlich ein Mindestpensum an Sport schaffen, das wär's.

7. Filmschaffende(r) des Monats:

Alice Rohrwacher

8. Mein Monat hat mich irgendwie an diesen Film erinnert:

Drunken Angel 

9. Meine Gedanken zum offenen Bond-Regieposten:

Was denn, kein Boyle-Bond mehr? Herrjemine, die Welt bleibt stehen! Der ukrainische Filmemacher Oleg Sentsov ist übrigens seit über 100 Tagen im Hungerstreik und noch immer sind weder ein fairer Prozess, noch ein Ende seiner unrechtmäßigen Einkerkerung in Aussicht.  Aber, klar, reden wir über die wirklich wichtigen Dinge:  Wer inszeniert den nächsten Bond-Film? Wie gesagt, Menschheit, verzweifeln und so. 

Lidanoir

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