Willkommen zu den wöchentlichen Recaps zur zweiten Staffel von "True Detective". Ab sofort werdet ihr zum Wochenbeginn mit der Nachbereitung der einzelnen Folgen versorgt. Wie immer gilt: falls ihr keine Spoiler wollt und die Episode noch nicht gesehen habt - hier gibt es nichts für euch zu sehen, bitte geht weiter. Für alle anderen: stürzt euch rein in's Vergnügen, lasst eure Gedanken, Wünsche, Verbesserungsvorschläge am Ende hier. Dann wollen wir mal...
Letztes Jahr erschuf HBO mit "True Detective" ein neues Anthologieformat, welches die Zuschauer reihenweise in seinen Bann zog. Mich selbst erwischte es in Folge drei, andere waren ab der ersten Minute gefesselt. Nic Pizzolatto schuf mit Cary Fukunaga auf dem Regiestuhl ein Gesamtkunstwerk, und natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis eine zweite Staffel bestätigt wurde. Wie Anthologien das so an sich haben, geht Staffel zwei nun völlig andere Wege. Auf dem Regiestuhl nimmt nun für die ersten beiden Episoden Justin Lin Platz, der sich bisher vor allem einen Namen mit diversen Teilen des "Fast and Furious" Franchise einen Namen gemacht hat. Danach wird die Regie wechseln. Matthew McConaughey und Woody Harrelson sind als Executive Producer zwar noch beteiligt, doch die Show vor der Kamera gehört nun Colin Farrell, Rachel McAdams, Vince Vaughn und Taylor Kitsch. Diesmal befinden wir uns in Kalifornien, und am besten schauen wir uns erstmal an, wer nun eigentlich wen spielt. Denn wenn man bei Staffel 1 eines gelernt hat, dann: es wird auf jeden Fall kompliziert.
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Ray Velcoro (Colin Farrell) ist Detective, und schon viel zu lange im Job. Sein Verhalten ist fragwürdig, seine privaten Probleme sind riesig. Seine Stadt, Vinci, ist zudem korrupt wie sonstwas, und auch er selbst droht permanent, auf die schiefe Bahn zu geraten.Er kämpft um mehr Besuchsrecht für seinen Sohn, bei dem er sich nicht einmal sicher sein kann, dass es tatsächlich sein Kind ist. Denn seine Frau wurde vor 12 Jahren überfallen und vergewaltigt, und knappe 9 Monate später wurde das Kind geboren. Dennoch scheint er seinen Sohn zu lieben, auch wenn er oft überreagiert. Als das Kind eines Tages in der Schule gemobbt wird, findet Ray kurzerhand heraus, wo das andere Kind lebt, und schlägt dessen Vater vor seinen Augen zusammen: "If you ever bully another kid again, I'll come back and butt fuck your father with your mother's headless corpse on this god damned lawn. Twelve years old my ass. Fuck you.". Ein Journalist, der über die Korruption in Vinci schreibt, bekommt ebenfalls einen unschönen Hausbesuch von Ray. Ray und Frank kennen sich bereits von früher, da Frank ihm damals half, den Kerl zu finden der sich an seiner Frau verging.
Frank Semyon (Vince Vaughn) ist ein krimineller Unternehmer, dessen Imperium kurz vor dem Zerfall steht. Dagegen soll ein ziemlich großes Bauprojekt helfen: 68 Millionen Dollar sollen in den Bau einer Hochgeschwindigkeits-Zugstrecke investiert werden, welche durch die unterentwickelten Gebiete Kaliforniens führen soll. Das soll weitere Investoren anziehen. Doch Ben Caspere, der vor versammelter Investorenmannschaft eine Rede halten soll, wird seit zwei Tagen vermisst. Frank springt ein, doch die ganze Sache läuft nicht so erfolgreich wie er sich das erhofft hat.
Ani Bezzerides (Rachel McAdams) heißt mit vollem Namen Antigone und ist Detective in Venture County. Mit dem System, für das sie arbeitet ist sie nicht zufrieden, ihren Job erledigt sie trotzdem, nur eben auf ihre Art. Zu ihren Hobbies gehören Alkohol und Glücksspiel. Ihre Schwester arbeitet als Camgirl, ihr Vater leitet als eine Art New-Age Guru sein eigenes Institut und ihre Mutter ist verstorben.
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Paul Woodrugh (Taylor Kitsch) ist Kriegsveteran. Nach seinem Einsatz arbeitet er nun bei der California Highway Patrol. Nachdem er sich von einer hübschen Frau mit sexuellen Gefälligkeiten bestechen ließ, wird er vom Dienst suspendiert. Später erfahren wir, dass er auf Viagra angewiesen ist, und dass die Anschuldigungen falsch sind. Er findet das Mordopfer bei einer nächtlichen Spritztour mit dem Motorrad, und setzt so die Ereignisse dieser Staffel in Gang.
Die gute Nachricht kann sicher gleich zu Beginn verkündet werden: die Grundzutaten aus Staffel eins sind auch hier wieder vorhanden. Sicher, das irgendwie mystisch-entrückte Louisiana wurde durch das kantige Kalifornien ausgetauscht. Doch die Korruption, der aufsehenerregende Mord, die kaputten Polizisten in einer Welt, die von unserer eigenen meilenweit entfernt scheint, sie alle sind wieder da. Und trotz der identischen Zutaten fühlt es sich gleichzeitig an wie Staffel eins, aber eben auch komplett anders.
"The Western Book of the Dead" ist dabei überladen mit Informationen. Wir lernen alle Figuren kennen, dazu gibt es ein wirkungsvoll plaziertes Mordopfer, wir kriegen Infos über die Stadt und die korrupten Machenschaften. Klar, das Tablett ist übervoll, und in nur einer Folge bleibt doch einiges auf der Strecke. Da viele Figuren eingeführt werden müssen wirkt die Folge bisweilen ein wenig fragmentiert. Und um die Vergleiche mit Staffel eins zu einem Ende zu bringen: die Balance stimmt, zumindest zu Beginn, nicht. Die erste Staffel lebte davon, dass den endlosen Gedankengängen von Rustin Cohle der geerdete Marty gegenüberstand, der nicht selten einfach die Rolle des Publikums direkt mit übernahm. Er brachte eine gewisse Leichtigkeit mit, ohne die vermutlich 3/4 der Zuschauerschaft in tiefe Depressionen gefallen wäre. Hier fehlt das nun. Alle Hauptfiguren umgibt die pure Tragik, ihr Stress frisst sich durch den Bildschirm und zieht einen mit runter. Es fehlt ein Gegengewicht.
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Dadurch, dass mehr Hauptfiguren anwesend sind, wird auch der Fall an sich etwas komplizierter. Allerdings wird größtenteils auf verschiedene Zeitebenen verzichtet. Einzig Ray und Frank, die sich schon zu Beginn der Staffel kennen, werden einmalig durch Rückblenden eingeführt. Paul steht für sich allein, und Ani wird hauptsächlich von den Leuten beschrieben, mit denen sie zu tun hat: ihre Schwester, ihr Freund, ihr Vater. Vom Stil her sind durchaus Momente zu finden, in denen man Anspielungen auf Staffel eins finden kann, doch im Großen und Ganzen wirkt der Aufbruch zu neuen Ufern auch genau so: neu.
Wer nun an diese Staffel herangeht und erwartet, dass er genau das gleiche serviert bekommt wie in Staffel eins, der wird zweifelsohne enttäuscht werden. Doch die erste Episode fasziniert, besonders zum Ende hin. Viele angeschnittene Themen sorgen für eine Menge Potential. Da wäre nicht nur der Mord, sondern auch die Masken. Der mutmaßliche Bauskandal, der sich anbahnen könnte. Die privaten Probleme. Und natürlich die sicher nicht reibungslos verlaufende Zusammenarbeit der unterschiedlichen Polizisten. Das Fundament dürfte nun also gelegt sein, und man darf auf die nächsten Wochen gespannt sein.
Wahllose Gedanken zum Schluss:
Sind wir ehrlich, wir interessieren uns doch vor allem für das neue Intro. Man hat den Stil, verschiedene Bilder übereinander zu legen, beibehalten. Diesmal dominieren Rottöne, und der Song kommt von niemand geringerem als Leonard Cohen. Hat man das Intro von Staffel eins noch im Ohr, dann ist der Wechsel sicher hart. Und auch so klingt der Song zunächst ungewohnt. Nach mehrmaligem hören bin ich allerdings ziemlich begeistert. Ich meine, es ist Leonard Cohen, das kann niemals auch nur Mittelmaß sein.
Wir müssen über diese Schale mit Milch reden. Ich meine, what the fuck? Wenn jemand ein ganzes Haus auseinander nimmt, wieso scheint er oder sie einen Bogen um die Schale mit Milch, in der eine Frau schwimmt, gemacht zu haben? Falls man mir damit den Teppich unter den Füßen wegreissen wollte: Glückwunsch, das ist gelungen. Ihr seht mich verwirrt, gleichzeitig aber auch fasziniert. Übernimmt die die Rolle des Yellow King für diese Staffel? IST ES EINE FALLE?! Und was hat es mit der Vogelmaske auf sich?
Aspen? That's a boy's name?
Die nahezu endlos langen Kamerafahrten über die Highways scheinen in dieser Staffel ein Thema zu sein. Mir gefällt das, auch wenn ich noch nicht genau sagen kann wieso.
Ist das Absicht, dass Semyon ein wenig wie "simian" klingt, also an Affen erinnern soll?
"Anything happens to me, you burn my shit. Quick.". Willkommen in einer Welt, in der niemand möchte, dass sein privates Zeug auch nur ansatzweise an die Öffentlichkeit gelangt.
Reden wir kurz über die andere Musik. T Bone Burnett *muss* gebremst werden. Die Songtexte sind so dermaßen offensichtlich, man fühlt sich ja beinahe beleidigt.
Wer gerne mehr über den Titel der Episode und mögliche Zusammenhänge zur Staffel haben möchte, darf sich bei Entertainment Weekly austoben gehen.