Die dritte Staffel von "Hannibal" wird insgesamt 13 Episoden umfassen, und mit der aktuellen Folge "Digestivo" schließen wir unsere kleine Exkursion nach Europa auf fulminante Weise ab. Ab der kommenden Woche begeben wir uns dann auf "Roter Drache"-Territorium und werden auch diese Geschichte in Staffel 3 wohl noch zu einem Ende bringen. Theoretisch bekommen wir Fans also zwei Staffeln unter dem Deckmantel einer einzigen, und das ist definitiv ein Grund zur Freude. Schauen wir also, wie die Staffelmitte unsere Charaktere zurücklässt. Mir gefällt übrigens das Konzept, die Staffel in zwei verschiedene Geschichten aufzuteilen. So bleibt alles schön kurz und knackig und vor allem frisch.
Nach dem Ende von "Dolce" war ja schon mehr oder weniger klar, dass "Digestivo" alles andere als leicht verdaulich sein wird. Doch ich muss ehrlich gestehen, dass ich mit dem Ausmaß von Wahnsinn in dieser Episode nicht gerechnet habe. Die gekaufte italienische Polizei rettet Will in letzter Sekunde vor Hannibal und seinem handlichen Sägewerkzeug, Chiyo rettet ihrerseits Jack vor der Polizei. Will und Hannibal enden auf Muskrat Farm, wo Mason Verger sich wie ein kleiner Junge über seinen Fang freut, und Margot und Alana verfolgen ihre eigenen Pläne. Über zu wenige Ereignisse in dieser Stunde kann sich wahrlich niemand beschweren. Aber gehen wir der Reihe nach vor.
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Dass Hannibal sich in Seelenruhe an Wills Gehirn vergreifen kann wurde effizient und in letzter Minute von der leider recht korrupten Polizei verhindert. Die freuen sich über die doppelte Beute, denn es winkt die doppelte Bezahlung. Nur für Jack ist in dieser Rechnung kein Platz, und so bleiben zwei Polizisten zurück, um ihn als letztes Opfer von Hannibal herzurichten. Doch nach sechs Folgen beweist Chiyoh endlich, dass auch sie zu etwas zu gebrauchen ist. Sie rettet Jack, der verrät ihr im Gegenzug wo Hannibal hingebracht wird.
Auf Muskrat Farm läuft es irgendwie nur für Mason Verger erfreulich. Er hat was er will, und in bester Bösewicht-Manier erzählt er Hannibal von seinem ausgereiften Plan, ihn zu verspeisen. Und Hannibal, das kann man nicht anders sagen, fühlt sich geehrt. Will hat weniger Grund, sich geehrt zu fühlen: Mason will sein Gesicht auf sein eigenes transplantieren lassen, bevor er anfängt Hannibal zu verspeisen. Will hat natürlich wenig Freude mit diesen Aussichten, und teilt seinen Missmut auch deutlich mit: er beisst Cordell ein Stück aus der Wange. Das macht Hannibal mächtig stolz, aber Cordell und Mason mächtig wütend.
Alana und Margot verfolgen ihre eigenen Pläne. Für Margot steht immernoch ein Nachkomme an erster Stelle, und sie konfrontiert Mason erneut damit. Der erklärt ihr ganz fürsorglich, dass sich schon längst eine Ersatzmutter auf der Farm befindet. Nach 3 1/2 Staffeln Hannibal weiß der Zuschauer natürlich sofort Bescheid was nun folgen wird, aber Margot scheint ernsthaft überrascht. Die Ziehmutter ist natürlich ein Schwein (also, so ein richtiges, immerhin leben alle auf einer Schweinefarm), und das (menschliche) Baby ist (erwartungsgemäß) tot. Margot reicht es nun endgültig, und auch Alana merkt langsam, dass sie etwas unternehmen muss.
Es folgen ein paar Unterhaltungen. Alana unterhält sich mit Will, und es wird klar dass sie ihr Mitgefühl nicht verloren hat. Sie weiß, dass das FBI so schnell nicht kommen wird, also muss sie selbst aktiv werden, um Will zu retten. Margot sucht Hannibal auf, der splitternackt und gebrandmarkt in einem Schweinekäfig angebunden ist. Wie so häufig sprechen die beiden darüber, dass Margot Mason umbringen muss. Alana gesellt sich zur illustren Runde hinzu und verhandelt ebenfalls mit Hannibal. Er soll Will helfen, und sie möchte bei dieser Gelegenheit auch wissen, ob sie jemals die Chance gehabt hätte Hannibal zu verstehen. Der kann nur verneinen, und das Thema ist beendet. Es ist eine kleine Szene, aber hier wird deutlich dass Alana sich letztendlich doch auf Hannibals Niveau begeben konnte, was mich aufrichtig für sie freut. Für einen kurzen Moment erlangt sie die Kontrolle über die Situation zwischen den beiden, und sie nutzt das vollkommen aus.
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Hannibal wird also von den Damen befreit, und die Folge beginnt für einen kurzen Moment in das fiebertraumhafte Ambiente abzudriften, welches uns zu Beginn der Staffel begrüßte. Will darf wieder hautnah erleben wie es sich anfühlt wenn jemand an seinem Gesicht herumschneidet. Alles verschwimmt, ist verzerrt und unmöglich ist auszumachen, was nun eigentlich passiert. Kurz danach lichtet sich der Nebel, und es offenbart sich ein wahres Horrorkabinett. Hannibal hat Cordells Gesicht entfernt und an Mason angebracht, und dann ist er mit Will abgehauen. Rückendeckung erhalten die beiden von Chiyoh.
Mason wacht auf, und er ist völlig verständlich sehr, sehr wütend. Doch seine Wut ist nichts gegen den Hass, den Margot empfindet. Alana erklärt ihm seelenruhig, dass Hannibal ihnen geholfen hat, mittels Prostatastimulation durch einen Viehtreiber (quasi ein Tazer, mit dem man Kühe und Schweine herumschubsen kann) das benötigte Sperma von Mason erhalten haben, während er betäubt war. Weil das aber nicht reicht bringen die beiden ihn auf sehr kreative Art um. Mason endet mit seinem Aal-Haustier in seiner Kehle. Würde ich meinem schlimmsten Feind so nicht wünschen, aber naja. Ich schätze er hat es irgendwo verdient. Die Waisenkinder der Umgebung werden jedenfalls aufatmen können. Es ist auch interessant, dass Mason am Ende zumindest bildlich zum Verhängnis wird, wovon er die ganze Zeit so besessen war. Erinnern wir uns daran, wie er Margot prinzipiell ihrer Reproduktionsfähigkeit beraubte, um Macht auszuüben. Wie er Schweine benutze, um sie daran zu erinnern. Wie er sich ewig lange über gekochten Penis unterhalten kann, und wieviel Gesprächszeit er dem möglichen Schicksal von Hannibals Genitalien widmet. Dass ihm am Ende sein phallusförmiges Haustier zum Verhängnis wird scheint angemessen.
Was bleibt ist das Finale zwischen Will und Hannibal. Will macht deutlich, dass er nicht nach Hannibal suchen wird, ihn nicht verfolgen wird: "I don't want to find you. I don't want to know where you are". Er macht sozusagen Schluss, stellt fest dass er Hannibals Appetit nicht teilt. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass Will etwas vernünftiges unternimmt. Hannibal scheint das zu akzeptieren und verlässt das Haus. Kurze Zeit später rückt Jack mit dem FBI an, und Will erklärt, dass Hannibal nicht mehr da ist. Wenn er sich da mal nicht getäuscht hat, denn der gute Doktor marschiert seelenruhig auf Jack zu. Seine Motivationen sind unklar, und für einen kurzen Moment scheint es, als wäre nun endlich alles gut, denn er ist hoffnungslos in der Unterzahl. Doch Hannibal hat noch ein Ass im Ärmel: er ergibt sich. "I want you to know exactly where Iam and where you can always find me" sagt er zu Jack, aber wir alle wissen: eigentlich meint er Will. Und so hat Will schon wieder keinerlei Kontrolle über seine eigene Situation. Oder ist es so, dass Hannibal aufgibt, weil es keinen Sinn macht, wenn Will ihn nicht verfolgt? Wobei ich klar sagen muss, dass Hannibal selbst hinter Gittern nicht besiegt werden kann. Wenn überhaupt kann er von da aus noch mehr Schaden anrichten. Und bisher hat er immer die Kontrolle behalten und andere höchstens glauben lassen, dass es anders herum sei...
Menü des Tages
Oh man, die Sache mit dem Viehtreiber kam ja auch im Buch vor. Ich bin nach all dem, was in dieser Episode gezeigt wurde beinahe froh, dass uns dieser Anblick erspart bliebt.
Gebt Will bitte seine Hunde zurück!
Heute hab ich ein Rezept für Limoncello mitgebracht. Nicht verwirren lassen, im Rezept ist von einem Aperitif die Rede, Limoncello funktioniert aber auch wundervoll als Digestif, vor allem wenn es so verdammt heiß ist.
Ab nächster Woche geht es also an "Roter Drache". Die Promo hat schon gezeigt dass mein liebstes Comic-Relief Team dann wieder mit am Start ist. Yay! Allerdings scheint ein Zeitsprung anzustehen, ich bin gespannt wie das laufen wird.
NBC hat in einem weiteren Anflug von Genialität beschlossen, dass die restlichen Folgen der dritten Staffel nun Samstag Nacht laufen werden. Weniger würdevoll wäre es nur, die Staffel gar nicht erst zu Ende zu zeigen...
Auf Wiedersehen, Joe Anderson. Ich war ja kritisch, aber verdammt, der Mann hat einen guten Job geliefert.
Das verzerrte Bild, welches Will zu Beginn der Folge von Jack sieht, ist durch das Gemälde "The screaming Pope" von Francis Bacon inspieriert.
"PIANO CONCERTO NO. 21 IN C MAJOR - ADANTE” von Mozart läuft bei Masons Dinner. Habt ihr bemerkt dass er Hannibal mit Austern füttern will, um seinen Geschmack zu verbessern?
P.I. Tchaikovsky’s “SYMPHONY NO. 5 IN E MINOR - ANDANTE CANTABLE” läuft während der übereinandergeschnittenen Operationen.
Mads Mikkelsen kann so glücklich aussehen, man muss sich dann einfach mit ihm freuen.