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Moviebreak bittet zu Tisch: Hannibal Staffel 3.3

von Sandra Scholz

Mit den Legenden ist es ja wie mit Zaubertricks. Sie sind faszinierend. Einnehmend, wenn sie mit der nötigen Distanz und einer gewissen Portion Unwissen beobachtet werden. Sie ziehen dich in ihren Bann, denn sie sind mysteriös. Niemals wirst du alles über sie erfahren können, sie sind einfach da. Da, um dich zu bezaubern. Doch was passiert, wenn sie mit Hintergrund angereichert werden, wenn wir ihre Geschichte erfahren? Was passiert, wenn uns erklärt wird, wie der Zaubertrick funktioniert? So spektakulär, wie wir es uns in Gedanken ausgemalt haben kann es nie sein, und was bleibt ist die Enttäuschung. 

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Übertragen wir dieses Gedankenspiel für einen Moment auf Hannibal Lecter. Zwei Staffeln sind bisher vergangen, und bisher nahmen wir alle an, dass Hannibal diese Dinge tut, weil er es kann. Weil er am Ergebnis interessiert ist, am Verhalten seiner Mitmenschen. Grund genug, und so viel gruseliger als alles, was man sich sonst vorstellen könnte. Es entfernt die Menschlichkeit aus dem Charakter. Doch in "Secondo", ganz ähnlich wie im hundsmiserablen "Hannibal Rising", auf dem diese Staffel wenigstens anteilig beruht, wird Hannibal eine Hintergrundgeschichte in Form seiner Schwester namens Mischa verpasst. Und egal ob nun der Wahnsinnige in der Zelle oder Hannibal selbst sie letztendlich verspeist hat: irgendwie muss es dazu gekommen sein. Und durch dieses Hinzufügen eines Auslösers werden wir daran erinnert, dass irgendwo in dem Monster, welches Hannibal zweifelsohne ist, ein Mensch versteckt ist. Und momentan bin ich mir nicht sicher, ob mir das so gefällt. Das Unbekannte in dieser Gleichung hätte so schrecklich und unaussprechlich sein müssen, es hätte vermutlich nicht nur mich abgeschreckt. Ob die Dekonstruktion dieses Mythos notwendig ist, wird die Zeit zeigen.

Doch werfen wir einen Blick auf die Ereignisse der Episode. Nach und nach kommen die altbekannten Gesichter zurück, und diesmal ist Jack an der Reihe. Nach zwei Staffeln, in denen ihm ziemlich egal war was mit Will passiert, fokussiert er sein Interesse nun komplett auf ihn. In der Kirche trifft er auf Pazzi, dessen Hoffnungen, Hannibal zu finden, von Jack recht zügig zerschlagen werden. Denn Will ist bereits an einen anderen Ort gereist. 

In Litauen erhofft er sich Antworten vom Besuch des ziemlich zerfallenen Lecter-Anwesens. Die ruhige Zeit im weitläufigen Wald des recht imposanten Schlosses gibt sich dann auch voll und ganz dem beklemmenden Feeling einer klassischen Gothic-Geschichte hin. Wir haben ein Schloss, die mysteriöse Atmosphäre, überbordende Emotionen und Visionen, wenn Will sich einbildet, mit Hannibal im Wald zu sitzen und später in einer kaleidoskopartigen Montage in sein Büro wechselt.Auch die Wortwahl fügt sich überraschend gut in dieses Setting ein.

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Mit Chiyo materialisieren sich dann auch gleichzeitig beide Gothic-Stereotypen im Bezug auf die weiblichen Charaktere in solchen Geschichten. Will findet sie im Anwesen, wo sie den Mann bewacht, der Hannibals Schwester verspeiste. Sagte ihr zumindest Hannibal, und sie glaubt ihm das. Dieser Mann ist nun als Test für Chiyo vorhanden: wird sie ihn umbringen, oder lässt sie sich von ihm an das Anwesen fesseln? Wie weit geht das Pflichtgefühl, wenn Hannibal Lecter involviert ist? Selbst aus der Distanz herrscht er so über sie. Und als Will den Mann freilässt, einzig um zu sehen wie er sich verhalten wird, gerät sie in Gefahr. Zumindest, bis sie selbst zur Mörderin wird. Auch Will reagiert in diesem Moment so, wie Hannibal es tun würde: als neugieriger Beobachter. 

Hier wird dann auch dekonstruiert, was Hannibal bisher aufrecht erhalten wollte. Für Chiyo hat er sich eine Geschichte zurecht gelegt: seine kleine Schwester wurde, als er noch jung war, von einem Kannibalen verspeist. Diesen Mann soll sie nun bewachen, doch Will blickt hinter diese Fassade: “Mischa doesn’t define Hannibal. It doesn’t quantify what he does.”. Fast möchte man glauben es handle sich um einen schneidigen Kommentar von Bryan Fuller über die magere Story, welche "Hannibal Rising" damals präsentieren wollte. Der Logik weiterfolgend müssten ja alle um Hannibal herum freiwillig Kannibale sein, denn Trauma gibt es in dieser Serie nun wirklich genug. Und auch Hannibal selbst hat dazu nur eines zu sagen: “Nothing happened to me. I happened.”.

Bedelia blickt allerdings hinter diese Fassade. In dieser Woche ist sie weit davon entfernt, nur zu beobachten. Ähnlich wie Chiyo, deren Hand von Will gezwungen wird, mordet auch Bedelia in dieser Folge aktiv. Zwar aus Gnade, und weil sie das Gefühl hat, dem Opfer damit aus seinem Leid zu helfen, aber trotzdem mordet sie. Doch sie bietet auch Hannibal die Stirn, bewegt sich aus der sicheren Psychologen-Patienten Beziehung heraus und macht deutlich dass sie weiß, dass er selbst seine Schwester auf dem Gewissen hat. Sie verliert die Geduld, ist sich sicher dass Hannibal früher oder später gefasst werden wird. Ihre Position ist dabei der von Chiyo auch in anderen Aspekten  nicht unähnlich. Beide sind mutmaßlich nicht ganz freiwillig in der Begleitung von Hannibal respektive Will. Beide werden involviert. Es wird sich zeigen, wie beide damit umgehen. 

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Will und Hannibal kommen derweil zu ihren ganz eigenen Lösungen für ihre Probleme. Will merkt, dass das simple hinterherlaufen ihn nicht weiterbringt, und er passt sich an. Das Kunstwerk, welches er am Ende aus dem Gefangenen erschafft, ist eine deutliche Aussage: er begibt sich auf die gleiche Ebene wie Hannibal, will ihm als ebenbürtig begegnen. Hannibals Lösung ist indessen so simpel wie auch effektiv: Will muss verspeist werden.

Leider fällt diese Episode im Vergleich zu den beiden Vorgängern dann aber doch massiv ab. Während sich bisher auf den Subtext konzentriert wurde, gibt sich "Secondo" alle Mühe, diesen auch für den langsamsten Zuschauer in richtigen Text zu verwandeln. So wird wieder und wieder betont, dass die Beziehung zwischen Hannibal und Will der Liebe ähnelt. Dass wir es mit einer klassischen "der Abgrund starrt auch in dich"-Situation zu tun haben, wenn Will nach Hannibal sucht. Niemand versteht den anderen so gut, wie es der jeweils eine vermag. Über die beinahe gesamte Episodenlaufzeit werden uns diese Dinge vorgehalten, schön garniert mit einer Extraportion Schneckenschleim. Sicher, hier werden die Standardthemen der Romantik abgearbeitet. Doch dieser Wechsel ins allzu deutliche darf in den kommenden Wochen gerne wieder rückgängig gemacht werden. Oder wenigstens abgeschwächt.

Wahllose Gedanken zum Schluss:

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