Bildnachweis: © Netflix

"Master of None" - Staffel 2 - Kritik

von Patrick Reinbott

Kritik

Mit der ersten Staffel von Master of None schuf Aziz Ansari ein kurzweiliges, dezent nachdenkliches und kulturelle sowie gesellschaftliche Strukturen analysierendes Stück Serienunterhaltung, das dauerhaft hinter dem eigenen Potential hinterherzuhinken schien. Ansari, der zusammen mit Alan Yang die Drehbücher für die einzelnen Episoden schrieb, schlüpfte als Darsteller zusätzlich in die Hauptrolle des Dev, einem eher erfolglosen Schauspieler Anfang 30 mit indischen Wurzeln, der in New York lebt. Gleichermaßen amüsant wie ehrlich und doch etwas zu oberflächlich und seicht schilderte die erste Staffel der Serie das Leben einer jüngeren, überwiegend sorgenfreien Generation, die orientierungslos durch den Alltag treibt. Zwischen Berufs- und Privatleben gilt es unentwegt, den Sinn des Lebens zu finden, der irgendwo zwischen gutem Essen, engen Freunden, ausgelassenen Partys, möglichst unbeschwerten Jobs, der eigenen Familie und der Suche nach Liebe verborgen zu sein scheint.

Nachdem die erste Staffel mit dem Ende der Beziehung zwischen Dev und seiner Freundin Rachel endete und dieser ankündigte, nach Italien ziehen zu wollen, beginnt die zweite Staffel genau dort. Der Kulissenwechsel entpuppt sich umgehend als Frischzellenkur, die die Serie dringend benötigte, und erweist sich zugleich als eine Art Kompass für eine Staffel, mit der sich Ansari, welcher erneut viele der Episoden mitgeschrieben und inszeniert hat, selbst übertrifft. Die erste Episode „Der Dieb“, in wundervollem Schwarz-Weiß gedreht und größtenteils mit untertitelten, italienischen Dialogen versehen, ist Ansaris Hommage an Vittorio de Sicas Fahrraddiebe. Zwar fährt auch Dev, der mittlerweile als Praktikant Nudeln herstellt, mit einem Fahrrad durch die Straßen Italiens, doch ist es hier sein Smartphone, das ihm geklaut wird. 

Ausgerechnet darin hat Dev die Nummer der sympathischen Frau gespeichert, die er kurz zuvor kennengelernt hat und bei der er sich für ein weiteres Treffen melden wollte. Als überraschend stilsichere Erzählung, die in kurzen 30 Minuten abgeschlossen wie ein eigener Kurzfilm wirkt, gibt dieser Auftakt die kreative Richtung vor, in die sich die restliche Staffel bewegt. Auch wenn Ansari einen gewissen roten Faden nie aus den Augen verliert, besitzt jede Episode der zweiten Staffel Master of None einen individuellen Charakter und kann eigenständig für sich stehen. In einem unüberschaubaren, übersättigenden Meer an Qualitätsserien, die vor allem auf den süchtig machenden Binge-Faktor setzen, hebt sich Ansari mit seiner Serie vor allem von der Konkurrenz ab, indem er auf kunstvolle Reduzierung, erzählerische Finesse und stilistische Vielfalt setzt.

Devs Rückkehr nach New York in Episode 3 führt zu einem Wiedersehen mit dessen Eltern, die von Ansaris wirklichen Eltern gespielt werden, sowie einer bestechenden Schilderung gegensätzlicher Glaubensrichtungen, die auf überaus humorvolle Weise aufeinanderprallen, nachdem Dev seine Vorliebe für Schweinefleisch beim Verwandtschaftsessen nicht länger verbergen will. Während Episode 4 beispielsweise durch Devs Dating-Leben führt und alle Frauen, die er zuvor über eine Dating-App kennengelernt hat, mithilfe des ausgeklügelten Schnitts in den gleichen Schauplätzen durcheinanderwirbelt, bewegt sich Episode 6 komplett von den bisher bekannten Figuren weg. Stattdessen verknüpft Ansari die Geschichten eines überforderten Hotelportiers, einem sexuell frustrierten, taubstummen Pärchen und drei feierwütigen Immigranten zu einem vielfältigen Porträt von New York, das am Ende bezeichnenderweise alle im Kino zusammenführt.

So sehr Ansari sich selbst und seine eigene Hauptfigur zugunsten weitläufigerer Geschichten und Schicksale hierbei in den Hintergrund rückt, ist es schließlich aber trotzdem Dev, dem der emotionale Höhepunkt dieser Staffel geschenkt wird. Francesca, mit der er sich in Italien angefreundet hat, ist mit ihrem langjährigen Freund Pino zu Besuch in New York und stellt Devs Gefühlsleben vollkommen auf den Kopf. Die Annäherung zwischen ihm und Francesca, die sich wenig später auch noch verlobt, dürfte zu den besten Liebesgeschichten gehören, die in letzter Zeit im Kino oder Fernsehen zu sehen waren. Denkwürdig ist nicht nur eine Szene, in der Dev in einem Taxi sitzt, während sich in der mehrminütigen, ohne Schnitte gedrehten Sequenz nur in seinem Gesicht abzeichnet, dass er sich in Francesca verliebt hat, sondern vor allem die neunte Episode. In dieser inszeniert Ansari ein zutiefst bewegendes Liebeslabyrinth voller zaghafter Blicke, knisternder Stille, charmanter Momente und explodierender Gefühlsausbrüche, das man sich nach den knapp 60 Minuten direkt noch einmal ansehen und die bedeutendsten Szenen greifen und festhalten möchte.

Fazit

Die zweite Staffel von „Master of None“ ist eine gewaltige Steigerung zur vorherigen Staffel. Aziz Ansari schafft große Kunst im kleinen Format, indem er fast jeder einzelnen Episode einen individuellen Charakter voller vielfältiger Ideen und stilistischer Eigenheiten verleiht, während er seiner eigenen Hauptfigur eine Liebesgeschichte beschert, die man derart herzerwärmend schon lange nicht mehr bewundern durfte. Während die Vorfreude auf eine zweite Staffel nach der oberflächlichen, seichten, kurzweiligen ersten Staffel eher gedämpft war, kann eine dritte Staffel gar nicht schnell genug kommen.

Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.