Einleitung
Wenn es um die großen Regisseure der deutschsprachigen Filmlandschaft geht, dann wird ein Name gerade mal vergessen, obwohl er sicherlich zu den wichtigsten Kreativen des Landes zählte: Georg Wilhelm Pabst. Über Jahre hat der Österreicher dem Stumm- und dem Tonfilm seinen Stempel aufgedrückt und sich zur Ikone des Weimarer Autorenkinos erhoben. Die Korrelation aus Sachlichkeit und Poesie waren im Kino des G.W. Pabst das oberste Gebot.
Um sich die Kunst dieses Mannes zurück ins Gedächtnis zu rufen (oder diese überhaupt in Erfahrung zu bringen), veröffentlicht ATLAS FILM in enger Zusammenarbeit mit der DEUTSCHEN KINEMATEK zwei der großen Klassiker im Schaffen von Pabst: Westfront 1918, sein erster Stummfilm aus dem Jahre 1930, und Kameradschaft aus dem Jahre 1931, der sich in seinem Anspruch der Völkerverständigung aktueller denn je präsentiert. Das Sammlerherz darf sich zudem auch freuen, denn beide Werke werden in hochwertigen Mediabooks veröffentlicht.
Kritik
Westfront 1918 (1930)
Wenn wir über die meisterhaften Aufbereitungen des ersten Weltkrieges auf der großen Leinwand sprechen, dann wird man natürlich zwangsläufig Lewis Milestones Klassiker Im Westen nichts Neues aus dem Jahre 1930 thematisieren. Wenn man so möchte, dann könnte man dem im gleichen Jahr entstandenen Westfront 1918 zum deutschen Äquivalent dieses Grundsteins der cineastischen Allgemeinbildung nennen. Mag George Wilhelm Pabst auf dem Regiestuhl auch bei weitem nicht so filmisch agieren, wie es Milestone verstand, so ist Westfront 1918 ebenfalls vor allem ein pazifistisches Bekenntnis, dessen bittere Beklemmungsgefühle eine nicht zu unterschätzende Nachreife innerhalb des Zuschauers auslösen. Pabst selbst bedient sich hier noch merklich den Erzähl- und Abbildungswelten des Stummfilms und etabliert gleichwohl die dramaturgische Formel des heutigen Kriegsfilmes, wenn er ein Quartett junger Männer bei ihrem Marsch in den Tod begleitet. In ausgeladenen Kamerafahrten fühlt sich Westfront 1918 in die Traumatisierung der Soldaten ein, spart Romantik, Posaunen und Trompeten ein. Pabst zeigt den Krieg als elendiges Massensterben. Kein Wunder, dass dieser Film unter dem Diktat des Nationalsozialismus in den Giftschrank verbannt wurde.
Kameradschaft (1931)
Wenn man so möchte, dann ist Kameradschaft ein Film, der für die Verbundenheit des Menschen kämpft. Ausgehend von dem größten Minenunglück Europas, bei dem im französischen Courrières über tausend Bergarbeiter ums Leben kamen, nimmt sich George Wilhelm Pabst den Zerrüttungen innerhalb der deutsch-französischen Beziehung an. Das von Animosität vergiftete Sozialgefüge im deutsch-französischen Grenzgebiet blickt auf eine lange Geschichte zurück: Auf eine persönliche Auseinandersetzung in den Jahren 1870/1871 und natürlich auf den ersten Weltkrieg. Die deutsch-französische Geschichte ist eine, die von Blut und Hass geprägt wurde – und selbstverständlich ist es Georg Wilhelm Pabst daran gelegen, genau diese Feindschaft aus dem Weg zu räumen. Die nationalsozialistische Besprechung sah in Kameradschaft einst verschwörerische Tendenzen, natürlich, aber anhand dieses Vorurteils kann man sich sicher sein, mit wie viel Bedacht sich Pabst darum bemüht, eine internationale Zusammenarbeit in den Bereich des Möglichen zu tragen. Sie jedenfalls zum Diskurs zu stellen. Auch wenn es keine gemeinsame Sprache gibt, so, und auch das zeigt Kameradschaft, benötigt die Verständigung des Menschen keinerlei Worte.
Technischer Part
Die Mediabooks von ATLAS FILM (Veröffentlichung: 13. April) sind nicht nur aufgrund ihrer klassischen Cover-Motive ein absoluter Blickfang für jede gut sortierte Sammlung, sondern auch aus technischer Hinsicht ein wahrer Triumph. Die langwierige Restaurationsgeschichte, die in beiden Booklets nachzulesen ist, hat sich definitiv ausbezahlt gemacht. So satt und klar jedenfalls konnte man diese deutschen Klassiker aus den 1930er Jahren noch nie sehen. Das Bonusmaterial indes bezieht sich auch auf die unfangreichen Booklets beider Editionen. Mit original-historischen Dokumenten und vielen Informationen zur Geschichte der beiden Filme, sind die Booklets quasi Pflichtprogramm nach der Sichtung der Werke.
Fazit
Für den Gelegenheitsgucker sind "Westfront 1918" und "Kameradschaft" sicherlich nicht geeignet, in seinen pazifistischen Bekenntnissen allerdings besitzen beide Werke eine universale und zeitlose Beschaffenheit. Cineasten jedenfalls werden um diese Klassiker von Georg Wilhelm Pabst nicht herumkommen.