Die Story:
Die kleine Harper erlebt gemeinsam mit ihrem Bruder und Nachbarjunge Truman den tief in der Gemeinde ihres unscheinbaren Heimatorts und dem Justizsystem verankerten Rassismus anhand eines Schauprozesses und erkennt ihre eigenen sozialen Ressentiments im Spiegel sanktionierter Ungerechtigkeit. Den Teil der Geschichte, in dem sie ihre Eindrücke in fiktionalisierter Form niederschreibt, muss man sich dazu denken.
Was gelernt?
Recht ≠ richtig. Was der Pulitzer-Preis ist. Wer Truman Capote ist. Dass „Harper“ kein Jungenname ist und „Scout“ auch nicht.
Das Trauma:
Wer arm ist, sich nicht normkonform verhält, die falschen Fragen stellt oder die falsche Hautfarbe hat, wird ausgegrenzt, erniedrigt und ermordet. Andere kommen ungestraft mit allem davon: Verschwörung, Gewalt, Mord, Mordversuch, Inzest, Missbrauch. Gerechtigkeit gibt es höchstes im Märchen. Moment, das hier ist ja quasi ein modernes Märchen. Okay, jetzt hab ich's: Gerechtigkeit ist ein Märchen.
Trotzdem anschauen?
Immer wieder, besonders jetzt. Gefiltert durch die Perspektive der jungen Protagonisten wird rassistischer Fanatismus angemessen erschreckend, doch kindergerecht aufgezeigt. Boo Radley verkörpert ein emphatisches Bild psychisch Kranker. Scout ist eine seltene realistische Heldin in einer Ära, die - wenn überhaupt - ein ebenso lebensfernes wie reduktives Konzept von Mädchenfiguren favorisierte. Zudem macht die packende Verfilmung gespannt auf den Roman. Den also im Geist notieren, ist ja bald wieder Geschenke-Einkauf-Fest.