Nachdem STUDIOCANAL am 15. September bereits eine ausführliche Box veröffentlicht hat, in dem die wichtigsten Werke von Jean-Luc Godard [Hier geht es zu unserer Kritik] veröffentlicht hat, zieht Concorde Video nun nach und bringt am 22. September drei Francois-Truffaut-Collectionen auf den Markt, die einen Umfang von 12 Filmen ausmache und dem geneigten Cineasten noch einmal vor Augen führt, warum Francois Truffaut den vermutlich bedeutendsten Filmemacher für das französische Nachkriegskino darstellt. Seine Liebe zum Medium wie zum Menschen sind, gerade in dieser feingeistigen Umsetzung, schlicht einmalig. An dieser Stellen können wir also ruhigen Gewissens eine klare Kaufempfehlung aussprechen: Eine geordnete Sammlung kann nie zu viel Francois Truffaut in sich beherbergen.
Sie küssten und sie schlugen ihn (1959)
Truffaut schafft es, eine magische Verve auf seine Geschichte zu legen, die es dem Zuschauer gelegentlich schwer macht zu entscheiden, ob man sich in der oberflächlichen Schönheit der Bilder unbeschwert verlieren möchte, oder doch aufgrund der dahinter lauernden Ernüchterung den Kopf andächtig senkt – einnehmend ist die Atmosphäre aber fortwährend. Ein Dualismus, der sich auch in der Kindheit von uns allen wiederfinden lässt, zwischen geknebeltem Leiden und unreflektierter Heiterkeit, zwischen prägender Empirie und frustrierenden Misserfolgen.
Geraubte Küsse (1969)
Dass Geraubte Küsse Henri Langlois, dem Leiter der Cinémathèque francaise (Francois Truffaut wie auch Jean-Luc Godard werden gerne noch als les enfants de la cinémathèquetituliert) gewidmet ist, legt schon einmal nahe, dass der Film auch eine Ode an die Kraft des Kinos darstellt. Charmant und lebensnah begleitet Truffaut Antoine auf dem Weg durch ein Leben, von dem er selbst nicht recht weiß, was es ihm eigentlich auf Dauer bieten kann und wird: Küsse und Schläge allein reichen nun mal nicht. Der Individualismus treibt Antoine zur Kontextualisierung, zu Ergründung, zur Hinterfragung, während der infektiöse Bewegungsdrang dieser ruhelosen Person direkt aus der Leinwand in die Zuschauerreihen springt und unentwegt mitreißt. Truffaut war eben ein Meister darin, das Juvenile nicht mit dem Infantilen zu verwechseln, seine Spritzigkeit bleibt neben all der Vitalität immer eine reflektierte.
Tisch und Bett (1970)
Natürlich aber ist Francois Truffaut kein pessimistischer Filmemacher, der seine Protagonisten in den lebensweltlichen Niedergang geleitet. Bei ihm gibt es immer noch diese warme Decke, die sich voller Geborgenheit um die Schulter legt und den funkelnden Hoffnungsschimmer am Horizont, der aus seiner unbändigen Liebe zur Alltagspoesie entwächst: Letztlich ist es doch genau diese Addition von Scheitern und Begehren, welche kein Leben zerstört, sondern ein solches eben auch ausmacht, formt und für die Zukunft ebenen kann. Entkoppelt von den Mechanismen des klassischenStorytelling verweilt Tisch und Bett dabei vorwiegend auf einer Ebene, die rein affektiv erfahrbar gemacht wird, anstatt sich einem klaren Handlungsmodell zu unterwerfen. Und außerdem ist es, beim chronologischen Genuss des Antoine-Doinel-Zyklus, wunderbar zu beobachten, wie die Schauspieler mit ihren Charakteren von Film zu Film wachsen, reifen und gedeihen.
Liebe auf der Flucht (1979)
Man könnte Liebe auf der Flucht als eine Art Erinnerungsgespinst bezeichnen, in dem Antoine Doinel seine bisherige Lebenslinie, die ein Zickzackmuster in den diegetischen Raum gestanzt hat, Revue passieren lässt. Es ist ein Kaleidoskop des emotionalen Schocks, in das Truffaut seinen Protagonisten schickt und ihn, nach gut 90-minütiger Laufzeit, endlich von der Komfortzone seiner unantastbaren Egozentrik Distanz nehmen lässt. Das Schwelgen, das Treiben, das Gleiten, das Versinken und das Besinnen, welches Antoine bei seinem Durchforsten der Vergangenheit begleitet, fügt sich auf der einen Seite sicherlich zu einem substanziellen Element zusammen, um die Figur sowie die Abenteuer des Antoine gewissenhaft abzuschließen. Leider aber erweckt Liebe auf der Flucht oftmals den wenig ungezähmten Eindruck eines Kompendium, eines Leitfadens, der dazu dient, Vergangenes aufzubereiten, ohne der Gegenwart neue Facetten abzuringen. Eine milde Ermüdung im schwebenden Erzählkonstrukt ist nicht zu verleugnen.