Bildnachweis:

Francois Truffaut - Collection 1-3 - Kritik

von Pascal Reis


Schießen Sie auf den Pianisten (1960)

François Truffaut erzählt diese Geschichte aber keinesfalls als deprimierenden Trauermarsch, sondern baut gerne auf spritzige, ironische Dialoge. Er erzählt Schlagen Sie auf den Pianisten als experimentierfreudige Charakterstudie, ohne falsche Scham, den Film noir als Inspirationsquelle aufzuzeigen, während die kriminalistischen Anleihen lediglich den Rahmen der Narration bilden und sich im Finale schließlich in einer malerischen Winterlandschaft entladen, die Edouards trauriges Schicksal weitergehend akzentuiert. Der armenisch-französische Chansonnier Charles Aznavour, der in diesem Jahr seinen 92. Geburtstag gefeiert hat, ist indes die Idealbesetzung für den introvertierten Pianisten: Er hat etwas Erotisches, ist aber niemals lüstern. Er hat etwas Unbedarftes, ist aber niemals naiv. Er ist einfach menschlich-unvollständig. 

Jules und Jim (1962)

Truffaut hat, wie es sich für einen Regisseur der Nouvelle Vogue gehört, deutlich seine Erkennungsmarken im Film hinterlassen und experimentiert frei und will mit diversen Tricks und Spielereien wie eingefrorene Standbilder (Freeze Frames), Wipes (Szenenübergängen) und Narration durch einen Erzähler. Dazu kommen doch die sanften Kamerafahrten, fließenden Übergänge und der im Film perfekt harmonierende Soundtack (George Delerue) und fertig ist ein absoluter Klassiker des Weltkinos.

Die süße Haut (1964)

Aus dieser Hilflosigkeit dem eigenen Tun gegenüber gebiert eine regelrechte Treppe der psychischen und physischen Brutalität: Von verletztem Stolz und Enttäuschung geht es weiter zur Eifersucht, bis sich die Verzweiflung in einen gnadenlosen Akt der Gewalt entlädt. Dabei ist es natürlich Pierres Frau Franca (Nelly Benedetti), die als wahre Leidtragende aus der Charakterkonstellation hervorsticht und alles, woran sie je geglaubt hat, verwerfen muss: Pierre ist nicht der aufmerksame (und aufrichtige) Ehemann, er führt ein Doppelleben, bei dem er selber nicht weiß, warum er es überhaupt in Kauf genommen hat; warum er ein Lügengebäude, welches sich zusehends in einen Scherbenhaufen wandelt, der Geborgenheit eines intakten Familienkonstruktes vorzieht. Die bittere Konsequenz, mit der Francois Truffaut den Fehlversuch, heimlich aus den Schalen der bürgerlichen Souveränität zu entfliehen, erzählt, ist für den sonst so lebensgewandten Filmemacher jedenfalls eine Überraschung.

Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent (1971)

Im Gegensatz zu vielen anderen Liebesdramen konzentriert sich Truffaut hier vermehrt auf die körperlichen Aspekte einer Liebe. Rein körperlich bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht Umarmungen, Küsse und zärtliche Zweisamkeit (obwohl auch dafür genug Platz ist), sondern vielmehr die physischen Reaktionen auf Zweifel, Missgunst, Ablehnung und Unsicherheit. Das Physische steht bei Zwei Mädchen aus Wales und die Liebe zum Kontinent sehr stark im Vordergrund und immer wieder sind es Krankheiten und Verletzungen, die eine thematische wie inhaltliche Schlüsselrolle erhalten. Damit ist Truffaut wohl das gelungen, was er sich auch selbst vorgenommen hat. Nämlich keinen Film über körperliche Liebe zu drehen, sondern einen körperlichen Film über Liebe zu machen.

Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.