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Flimmerkiste: The Wolf of Wall Street

von Sascha Wuttke

Wenn Kenner seine Vita durchforsten und den Regisseur ein bisschen in die Zwangsjacke der Dramenmeister gesteckt hatte, wurde schon früher eines Besseren belehrt. "Shutter Island" bot als Romanverfilmung schon ein ganz anderes Kaliber an filmischer Ausrichtung und wurde so zu einem bemerkenswerten Psychothriller verwoben. In seiner Machart sehr figurenbetont, marginal musikalisch vertont und stichhaltig in der Bebilderung machte Scorsese allen klar, dass er auch solche Thriller zu inszenieren weiß. Kein Tausendsassa-Syndrom, sondern einfach nur die erleichterte Feststellung, dass man sich im Alter sogar traut, über Tellerränder zu schauen.

Nun steht "The Wolf of Wall Street" ganz oben auf seiner Liste. Eine Geschichte, so abgedreht drogenexzessiv wie "Fear and Loathing in Las Vegas", so dekadent freigiebig wie "Spring Breakers" und doch so großtuerisch ökonomiehuldigend wie Oliver Stones "Wall Street". Den Zeilen der autobiografischen Vorlage entliehen, doubliert Leonardo DiCaprio einen Menschen, dem nichts mehr heilig war außer das Geld, seine Yacht und jede zweite Frau, die nicht bei Drei auf den Bäumen saß.
Sein Leben ist die Farce eines Selfmade-Millionärs, der kleine Päckchen Drogen minderer Qualität unter den Leuten verteilte, gestreckt mit einem ordentlichen Anteil an Verkaufstalent. Und hier setzt mein Gedanke an.

Ich kann diesem Menschen Belfort nichts abgewinnen. Wieviel an Gehirntaubheit ist denn nötig, um daraus ein Buch schreiben zu dürfen? Sind meine kleinen Verfehlungen in der Jugend denn dermaßen harmlos, sie nicht auch aufzuschreiben? Betrachte ich mir diesen Film, dann frage ich mich ja schon, warum ich mich überhaupt damit vergleichen würde. Es geht einfach nicht. Offen gestanden kann ich rein gar nichts daran mehr nachvollziehen. Es wirkt, als wolle ich als Dokumentarfilmer ins Drogenmilieu der High Society eintreten, meine Kamera draufhalten und die Realität dessen erst wahrhaben, wenn ich das Testmaterial sichtete. So auch hier: Belforts Werdegang in dieser Phase, angefangen als abgeschlossener Broker, geendet als Seminarleiter, entbehrt nicht einer gewissen grotesken Möglichkeit der Menschheitsmanipulation, inklusive seiner selbst. Er ist der Sklave des Reichtums und kein befreiter Nutznießer eines freimarktwirtschaftlichen Systems.

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