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Flimmerkiste: JFK - Tatort Dallas

von Sascha Wuttke

Es ist sicherlich nicht nur das Thema selbst, das mich den Film so lieben lässt. Stones Inszenierungswahn in diesem sehr ausschweifigen Feature trug ebenfalls dazu bei, genau meine Geschmacksnerven anzusprechen. Wo ich sonst auf Gediegenheit und passgenaues Tempo stehe, empfand ich "JFK" nie als überhektisches Kinofeature. Bei all dem Pacing, das der Streifen versprüht, verwundert es mich doch ein wenig, dass mir die Hektik der Schnitte, die vielen Flashblenden und sonstige Maßnahmen nie auf den Keks gingen.

Aber Stone hat hier tatsächlich jedes filmische Mittel ausgepackt, das überhaupt in den 90ern möglich war. Beim Bild selbst wechseln die Einstellungen ständig hin und her. Unabhängig davon, dass der Film im Breitwandformat gehalten wurde, sind Farb- und Schwarz/Weiß-Einstellungen gemeinsam eingesetzt worden, die Körnung variiert gar deutlich. Zusammen mit Handheldcharakter sowie der Zugabe von Archivmaterial ist der Film schon grundsätzlich sehr anstrengend zu betrachten. Als wäre dies nicht genug, sind wie schon erwähnt die Schnitte an der Überladenheit der Szenen schuld, darüber hinaus wurde sehr oft mit atmosphärischem Licht gearbeitet, das sich entweder irgendwo szenenwirksam spiegelt oder in den bedächtigen Momenten für den nötigen Hintergrund sorgt.

Auch im tonalen Bereich ist nicht alles Standard. Die Geräuschkulisse wartet nicht selten mit Eigenheiten auf, die man so noch nicht kannte (oder zumindest nicht vordergründig wahrnahm). Hier wird kurz ein rauchender Mann gezeigt, und der Sound wurde um das Doppelte hochgeschraubt - so hört man gar das Knistern des verbrennenden Tabaks. Ein bisschen Pionierarbeit leisteten die Toningenieure mit den Soundeffekten, wenn sich etwa Sonnenlicht auf Metall spiegelt oder Kennedys Gehirn Ekel erregend in eine Wagschale gelegt wird. Als i-Tüpfelchen sorgt die Musik von John Williams dafür, dem Film einen eigenen Touch zu verleihen. Hier wird viel mit wiederkehrenden Motiven gearbeitet, aber instrumental gar nicht mal viel hervorgetan, sei es das schlichte Taktklicken oder Synthesizerchöre mit Streichern unterlegt. Man glaubt kaum, was das an Atmosphäre bedeutet, doch Williams hat schon so etlichen Filmen die passende Musik unterlegt.

Man kann sagen, dass "JFK" ein Vorreiter in Sachen epischer Inszenierung geworden ist, hat aber viel mehr zu bieten als nur Zeitlupen. Stone ist somit der meiner Meinung nach beste Film seiner Karriere gelungen, der politische Brisanz übergeordneter Größe inne hat und darüber hinaus ein weltmännisches Thema anpackt, das uns heute noch betrifft. Es geht um Wahrheit, die Macht des Volkes, politische Lügengebilde und die Auswirkungen, die all diese Aspekte vereinen. Und mit drei Stunden vollgepacktem Kinokönnens soll sich Stone ruhig mal zurückziehen, denn hat er etwas geschafft, das noch kein Film geschafft hat: Seine Regierung nahm ihn ernst.

Und dafür danke ich ihm.

Auch für die Aufmerksamkeit danke ich Euch herzlich. Ihr seid natürlich eingeladen, eine Diskussion zu starten, sei es um den Film selbst oder die Theorie, die der Film öffnet.

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