Kurt Sutter ist ein vielbeschäftigter Mann. Nachdem seine Erfolgsserie „Sons of Anarchy“ zu Ende ging und er nebenbei noch das Drehbuch zu „Southpaw“ mit Jake Gyllenhaal schrieb arbeitete er auch an seiner nächsten Serie. Wer Sutter in den sozialen Netzwerken verfolgt wurde immer gut mit Informationen und Einblicken in die Dreharbeiten und die Vorproduktion rund um „The Bastard Executioner“ versorgt, und so war schnell klar dass es dieses Mal ins Mittelalter gehen würde. Genauer gesagt ins 14. Jahrhundert, und nach Wales. Englische Adlige versuchen, mit harter Hand die Herrschaft über das Gebiet zu erlangen. Doch eine kleine Gruppe von Rebellen widersetzt sich den stetigen Steuererhöhungen und anderen Repressalien. Dass es hier durchaus ernst zugeht macht dann auch das Intro schon klar. In Schwarzweiß gehalten werden zahlreiche Folterinstrumente präsentiert, nur das Blut, welches sie befleckt ist in dunklem Rot zu sehen. Der stimmige Titelsong kommt dabei von niemand geringerem als Ed Sheeran und passt vom Text her gut in den Kontext der Serie.
Und wer sich mit Sutters bisherigen Werken auskennt, der entdeckt auch schnell viel Altbekanntes. Auch hier geht es letztendlich um Erlösung, auch hier spielen Loyalität, Betrug und Rache wichtige Rollen. Es geht, ganz kurz gefasst, um Wilkin Brattle (gespielt von Neuentdeckung Lee Jones), der sich gezwungen sieht die falsche Identität eines Henkers anzunehmen. Jones füllt seine Rolle wunderbar aus und besitzt eine faszinierende Aura. Die Rolle nimmt man ihm jedenfalls unweigerlich ab. In einer, zumindest entsteht nach der zwei Stunden langen Premiere der Eindruck, belebten und sehr ausgeformten Welt gibt es natürlich nicht nur eine Figur, und so sind die weiteren Rollen prominent besetzt. Sutter besetzte schon bei „Sons of Anarchy“ die weibliche Hauptrolle mit seiner Ehefrau Katey Sagal, und auch hier spielt sie als Annora of the Alders eine mysteriöse Heilerin. Ihr Auftreten ist dabei komplett anders als man es bisher kennt: lange, graue Haare, ein slawischer Akzent: man erkennt die Darstellerin darunter, doch die Verwandlung ist beinahe vollständig. Brian F. O’Byrne gibt den charismatischen Herrscher Erik Ventris, der darauf bedacht ist sein Herrschaftsgebiet zu erweitern und seine bisherigen Länder unter Kontrolle zu bringen, notfalls mit Gewalt. Stephen Moyer, den die meisten wohl aus „True Blood“ kennen dürften ist ebenfalls mit dabei, auch wenn er hier als Kammerherr Milus Corbett deutlich unsympathischer ist als in seiner Vampirrolle. Doch seine unterschwellig bedrohliche Art ist faszinierend, und er schafft es mühelos die Szenen, in denen er zu sehen ist an sich zu reißen. Kurt Sutter selbst hat sich eine Nebenrolle auf den Leib geschrieben, die eine konsequente Weiterführung seiner kleinen Rolle in „Sons of Anarchy“ darstellt. Timothy V. Murphy, ebenfalls ein Sons-Alumni, ist in einer Nebenrolle als Priester zu sehen.
Typisch für eine Pilotepisode, auch wenn diese hier direkt anderthalb Stunden lang ging, ist die Exposition. Als Zuschauer bekommen wir eine Menge Hintergrundinfo, manch einer dürfte sich davon ein wenig gelangweilt fühlen. Es müssen allerdings auch eine Menge Figuren eingeführt werden. Aufgemischt wird all das durch teilweise extrem brutale und blutige Szenen, die zart besaiteten Zuschauern wohl durchaus übel aufstoßen werden. Folter, Mord und Totschlag sind Alltag, und es wird keine Ausnahme gemacht wenn es um Frauen und Kinder geht. Blut und Gedärme werden munter in der walisischen Landschaft verteilt. Dass tatsächlich in Wales gedreht wurde trägt dabei massiv zur Atmosphäre bei, denn Wales kann sich landschaftlich wirklich sehen lassen.
Am Ende, und man verzeihe die vielen Vergleiche zu „Sons of Anarchy“ bitte, geht es auch hier um einen Mann, der etwas Besseres will. Der eigentlich der Gewalt abgeschworen hat, ihr aber nicht entkommen kann. Es geht um das schiere Überleben in einer grausamen Welt, darum sich innerhalb der von anderen festgesteckten Grenzen richtig zu verhalten. Es stellt sich die Frage ob man grausame, schreckliche und moralisch verwerfliche Dinge tun darf, um am Ende das vermeintlich Richtige zu erreichen. Heiligt der Zweck stets die Mittel, oder gibt es Grenzen, die überschritten werden können? Wer entscheidet? Ist es legitim Gewalt anzuwenden um andere Gewalt zu beenden? Der erste Eindruck, dass es hier nur um einen Mann geht der Menschen exekutiert um sich ein gutes Gehalt zu verdienen verfliegt ziemlich schnell, noch innerhalb der ersten Minuten.
Es ist also familiäres Terrain auf dem sich Kurt Sutter bewegt. Und doch ist „The Bastard Executioner“ auch die Chance auf einen komplett frischen Start. Sicher, die Grundthemen mögen die gleichen sein. Doch das Setting ist ein komplett anderes, und auch der Stil ist angenehm eigenständig.
Wer „Sons of Anarchy“ mochte, der wird sicher auch hier seine Freude haben, denn es ist anzunehmen dass die Serie nach der etwas langatmigen Einführung schnell an Tempo gewinnen wird. Neulinge in Sutters Welt werden eventuell vom hohen Grad der Gewalt abgeschreckt, oder vom langsamen Aufbau der Geschichte. Doch die ersten zwei Folgen machen ganz klar Appetit auf mehr. In Zeiten in denen eine Serie wie „Game of Thrones“ mit ihrem teilweise mittelalterlich inspirierten Setting ein Publikumshit sein kann und „Outlander“ eine komplett neue Fan Basis heraufziehen kann wäre es wünschenswert dass die Zuschauer sich auch auf das mittelalterliche England und Wales einlassen können. Atmosphärisch ist der Ausflug in die Vergangenheit allemal.