Zwei Prozent der Weltbevölkerung sind verschwunden. Sind sie auf biblische Weise entrückt worden? Durch Aliens entführt worden? Was ist passiert? „The Leftovers“ ist die Verfilmung von Tom Perrottas gleichnamigen Bestseller: Drei Jahre nach den mysteriösen Vorfällen bemüht sich Kevin Garvey, zweifacher Vater und Polizeichef in Mapleton/New York, immer noch mit der Trauer um die Verschollenen zu arrangieren, ein neues Leben aufzubauen und in der Gemeinde den Alltag einkehren zu lassen. Doch die Welt um ihn herum entwickelt sich immer seltsamer.
Fernsehserien, in denen Menschen nach oftmals unerklärlicher Abwesenheit zu ihren Geliebten zurückkehren gibt es wie Sand am Meer. „Resurrection“ und „Les Revenants“ (stilecht mit US-Remake) sind nur zwei aktuelle Vertreter. „The Leftovers“ würde theoretisch in die gleiche Kerbe schlagen, doch hier zäumt man das sprichwörtliche Pferd von hinten auf. Statt Menschen zurückkehren zu lassen schaut man sich an, wie es den Hinterbliebenen geht.
Gemeinsam mit dem Autor der Buchvorlage, Tom Perrotta, hat sich niemand geringeres als Damon Lindelof an die Umsetzung zur Serie gemacht. Und die Prämisse klingt nach typischem Lindelof-Material. Menschen verschwinden auf unerklärliche Weise, und in einer prinzipiell intakten Welt sehen sich einzelne Personen mit dem daraus resultierenden Trauma konfrontiert. Wie geht man mit einem Ereignis, einem Verlust um, den man nicht erklären kann? Denn, und darüber sollten potentielle Zuschauer sich im Klaren sein: Das Mysterium wird nicht aufgeklärt. Wer Antworten auf die banale Frage nach dem Warum will, der wird hier unzufrieden abschalten.
Um kurz bei einer anderen Serie zu verweilen, an der Lindelof ebenfalls mitgeschrieben hat: „Lost“. Egal wie sehr man das Ende nun mochte oder abgrundtief verabscheute, die meisten Zuschauer sind sich relativ einig was die stärksten Momente in der Serie waren. Die Episoden, die sich auf einzelne Figuren konzentrierten. Oder die Flashbacks, die zum richtigen Zeitpunkt Hintergrundinfos lieferten, die der ganzen Sache eine neue Dimension verpassten. Auf 10 Episoden verteilt finden sich auch hier solche Momente. Ab dem Zeitpunkt wo deutlich wird, dass es keine Antworten gibt sprangen bei der TV-Ausstrahlung zahlreiche Zuschauer wieder ab, denn es fiel bisweilen schwer sich auf die Geschichte einzulassen. Und irgendwo ist es ja auch verständlich. „The Leftovers“ kann unglaublich deprimierend sein, so deprimierend wie es nur werden kann wenn es um zerrissene Familien, Verlust, Depression, Trauer und Bewältigung geht. Dass Mysterium ist keinesfalls das zentrale Thema, und die Frage nach dem Warum wird nicht gestellt. Der Fokus liegt einzig auf den Hinterbliebenen und auf den verschiedenen Arten, wie mit dem Verlust umgegangen wird.
Das dieses Konzept aufgeht liegt vor allem an den Darstellern, die hier durch die Bank weg gelobt werden müssen. Carrie Coon, die erst im letzten Jahr auch mit „Gone Girl“ einem größeren Publikum bekannt wurde, liefert hier eine Ausnahmedarstellung. Ihre Figur, Nora Durst, ist unglaublich vielseitig, und Coon spielt enorm facettenreich. Energisch, verwundbar, getrieben und hoffnungsvoll: sie kann alles auf einmal sein. Justin Theroux steht ihr als Kevin Garvey in nichts nach und sein Kampf gegen den aufsteigenden Wahnsinn ist zu jeder Sekunde packend. Margaret Qualley spielt seine Tochter Jill, ein Teenager der seine eigenen Probleme hat, dank der großartigen Darstellerin aber niemals zu einem dieser nervigen Klischeeteenager verkommt. Ann Dowd als Führerin einer Sekte ist furchteinflößend, Christopher Eccleston als geheimnisvoller Priester ist gewohnt fantastisch. Amy Brenneman schweigt die ganze Serie über, sagt mit ihren Blicken aber mehr als tausend Worte es je könnten. Liv Tyler bekommt endlich mal wieder etwas zu tun was über nett aussehen hinausgeht. Nein, bei den Darstellern gibt es keine Fehlgriffe. Dringend erwähnenswert ist auch der wunderschöne Soundtrack, der von Max Richter komponiert wurde. Es gibt sicherlich nicht viele Serien, die so effizient von ihrer Musik begleitet werden. Egal ob traurige Momente verstärkt oder abgeschwächt werden müssen, das Grundthema taucht in zahlreichen Variationen auf, und sie alle sind perfekt. Nicht mehr, nicht weniger.
Fazit: „The Leftovers“ wird sicher nicht jedem gefallen, soviel steht fest. Die Serie ist stellenweise furchtbar bedrückend und beunruhigend. Doch wer sich für charakterfokussierte Dramen begeistern kann, wer nicht versessen ist auf Antworten sondern sich auf das Drumherum einlassen kann, wer sehen will wie einzelne Figuren mit Verlust umgehen, im Kleinen genauso wie im Großen, für den ist „The Leftovers“ ganz klares Pflichtprogramm. Es ist fantastisch geschriebenes und grandios gespieltes Fernsehen und eine von ganz wenigen Serien, denen ich persönlich ein viel größeres Publikum wünsche. Denn unter all der Verzweiflung liegt immer auch Hoffnung, und wenn „The Leftovers“ eines deutlich machen kann, dann dies.
Die Blu-ray: Die zehn Episoden erstrecken sich auf eine Laufzeit von rund 558 Minuten. Die englische Tonspur liegt in glasklarem DTS-HD Master Audio 5.1 vor, wer auf Deutsch schaut wird mit immer noch gut klingendem Dolby Digital 5.1 abgespeist und für alle anderen Sprachversionen gibt es Dolby Digital 2.0. Zahlreiche Untertiteloptionen sind vorhanden. Sehenswert sind die zahlreichen Extras, Neben Audiokommentaren zur ersten und letzten Episode gibt es zahlreiche Featurettes die sich mit der Entstehung der Serie befassen. Hier kommt auch der Autor der Buchvorlage häufig zu Wort und gibt interessante Einblicke in die Umsetzung.