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Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2018

von Sebastian Stumbek

DIE TOP 10 FILME 2018:

1. Hereditary - Das Vermächtnis
Das Psychogramm einer dysfunktionalen Familie dargebotenen als Horrorfilm der Extraklasse. Jeder Beteiligter verdient großes Lob, für die Leistung, die er oder sie hier abgeliefert haben. Egal ob Buch, Inszenierung, Schauspiel oder Musik, kein anderer Film hat mich dieses Jahr so mitgenommen, begeistert und beeindruckt. Darüber hinaus habe ich mich wirklich gegruselt, hatte eine bei der Sichtung eine Gänsehaut, und fand es schlicht atemberaubend, wie sehr mich der Film erschüttert hat. Der beste Horrorfilm seit langer Zeit.

2. The Favourite - Intrigen und Irrsinn, der alte Grieche, entdeckt die Emotionen. Anders als etwa in Dogtooth oder The Lobster verabschiedet sich der Regisseur in The Favourite vom charakterlich prosaischen Tonus. Jetzt wird mit großen Gestus gearbeitet. Eine Kehrtwende seines Stils? Mitnichten. Die Geschichte der abtrünnigen Adeligen Abigail, die am Hofe der bipolaren und gichtverseuchten Queen Anne gegen ihre Cousine intrigiert, so dass es zwischen beiden Frauen zu einem regelrechten Wettstreit kommt, besitzt den typischen Lanthimos-Kick. Der Film ist bösartig, hinterlistig und darüber hinaus auch hinreißend amüsant und sehr geistreich. Ein köstliches Werk, dessen deutscher Beititel Intrigen und Irrsinn wie die Faust aufs Auge passt.

3. The Florida Project
Gleichsam schmerzhaft authentisch und rigoros sowie herzlich und kraftvoll. Nach Tangerine L.A. liefert hier ein erneutes Meisterwerk ab, welches eine Lebendigkeit mit bringt, wie man sie 2018 nur selten im Kino gesehen hat.

4. Shape of Water - Das Flüstern des Wassers
Auch wenn Guillermo del Toro mit Shape of Water - Das Flüstern des Wasser ein Märchen aus der Vergangenheit erzählt, ist sein Film doch auch ein Kommentar zur gegenwärtigen, politischen Situation und ein klare Statement für Individualität und Selbstentfaltung. Was das Ganze so besonders macht, ist wie er seine Botschaft übermittelt. Denn auch wenn er oft und gerne mit der Faust der Phantasie auf den Tisch haut, ist es vor allem die Liebe, die er hier in allen Facetten und Formen feiert und genau mit dieser Liebe ist auch Film entstanden. Dies ist überall zu sehen und zu spüren. Del Toros bestes Werk seit „Pans Labyrinth“.

5. Three Billboards Outside Ebbing, Missouri
Echtes Brett! Komisch, böse, mitreißend, intelligent, grandios gespielt und mit deutlichem Nachhall. zeigt und seziert den Zorn und was dieser mit sich bringt – auch im Verborgenen. Hat mächtig Laune gemacht und mich tief beeindruckt.

6. Beautiful Boy
Offenherzig und absolut intim, dabei ehrlich und aufrichtig erzählt Beautiful Boy die (wahre) Geschichte eines zehnjährigen Kraftaktes. Journalist David will seinem Sohn Nic helfen seine Drogensucht zu überwinden. Es kommt zu Erfolgen sowie Rückschlägen und immer wieder blitzt Hoffnung auf. Aber wieso kommt Nic von den Drogen davon los? Wo andere Filme darüber sinnieren und sich tief in die Minen der Erklärungsversuche begeben würden, um so viel überschüttendes Leid wie nur möglich daraus zu konzentrieren, weiß es Beautiful Boy besser. Wie heißt es so treffend in Trainspotting: „Wer braucht Gründe, wenn er Heroin hat?“. Beautiful Boy erzählt mehr von einer Entfremdung zwischen Vater und Sohn, die beide nicht begreifen können und wollen, dass man eine Sucht eben nicht mit Ratschlägen und Vorsätzen besiegen kann. Man kann die Sucht nicht besiegen, man kann sie kontrollieren und sie akzeptieren. Die Sucht ist immer da. Der Film macht keine falschen Versprechungen. Vater und Sohn haben einen emotionalen Lernprozess vor sich, den Regisseur zwar durchaus gefällig, aber niemals selbstzweckmäßig inszeniert. Darüber hinaus liefern und eine darstellerische Leistung ab, die phänomenal ist. Nicht weil sie sich in großes Gesten verlieren, sondern weil sie die Verzweiflung und immer stärker werdende Ohnmacht ihrer Figuren selbst mit kleinsten Nuancen transportieren, ohne das dabei deren Wucht verloren geht.

7. Aufbruch zum Mond
Ausgestattet mit einem tollen Score, famosen Bildern, guten Darstellern und einem wunderbaren Pacing gelingt es die Geschichte der Apollo 11-Fahrt auf die Leinwand zu bannnen, ohne dabei auf Pathos und Patriotismus zu setzen. Sein Blick ist dabei immer ganz nah an Neil Armstrong. Das große Spektakel der Raketen interesiert ihn dabei kaum, was First Man nur noch intensiver und packender macht. Ich war kein Mega-Fan von Whiplash und La La Land fand ich la-la-langweilig, aber First Man war echt knorke.

8. Under the Silver Lake
Als hätte der junge Richard Linklater einen David Lynch gedreht. Ein Film, der vor sich hin treibt und gar nichts will und doch alles. Ein wunderbarer, relaxter Rausch mit einer ungemeinen Sogkraft und einem einnehmenden Stil- und Erzählwillen. Ich hätte Andrew Garfield als Slacker Sam stundenlang beim Schlendern durch L.A. zu sehen können. Hach nee, dat war einfach ein schöner Film. Alleine für die Szene mit dem Songwriter hat sich der Weg ins Kino gelohnt.

9. Der Seidene Faden
Die Passion zu erschaffen, sei es nun Mode oder Liebe (oder gar Abhängigkeit). Das ist die Essenz von s neuestem Film, der natürlich wieder großartig geraten ist. Die beiden Hauptfiguren zirkulieren darum. Er, der Modeschöpfer, will die Muse der Liebe so haben wie seine Kunst: Er will sie formen, anfordern bei Bedarf und in ihr aufgehen, aber strikt nach seinen Regeln. Sie, seine Geliebte, will sein Zentrum sein und kämpft mit teils arglistigen Täuschungen dafür, dass er ihr alleine gehört. Bei Der Seidene Faden wird edel bebildert geliebt, verletzt und manipuliert. Andersson entwirft dafür ein Mikrokosmos der Londoner Nachkriegs-High-Society. Fern von ernst zu nehmender Authentizität, aber unglaublich einnehmend und faszinierend.

10. In den Gängen
Die Zärtlichkeit des Banalen wird hier graustufig poetisch abgebildet. Ein wunderschöner Film, vor nicht schöner Kulisse, der vielleicht mehr Liebe geben will, als er kann. Genau das macht ihn so mit- und hinreißend. 2018 gab es wohl nur wenig Kinofilme, die über solch ein großes, offenes und ehrlich Herz verfügten. Zum dahinschmelzen schön.

Lobende Erwähnungen: Feinde - Hostiles, A Beautiful Day, Brawl in Cell Block 99, I, Tonya, Sicario 2, Searching, Mission: Impossible - Fallout, Bohemian RhapsodyBlacKkKlansman, Mandy, Roma,  Wolfsnächte und The Death of Stalin.


DIE FLOP 5 FILME 2018:

1. Abgeschnitten
Sebastian Fitzek hat einen tollen Vornamen und schreibt Bestseller. Hab keinen davon gelesen, aber wenn die narrativ genau so hanebüchen, quatschig, überkonstruiert und blöd sind wie die Verfilmung zu Abgeschnitten, frage ich mich doch, wieso Leute solch einen Billo-Schund lesen und für eine gute Geschichte halten. Ich finde für die Verfilmung jedenfalls keine richtigen Worte. Meine Fresse, war das eine Scheiße. Ich meine so richtige Kacke. Nicht so bremsspurmäßig, sondern volles Rohr an der Keramik vorbei.

2. The Happytime Murders
Dieser Film hätte wirklich etwas besonders werden können, wenn die Macher nur nicht so plump sowie rabiat einzig und alleine auf Vulgarität und pubertären Klamauk gesetzt hätten. Es ist wirklich zu bedauern, dass aus dieser Welt, mit all ihren Möglichkeiten, nicht mehr gemacht wurde. Eine wirklich bittere Enttäuschung.

3. Predator - Upgrade
Machen wir uns nichts vor, die Predator-Reihe war niemals auf einem Level wie andere R-Rating-Franchises von Fox. Dennoch ist es beachtlich wie viel Energie in das Projekt investierte, das vom ersten Moment an klar und deutliche seine signifiknate Handschrift trägt. Bedauerlicherweise konzentriert sich Black und sein Script-Buddy Fred Dekker so sehr auf Black'sche Markenzeichen, dass alles andere keinen Platz zur Entfaltung hat, dies schließt auch die Atmosphäre mit ein. Predator – Upgrade macht zwar immer mal wieder Freude und suhlt sich mit ausgiebigèr Gelassenheit im Destillat testosteronstrotzeder Eighties-Action, doch dabei kommt nichts heraus, was sich komplett und wirklich ausgearbeitet anfühlt. Das liegt vermutlich auch an den Nachdrehs, die vor allem beim enttäuschenden Finale deutlich zu bemerken sind. Mein Kumpel, der mich ins Kino begleitet hat, brachte es auf der Rückfahrt gut auf den Punkt: Ein Film wie eine Klassenarbeit. Der Regisseur hat erst das gemacht, was er konnte, dann den Rest mühselig hingekritzelt und gehofft, das reicht für eine gute Note.

4. Meg
Es  hätte der neue Deep Blue Sea werden können. Doch statt simpler und effektiver Spannung sowie guter, exorbitanter Action bereitet der Blockbuster lieber die Bühne für Jason Statham vor und hält diesen so penetrant im Spotlight, dass der Riesenhai fast nebensächlich wird. Leider hat dieser Hai zwar gigantische Ausmaße, aber keinerlei wirkliche Größe und schon gar keinen echten Biss.

5. Wo steckt Sidney Hall?
In den letzten fünf Jahren erarbeitete sich das Studio A24 den Ruf einer sicheren Hit-Schmiede innerhalb des US-Independent-Kinos. Zwar gab es mit Charlies Welt oder Tusk gewiss auch Ausbrecher, aber selbst diese Werke besaßen etwas Eigenes, etwas das einen faszinieren konnte. The Vanishing of Sidney Hall ist der erste, große Verkehrsunfall von A24. Regisseur betreibt hier lähmende zwei Stunden lang vor allem eines: kunstgewerbliche Selbstaufgeilung. Ein Drama das mit dauerndem Gesäusel, einer unnötig verschachtelten Narration und allerlei schnöden Manipulationen in die Tiefe eines jungen, genialen Geistes vordringen will, dabei aber nur stumpfe Prätentiosität mit deutlichem Hang zum Kitsch hervorbringt. Mögen die Darsteller sich noch so viel Mühe geben, dieser Sidney Hall kann gerne verschwunden bleiben.

Weitere Enttäuschungen: Black Mirror - Bandersnatch, Peppermint - Angel of Vengeance, Mute, The Cloverfield Paradox, Mile 22, Jurassic World: Das gefallene Königreich, Blumhouse präsentiert: Wahrheit oder Pflicht, Gun Shy, Gringo


GEHEIMTIPPS aus dem Jahr 2018:

The Cleaners

Eine sinnlose und dumme Geste

The Night Comes For Us

Kulenkampffs Schuhe

Eskimo Limon

The Guilty

They'll Love Me When I'm Dead

Revenge

Ingrid Goes West

Die Woche


10 MOST WANTED FILME 2019:

Midsommar

Joker

The Sisters Brothers

The Irishman

Wir

Star Wars: Episode IX

Vice

The New Mutants

BrightBurn

Sorry to Bother You


MEIN SERIENJAHR 2018:

2018 habe ich mich endlich an Better Call Saul getraut und habe es nicht bereut. Nach Staffel vier erwarte ich die fünfte vorfreudig für 2019. Auch endlich nachgeholt habe ich Willkommen in Gravity Fall (hört euch den Podcast an!), American Vandal (Staffel eins war super, die zweite hat mich nicht überzeugt), Scorpion (lasch und uninteressant), Ash vs. Evil Dead (nach drei Staffeln war die Luft raus) und Preacher (pendelt zwischen sehenswert und sensationell). Richtig spannend wurde das Serienjahr mit Bodyguard sowie Deutschland 86. Eine Menge Freude hatte ich mit der letzten Staffel von Pastewka, die sich traut ein wenig aus dem alten Trott auszubrechen. War gewöhnungsbedürftig, hat mich aber überzeugt. Ansonsten war Glow ein kurzweiliger Zeitvertreib, Brooklyn Nine-Nine geht irgendwie immer und Haus des Geldes hatte Schwächen, machte aber auch ziemlich süchtig. Zu den ganz großen Highlights zählten in meinem Serienjahr auch noch Happy! (Chef und ich haben Staffel eins einen Podcast spendiert), die schwarzhumorige wie zartbittere HBO-Produktion Barry ( FTW), der herrlich witzige Futureman (Podcast incoming), die zweite Staffel 4 Blocks und natürlich war auch die dritte Staffel von Gomorrha ein großes Serienereignis.


FAZIT:

2018 war rückblickend ein echt gutes Kinojahr. Mehr kann und will ich nicht sagen. Warum? Weil ich euch nicht noch mehr Zeit stehlen will. Nutzt die Zeit und guckt gute Filme und Serien. 2018 bot davon einiges. Frohes Neues.

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