Bildnachweis: © Weltkino

Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2017

von Sebastian Stumbek

DIE TOP 10 FILME 2017

1. Silence
Mit welcher inszenatorischen Dichte Scorsese hier mal wieder zur Tat geschritten ist. Unfassbar. Der Film ist gezeichnet von einer sagenhaften Sogwirkung. Bildgewaltige, aber gleichzeitig enthaltsame Fotografien unterstützen eine Meditation über die allgegenwärtigen Irritationen im eigenen Glaubensbekenntnis. Was ist das für ein Gott, der unseren Gebeten Gehör schenkt, aber unsere Schreie ignoriert?

2. Manchester by the Sea
Ein Meisterwerk. Hochkonzentriertes Seelendrama, welches nicht nur den tiefen Schmerz der von Casey Affleck brillant gespielten Hauptfigur zum Ausdruck bringt, sondern neben seiner existentiellen Schwere auch Trost spendet. Trost spenden kann. Eindringlich, aufmerksam, behutsam, menschlich. So sieht kraftvolles Erwachsenenkino aus.

3. Die Verführten
Mitreißend jedoch ist der Film, weil er seine Machtstrukturen mit einer derartigen Vergnüglichkeit an Erotik auflädt, dass es einem hin und wieder die Sprache verschlägt. Von gestalterischer Anmut gezeichnet und durch die Bank weg herausragend gut gespielt, ist Die Verführten ein Diskurs über Manipulation und Begehren, über Opportunismus und Solidarität. Nuanciert und pointiert, versteht sich, und doch gnadenlos anspannend. Willkommen im Schatten des Verlangens.

4. Die versunkene Stadt Z
Obgleich es sich Die versunkene Stadt Z nicht nehmen lässt, eine gewisse Leidenschaft an der exotischen Erforschung Amazoniens zu stimulieren, versteht sich der Film blendend darin, Distanz zu Fawetts romantisierten Expeditionen einzuhalten. Seine Aufbruch, eine vor-zivilisatorische, mit Gold verzierte und von Tempeln gesäumte Stadt aufspüren, wird gleichwohl zur Reise ins schwarze Herz der Obsessionen eines Menschen, der sich zusehends in wahnhaften Männlichkeitsbestrebungen verliert und vergisst, wo auf der Welt sein wahrer Platz ist.

5. Blade Runner 2049
Villeneuve gelingt es mit Bravour, den Geist der Vorlage in Ehren zu halten, anstatt sich diesem sklavisch zu beugen. Blade Runner 2049 unterliegt, trotz seines Referenzraumes, nie dem Anspruch, sich voll und ganz auf das Original zurückfallen zu lassen, sondern fungiert in der Funktion, das Blade–Runner-Universum auszubauen, es weiterzuspinnen – und dafür nutzt er sorgsam arrangierte Bild- und Tonwelten, die den Zuschauer wie einen von schöpferischer Sprengkraft angetrieben Strudel in sich saugen.

6. Elle
Mit Elle begibt sich Paul Verhoevens in das Reich der Obsessionen; dort, wo Genre-Mechanismen ausgehebelt werden und Rollenmuster pulverisiert, Lust und Schmerz korrelieren, wo Lakonie und Zynismus sich die Hand reichen, wo der Mensch in all seiner Eigenwilligkeit noch Mensch sein darf, ohne sein Verhalten zu pathologisiert oder ausgedeutet zu sehen.

7. Logan
Interessanterweise reflektiert LOGAN dabei nicht nur seine eigene Existenz als Fiktion, als populärkulturelle Entität, sondern findet auch als sagenumwobenes Kulturgut seiner selbst eine Möglichkeit für Wolverine, überzeitlich bestehen zu dürfen, während er irdisch langsam verblasst. Eben weil er das Recht hat, verblassen zu dürfen. Weil er sich lange genug für andere aufgeopfert hat. James Mangold findet sich mit seiner hervorragenden Inszenierung dabei inmitten von bestialischer Gewalt und zerbrechlicher Menschlichkeit wieder. Erzählt von Vergessen und Erinnern. Von beschissenen und sinnhaften Tagen, von zerfurchten, versoffenen lebensmüden, denen gestattet wird, keine Helden mehr zu sein.  Nicht hier.

8. Die irre Heldentour des Billy Lynn
Im Kern geht es hier indes um die mediale Wechselwirkung von Heldentum und seinen Mythen. Es geht darum, wie wenig sich Amerika um seine Soldaten schert, solange man sie als leere Gefäße instrumentalisieren kann, die dann nach und nach mit verklärt-heroischen Idealen gefüllt werden: Kollektive Traumata als pyrotechnische Medienveranstaltung. Außen- und Innenwahrnehmung spielen die ganz entscheidende Rolle. Am Ende bliebt die Ohnmacht. Der Gedanke, einfach zu fliehen. Die Tränen ob der Dinge, die man hätte erreichen können, wäre diese verfluchte Uniform nicht. Wow.

9. Fences
Denzel Washington führt ein Ensemble an, welches sich aufopferungsvoll in ihre von Ambivalenzen bestimmten Charaktere wirft. Da werden Intensitäten freigelegt, die sich, wir Troy Maxon bei seiner Familie, bis ins Fleisch graben. FENCES bleibt nah an seinen Charakteren, immer, erzählt innerhalb eines zeitgeschichtlichen, aber dennoch universalen Mikrokosmos mit merklicher Lebensweisheit von Familie, vom täglichen Kampf über die Runden zu kommen, von Selbsthass, Selbsterhaltung und Selbstbestimmung; von Stolz, Zurückweisung und Dankbarkeit.

10. Personal Shopper
Personal Shopper ist ohne Zweifel inkohärent, aber genau das ist ein erzählerisches Mittel, um den von Kristen Stewart (Göttin) gespielten Charakter dabei zu helfen, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Ordnung inmitten von Trauer, Selbstverlust, Seelensuche und Reisen in höhere, außerweltliche Bewusstseinsebenen.

DIE FLOP 5 2017:

1. Fifty Shades of Grey 2
Hilfe! Da verzieht sich der Lümmel nach innen. Also. Ja, Fifty Shades of Grey war vor 2 Jahren schon ein echter Unfilm, dass es einem die Schamröte ins von Kotzbrocken gesprenkelte Gesicht trieb. Fifty Shades of Grey 2 unterbietet den Vorgänger aber noch. Jedenfalls hat mich Teil 2 nun noch entrüsteter zurückgelassen: Dieser auf Hochglanz polierte Schmatzfetzen mit Popohaugarantie, der vor allem dazu da ist, Mädchenträume zu stimulieren und Hausfrauenphantasien anzuheizen, ist vor allem eines: Ein breiiger Haufen verklemmter Moralverstrahlung.

2. Transformers: The Last Knight
Michael Bay hatte in seiner Transformers-Serie zwar noch nie etwas zu sagen, aber zu zeigen. Ob gewollt oder unfreiwillig. Nun allerdings bleibt einzig Gammelfleisch, Totholz, Altmetall und der Untergang eines der zerstörungswütigsten Kleinkinder Hollywoods.

3. Resident Evil: The Final Chapter
Die Resident-Evil-Reihe ist eigentlich ein wunderbares Beispiel dafür, wie grandios Autorenkino scheitern kann. Unfassbar, dass es von diesem zerhackstückelten Pixelbrei inzwischen ganze sechs (!) Auswürfe gibt. Noch unfassbarer: Dass man sich diesen absehbaren Scheiß auch tatsächlich immer und immer wieder gibt.

4. Hacksaw Ridge
Mel Gibson meldet sich zurück, verändert hat sich allerdings nichts. Desmond Jesus Doss darf durch ultrabrutale Schlachtengemälde stampfen und dem Herrn dafür danken, dass es gerechte Tode gibt. Okay.

5. La La Land
Dröge Vergangenheitsinszenierung eines hochbegabten Regisseurs. Beim nächsten Mal dann bitte den Kopf aus dem Arsch der Wehmut ziehen, dann klappt es auch mit der Melancholie.

GEHEIMTIPPS AUS DEM JAHR 2017

A Ghost Story, Certain Women, The Night of the Virgin, Let Me Make You A Martyr, Una und Ray, Suburra.

10 MOST WANTED FILME 2018:

The Life and Death of John F. Donovan
Call Me By Your Name
A Beautiful Day
Nach einer wahren Geschichte
Der seidene Faden
Shape of Water
Lady Bird
The House that Jack Built
The Disaster Artist
Wonder Wheel

MEIN SERIENJAHR 2017

Ach, ich hab die neue Staffel Twin Peaks noch nicht gesehen, deswegen möchte ich an dieser Stelle einfach auf The Deuce hinweisen. Kunst.

FAZIT

Die drei Amigos. <3

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