Kaum eine Serie lebt das Motiv der zweiten Chance so sehr wie BoJack Horseman. Das betrifft den roten Faden der Serie, in dem sich Protagonist BoJack eine zweite Chance nach der anderen erschleicht, geht aber auch darüber hinaus: BoJack Horseman ist eine Serie, die man erst mit einer zweiten Chance wirklich lieben lernen kann. Staffel 1 verließ sich als das Problemkind der Serie noch zu sehr auf albernen Slapstick ohne echten Biss und gefühlt ohne echten Plan für die Zukunft. Die Stärken der Serie liegen woanders: Albernheiten über das von anthropomorphischen Tieren und Menschen gleichermaßen belebte Hollywoo (nein, da fehlt kein d) sind Rahmenschmuck für eine differenzierte Auseinandersetzung mit von Hybris gespeister Depression. Die Stärke von BoJack Horseman sind die mitreißenden, vielschichtigen Figuren. Ein bisschen wie bei Californication, aber ohne Qualitätsverlust.
Spätestens in Staffel 2 groovte sich das kreative Team um Raphael Bob-Waksberg (Undone) auf diese Stärken ein und entwickelte ein stets fühlbares Sujet, um das sich die Serie weiterentwickeln durfte. BoJack Horseman ist so etwas wie ein Parabeispiel für eine Serie ohne unnötiges Fett. Hier baut qualitativ jede Staffel aufeinander auf. Mit Staffel 6 folgt nun die finale Staffel der Serie. Und ob dies von den Machern so gewollt war oder von Netflix forciert wurde, es passt zum fettfreien Vorgehen der Show. Zu sehr liegen den Verantwortlichen die Figuren am Herzen als dass hier die Kuh bis zum Erbrechen gemolken werden muss. Das zeugt von echter Verbundenheit zur Serie: Jedem ist es wichtig die Geschichte um das alkoholkranke Pferd BoJack (Will Arnett - Show Dogs) vernünftig zu Ende zu bringen. Und ja, das Vorhaben ist geglückt.
Mit insgesamt 16 Episoden stellt Staffel 6 die längste Season der Serie dar. Und die sind nötig, umfasst die Staffel doch nicht nur BoJacks Besuch der Entzugsklinik, sondern führt jede der hervorragend vertonten Figuren einen wichtigen Schritt nach vorne und letztlich ihrem persönlichen Abschluss entgegen. Wie bereits die Vorgängerstaffeln geht auch Staffel 6 mit den teils äußerst bedrückenden Themen wie Depression, Drogenkonsum oder krankhaftem Narzissmus um, behandelt diese aber stets abgeklärt und feinfühlig. Ob hier persönliche Erfahrungen drinnen stecken? So subtil und organisch sich die Probleme der Figuren entwickeln, so oft Charaktere in alte Muster fallen dürfen, so sehr die Serie das Motiv der Repetition ohne Ermüdungserscheinungen zelebriert, so echt wirken die hier diskutierten Emotionen auf den Zuschauer. Und ja, BoJack Horseman diskutiert diese Emotionen, ist aber nicht interessiert an einer finalen Lösung, weil schlichtweg keine Lösung existiert. Das regt auch den Zuschauer zum Nachdenken an, gibt der Serie ein unheimlich rundes Gefühl, könnte aber auch einige Zuschauer enttäuschen.
Nach den zwei hervorragenden Vorgängerstaffeln fahren die Macher aber dennoch einige Gänge zurück. Das betrifft vor allem die kreativen Erzählmuster einzelner Episoden, die in den Vorgängerstaffeln für viel Leichtigkeit gesorgt haben. Experimentierfreudig zeigte man sich bei BoJack Horseman schon immer, ganze Episoden wurden aus verschiedenen oder eigenwilligen Perspektiven gezeigt. Doch um die Season zu einem runden Abschluss zu führen rückt man hier nun vollends die Charaktere ins Zentrum.
Das soll nicht bedeuten, dass sich nicht auch Staffel 6 sehr einfallsreich inszeniert, die neuen Folgen kommen aber deutlich ruhiger daher als gewohnt. In diesem Sinne ist auch der Schlusspunkt geradezu antiklimaktisch, lässt all das wilde Drama außen vor und die Figuren einfach miteinander sprechen. Wirklich „zu Ende“ ist am Ende gar nichts, nur alles etwas besonnener als zuvor. Die ewige Suche nach Glück und Katharsis verliert sich in dem niemals endenden Fluss des Lebens, wer nach stetem Sinn und einem echten Klimax sucht bleibt hoffnungslos. „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“ mag klischeehaften klingen, geht im Kontext der Serie aber in berührender Hinsicht total auf. In diesem Sinne: Mach's gut, altes Pferd! Wir werden dich vermissen.
Fazit
Staffel 6 von BoJack Horseman wird nicht jeden Fan vollends befriedigen. Genug Stoff für eine weitere Staffel hätte es nämlich problemlos gegeben. Die kreative Inszenierungslust und das stete Drama weichen langen, ruhigen Diskussionen über Glück und Scham. Am Ende fügen sich das Finale und die letzten Folgen aber nahtlos in den Ton der Serie ein. Man bleibt sich treu – bis zum Schluss. Und das ist mehr als man von vielen Serien dieser Art behaupten kann.