Einleitung:
Er war zentraler Mitbegründer der Nouvelle Vague und wird dennoch viel zu oft vergessen. Seine Inszenierung war zurückhaltend und unscheinbar, nichtsdestotrotz vermochte er dadurch das Innenleben seiner Figuren so präzise freizulegen wie kaum ein anderer. Die ambivalenten Charaktere und die von lokalen und temporalen Verhältnissen losgelösten Geschichten verleihen seinen Werken etwas Zeitloses. Die Rede ist von Eric Rohmer, dem 2010 verstorbenen Regisseur, der oftmals im Schatten von Godard und Truffaut zu verschwinden drohte. Fälschlicherweise, denn seine Filme sind ähnlich gelungen, wichtig und einflussreich. STUDIOCANAL nahm sich nun dem Regisseur an und bündelte zehn seiner essentiellsten Filme zu einer DVD-Box, die seit dem 12. Mai im deutschen Handel erhältlich ist.
Die Filme:
Eric Rohmers Langfilmdebüt thematisiert den sozialen Abstieg eines amerikanischen Musikers in Paris und gibt in gewisser Weise bereits einen Großteil seines Schaffens vorweg. Elemente wie eine tiefschürfende und glaubhafte Charakterzeichnung und eine sehr unscheinbare aber effektive Inszenierung lassen sich in fast allen seiner Filme wiederfinden. Obwohl es sich um sein Debüt handelt, ist der Film bereits sehr routiniert erzählt und umgesetzt. Ein durchweg gelungener Einstand.
In Die Sammlerin zeigt sich bereits eine Eigenart Rohmers, nämlich seine Filme zu thematischen Zyklen zusammenzufassen. Somit ist dieser Film bereits der dritte Teil der Moralischen Erzählungen, obgleich es sich um den ersten Langfilm der Reihe handelt. Wer nun verunsichert über die zugegebenermaßen etwas wirre Einteilung seiner Filme ist, darf beruhigt sein. Die Zugehörigkeit zu bestimmten Zyklen ist lediglich eine thematische und so lassen sich alle Teile auch komplett losgelöst von anderen Filmen desselben Zyklus betrachten. Die Sammlerin handelt von der schwierigen Beziehung eines Mannes zu einer jungen Frau, die Rohmer gewohnt vielschichtig erzählt und mit komplexen Gefühlen auflädt.
Ebenfalls den Moralischen Erzählungen angehörig, zählt Meine Nacht bei Maud zu Rohmers bekanntesten Werken (unter anderem zwei Oscar-Nominierungen). In einer kühlen Sachlichkeit thematisiert er die unterschiedlichen Standpunkte eines katholischen Ingenieurs und einer liberalen Frau in Sachen Religion und Liebe. Der von vielen Dialogen geprägte Film überzeugt nicht zuletzt durch seine ruhige und intelligente Auseinandersetzung mit essentiellen Themen.
Das ebenfalls preisgekrönte Werk der Moralischen Erzählungen berichtet erneut von den zwischenmenschlichen Zerwürfnissen zweier Liebender. Subtil erzählt legt er die Eigenarten seines Protagonisten frei und schafft es einmal mehr seine agierenden Figuren nicht in Schubladen zu stecken, sondern ihnen ambivalente und glaubhafte Züge zu verleihen. Inszenatorisch mit gebührender Sachlichkeit eingefangen vermag es Rohmer erneut das Innenleben seiner Charaktere für den Zuschauer freizulegen.
In Liebe am Nachmittag muss ein eigentlich glücklich verheirateter Mann seine Gefühle hinterfragen, als seine ehemalige Geliebte unerwartet in sein Leben tritt. Ein eher unbekannter Film aus Rohmers Schaffen, der jedoch immer wieder als Geheimtipp genannt wird. Präzise und ohne unnötige Schlenker thematisiert der Film die komplexe Gefühlswelt seines Protagonisten, offenbart Wünsche und Sehnsüchte gleichermaßen wie Ängste und Problemstellen. Als letzter Teil der Moralischen Erzählungen gesellt sich Liebe am Nachmittag thematisch perfekt zu seinen Vorgängern.
Mit Pauline am Strand verlässt die Edition zunächst ihr moralisch tiefschürfendes Terrain und widmet sich einem deutlich leichtfüßigeren Zyklus, nämlich Komödien und Sprichwörter. Auch wenn es der Name suggeriert, handelt es sich bei Pauline am Strand nicht per se um eine Komödie, sondern vielmehr um eine amüsant angehauchte Erzählung ohne auf gewohnte Themen Rohmers zu verzichten. Spielerisch inszeniert thematisiert der Film festgefahrene Geschlechterrollen und die oftmals breite Kluft zwischen Denken und Handeln.
Der mit dem Goldenen Löwen bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig 1986 ausgezeichnete Film besticht erneut durch seine leichte und aufgeregte Art. Ähnlich wie die Figuren im Film treibt auch der Film selbst locker vor sich her und vermittelt dadurch eine angenehme Atmosphäre. Aufgeladen mit einer Extraportion Charme horcht man als Zuschauer gespannt den zunächst belanglosen Dialogen, nur um später zu erkennen, dass diese doch gewohnt tiefgreifend sind. Das grüne Leuchten sticht, keinesfalls negativ behaftet, etwas aus dem sonstigen Schaffen Rohmers heraus und gibt sich als gelungene Abwechslung.
Der abschließende Teil des Zyklus Komödien und Sprichwörter parodiert in gewisser Weise das Sprichwort „Die Freunde meiner Freunde sich auch meine Freunde“. Einfühlsam folgt der Film einem Grüppchen junger Menschen in Paris und beschäftigt sich dabei hauptsächlich mit ihrer Interaktion untereinander. Mit viel Wortwitz zeichnet Rohmer in Der Freund meiner Freundin ein treffendes Bild junger Menschen.
Mit Wintermärchen schneidet die Veröffentlichung wiederum einen neuen Zyklus des französischen Regisseurs an. Der zweite Teil der Erzählungen der vier Jahreszeiten thematisiert eine sich unglücklich aus den Augen verlorene Liebe und die dadurch entstehende Konfrontation mit der Realität. Erneut besticht Rohmer durch vielschichtige Gefühle und einer sehr charakterorientierten Erzählung.
Der letzte und aktuellste Film der Edition gehört thematisch ebenso wie sein Vorgänger zur Tetralogie Erzählungen der vier Jahreszeiten. Wie bereits erwähnt ist diese Einteilung Rohmers jedoch eher eine motivische und so spielt es inhaltlich keine Rolle, ob man bereits andere Filme dieses Zyklus gesehen hat. In Sommer erzählt der Regisseur die Geschichte eines jungen Mannes, der sich zwischen drei Frauen entscheiden muss. Dabei verzichtet Rohmer über weite Strecken auf eine kohärente Erzählung und stellt dafür die handelnden Figuren und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen in den Vordergrund. Ein gelungener Einblick in die unlogische Widersprüchlichkeit junger Liebe.
Technische Daten:
Zunächst sei angemerkt, dass alle beiliegenden Filme auch einzeln von STUDIOCANAL veröffentlicht und bei dieser Edition auf die bereits vorliegenden Muster zurückgegriffen wurde. Das wirkt sich jedoch in keiner Weise negativ auf die vorliegende Veröffentlichung aus. So bestechen alle Filme durch eine (natürlich ihrem Alter und der Bekanntheit entsprechend) saubere Bild- und Tonqualität. In technischer Hinsicht gibt es also nur sehr wenig zu kritisieren. Auch das Bonusmaterial der einzelnen DVDs weiß zu überzeugen. So liegen auf den unterschiedlichen Discs verschiedene Interviews und Biografien, sowie weitere Kurzfilme von Rohmer bei. Dadurch bietet jeder Film auch eine Handvoll Extras, welche das Informationsbedürfnis des Zuschauers nach der Sichtung zur Genüge abdecken sollten. Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass die vorliegende Edition sowohl technisch wie auch inhaltlich gelungen zusammengestellt wurde.
Fazit:
Mit der Best of Eric Rohmer Edition holt STUDIOCANAL gewissermaßen zum filmischen Rundumschlag aus. Die Box beinhaltet zehn Werke des französischen Regisseurs und deckt dabei 35 Jahre im Schaffen von Eric Rohmer ab. Angefangen mit seinem Langfilmdebüt beschäftigt sich die Edition mit den wichtigsten Eckpfeiler Rohmers Werke und kann dadurch guten Gewissens als repräsentative Auswahl seiner Filme bezeichnet werden. Wer noch keine oder nur wenig Filme des Regisseurs kennt und sich gerne näher mit ihm beschäftigen will, ist mit der vorliegenden Veröffentlichung gut beraten. Zwar sind alle beiliegenden Filme bereits einzeln erschienen, doch vereint die Box die zehn Filme zu einem ansehnlichen Kollektiv. Auch der Preis von 55,99€ ist für zehn Filme in einer durchweg gelungenen Veröffentlichung mehr als fair.