CASEY AFFLECK in MANCHESTER BY THE SEA
Dass Casey Affleck ein überaus begabter Schauspieler ist, weiß man schon seit langer Zeit. Mit seiner Performance eines an Schuld- und Verlustgefühlen leidenden Vater jedoch hat Affleck alles übertroffen, was es in diesem Jahr zu sehen gab. Winzige Nuancen genügen hier schon, um einen Ozean der zerrissenen Emotionen aufzuzeigen. Eine wahrliche Meisterleistung. Ein Triumphzug.
Denzel Washington setzt sich selbst in Szene. Was für ein Egotrip! Aber, ganz ehrlich, wenn jeder Egotrip mit einer derartigen Wucht vorgetragen wird, dann gerne. Washingtons Theateradaption ist nicht nur eines der eindringlichsten Werke des Jahres, ist es auch das perfekte Beispiel dafür, was einen guten Film ausmacht: Gesichter. Mimen. Vollblutschauspieler, die ihre Charaktere bis in die tiefsten Abgründe ihrer Seele begleiten.
KRISTEN STEWART in PERSONAL SHOPPER und CERTAIN WOMEN
Vor einigen Jahren hat man Kristen Stewart noch belächelt, inzwischen ist die Dame, neben Rooney Mara, die wohl beste Schauspielerin unserer Zeit. Glaubt ihr nicht? Dann schaut auch Personal Shopper und Certain Women an, die nicht unwesentlich von den berauschenden Leistungen der Ex-Bella beseelt werden. In der Ruhe, der Andeutung, dem Möglichen, liegt die Kraft, an der sich Stewart wie kaum eine zweite Darstellerin ihrer Zunft zu weiden versteht.
Paul Verhoevens Comeback ist auch eine der schauspielerischen Sternstunden von Isabelle Huppert. Mal wieder, muss man sagen. Ihre Performance eines Vergewaltigungsopfers, die sich in einer Spirale der Obsessionen wiederentdeckt, drückt all das aus, was das Kino so begehrenswert macht: Die Ambivalenz. Die Undurchsichtigkeit. Das den Zuschauer Herausfordernde. Der Blick unter die Oberfläche.
NICOLE KIDMAN, KIRSTEN DUNST und ELLE FANNING in DIE VERFÜHRTEN
Knistern ist bei Die Verführten gar kein Ausdruck. Sofia Coppolas Studie über Begehren und Verachtung, über Macht und Machtmissbrauch ist zweifelsohne eines der sensorischen Bravourstücke dieses Kinojahres. Zum Gelingen trägt dabei vor allem das exzellente Schauspieltriptychon um Kidman, Dunst und Fanning bei, die den Film mit einer derartig schwelenden Energie aufladen, dass es einem Herz, Geist und den Hosenknopf öffnet.
JAVIER BODALO in THE NIGHT OF THE VIRGIN
Sicherlich ist Javier Bodalos Performance einer spanischen Jungfrau, die die Nacht ihres Lebens (!!!) erlebt, nichts, was man auf renommierten Preisverleihungen honorieren wird. Unfassbar ist dessen Aufritt in der Körperschleimsause The Night of the Virgin dennoch. Eine Mischung aus Mr. Bean und Charlie Chaplin, gefangen im Höllenschlund des Hormonstaus. Ich sag es nochmal: Unfassbar. Muss man gesehen haben, kann man nicht in Worte fassen.
Immer wieder tragisch, wie sehr ein begnadeter Schauspieler wie Ben Mendelsohn doch unter Wert verkauft. Oder verkauft wird. Seit Jahren liefert der Mann Großes ab, man denke nur an Königreich des Verbrechens oder Killing Them Softly. Und auch in diesem Jahr, an der Seite von der anbetungswürdigen Rooney Mara, brilliert Mendelsohn als Pädophiler, der sich von seiner Vergangenheit nicht lösen kann, weil diese ihm nach Jahren wieder auflauert.
WOODY HARRELSON in SCHLOSS AUS GLAS
Für Woody Harrelson gilt im Prinzip das gleiche, wie für Ben Mendelsohn: Eigentlich ein ungekrönter König der Schauspielerei, aber dann doch jemand, der immerzu in der zweiten Reihe verschleudert wird. Wobei verschleudern hier der falsche Begriff ist, denn famos ist er immer. In der Romanadaption Schloss aus Glas wird ihm indes die Chance gegeben, in einer größeren Rolle zu strahlen. Und natürlich strahlt er, wie es sich für Woody gehört. So pointiert und facettenreich. Man möchte Applaus spenden.
ETHAN HAWKE in BORN TO BE BLUE
Die Evolution des Ethan Hawke. Spätestens im Jahre 2017 ist sie auf ihrem Höhepunkt angelangt. Vor Jahren hat man ihn noch aufgrund seiner Ausdruckslosigkeit belächelt, fast wäre er gar gänzlich im DTV-Sumpf verendet. Inzwischen gehört er zu den Schauspielern, die für ihre Unauffälligkeit, ihre „Austauschbarkeit“, geliebt werden, weil keiner diese Alltäglichkeit mit derartig viel Gefühl auskleiden kann, wie Ethan Hawke. Wer noch Beweise dafür braucht, der darf sich Born to Be Blue zu Gemüte führen. Toller Film, btw.
ADAM SANDLER in THE MEYEROWITZ STORIES
Oh oh. Adam Sandler. Der elitäre Cineast rümpft die Nase. Das Feuilleton gibt sich die größte Mühe, um ihn zum Dilettanten zu erklären und seine dadaistischen Komödien gnadenlos zu verreißen. Hin und wieder allerdings kommen Darbietungen, die sich gewaschen haben. Wir denken an Punch Drunk Love. Wir denken an Reign Over Me. Und jetzt denken wir an The Meyerwoitz Stories, in dem Adam Sandler in Noah Baumbachs Familien-Dramödie all das Potenzial zum Vorschein bringt, welches ihm sämtliche Intelligenzblätter seit Jahren aberkennen wollen.