Bildnachweis: © Netflix | Promobild zu "Anne with an E" Staffel 3

"Anne with an E" - Staffel 3 - Kritik

von Miriam Aissaoui

Inhalt

Endlich feiert Anne (Amybeth McNulty) ihren 16. Geburtstag. Nun denkt sie, ist sie erwachsen genug, um nach ihrer Herkunft zu forschen. Denn als wissbegieriges Waisenkind hat sie sich immer gefragt, wo genau sie her kommt. Jedoch ist Anne nun in einem Alter bei dem man sich eben nicht nur mit seiner Vergangenheit beschäftigt, sondern auch mit der Liebe. Die ersten Versuche sich an das männliche Geschlecht anzunähern folgen und Anne fragt sich, ob sie denn überhaupt dafür gemacht sei, zu heiraten. Fragen, wer denn der Richtige sei, beschäftigen die neugierige Anne. Sie blickt abenteuerlustig in ihre Zukunft, denn eines ist sicher: Nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor.


Kritik

Die dritte Staffel der Serie um den rothaarigen Wirbelwind erschien 2019 auf Netflix und wurde kurz darauf von dem Streamingdienst im Zusammenschluss mit CBC abgesetzt. Es blieben also zehn weitere Folgen, um die Geschichte zu einem runden Abschluss zu bringen. Dass Produzentin Moira Walley-Beckett vielleicht etwas zu ambitioniert mit ihren Vorstellungen der Thematiken, die sie zu bearbeiten gedachte, war, entfaltet sich vor allem in der letzten Staffel, die aus Zeitgründen und einer geringen Anzahl an Folgen nicht alle so bearbeiten konnte, wie gewünscht.


Amybeth McNulty, die schon in den vorangegangen Staffeln überzeugen konnte, mimt Anne auch weiterhin mit viel Herzblut und spiegelt die pubertären Schwierigkeiten des nunmehr sechzehnjährigen Charakters vortrefflich wider. Ein Charakter, den Walley-Beckett auch in ihrer Umsetzung als Vorbild für Anne einführt, ist die neue Lehrerin von Avonlea Miss Muriel Stacy (Joanna Douglas, Standoff).  Eine Witwe, die die gesellschaftlichen Konventionen ablehnt, "Männer"-Hosen trägt und sich durch einen unorthodoxen Lehrplan keine Freunde in der Nachbarschaft macht. Anne sieht dabei in Miss Stacy eine Figur, der sie gerne nacheifern möchte und die ihre fortschrittlichen Gedanken teilt (anders, als ihre häufig zurückgenommene Ziehmutter Marilla Cuthbert).

Das Frauenbild der damaligen Zeit ist wieder ein zentraler Dreh- und Angelpunkt und auch Annes Busenfreundin Diana Barry (Dalila Bela, Supernatural) stößt erstmals an ihre Grenzen in der eigenen privilegierten Familie: Ein Studium für sie in Queens (welches auch Anne anstrebt) wird nicht befürwortet - folgsame junge Frauen, die als einziges höheres Ziel die Heirat mit einem Mann von gutem Stande anstreben sollen, liegen immer noch an der Tagesordnung. 

Ein komplexes Thema, das seit Staffel 1 behandelt wird, gesellt sich zu schwereren, wie Anbandlungen, die in sexuell übergriffigem Verhalten enden, die Aussichtslosigkeit einer Verbindung von zwei Menschen, die verschiedenen gesellschaftlichen Klassen angehören und einem der weitreichensten Fälle von Rassismus und kultureller Unterdrückung - die Residental Schools, die Kinder der indigenen Bevölkerung besuchen sollten. Der Sinn dahinter war ein heuchlerischer Zivilisierungsauftrag der weißen kanadischen Oberschicht. Anne, die sich mit dem indigenen Mädchen Ka'kwet ( Kiawenti:io Tarbell, Beans) anfreundet, deren Familie für die Bewohner von Avonlea und der Umgebung Handarbeit anbietet, schlägt mit einer schmerzlichen Naivität vor, dass Ka'kwet eben jenes kostenlose Internat besuchen soll. Dort wird das indigene Mädchen gezwungen, ihre ursprünglichen Sprachen abzulegen, von ihrer Familie getrennt zu leben und aufzuwachsen, sowie sich den kanadisch-christlichen Gepflogenheiten anzupassen.

Genau dieser Konflikt und diese grausame Wahrheit, die in die Geschichte Kanadas eingebrannt ist, kommt viel zu kurz, während das Beziehungsgeflecht zwischen Gilbert Blythe (Lucas Jade Zumann, Sinister 2) und Anne in fast pathetische ungünstige Zufälle gipfelt und stets im Fokus steht. Dass vor allem dann der Handlungsstrang um Ka'kwet jener ist, der fallen gelassen wird, dürfte für viele, vor allem indigene, Zuschauer, ein Schlag in die Magengrube sein.

Neben diesem bitteren Beigeschmack schafft es die Serie allerdings ihre eigene Stimme zu finden, was in der letzten Staffel sehr bedauernswert ist, obwohl sich das Ende rund anfühlt und man den Eindruck hat, dass man Anne in Queens allein lassen kann - denn sie wird ihren quirligen Weg immer gehen, egal, was man ihr versucht vorzuschreiben oder zu verbieten.

Kritik zu Staffel 1

Kritik zu Staffel 2


Technischer Part

 Die DVD aus dem Hause justbridge entertainment (VÖ: 23. April 2021) kommt als Amaray mit 3 Discs und einem Pappschuber in die Regale. Auf Untertitel müssen Zuschauer verzichten, Deutsch und Englisch sind als Tonspur jedoch in Dolby Digital 5.1 verfügbar.  Auch auf Bonusmaterial wird verzichtet. Das Bild ist klar und kontrastreich in einem Bild-Seitenverhältnis von 16:9.  


Fazit

Lebewohl, Anne. Die finale Staffel von "Anne with an E" schafft den Drahtseilakt einer abgesetzten Serie, die ihre Geschichte noch zu Ende erzählen möchte. Der Schmerz der Zuschauer ist somit kein großer und die Ereignisse fühlen sich rund an, wobei noch einige Frage offen bleiben, deren Klärung sich allerdings nicht obligatorisch anfühlt.

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