Bildnachweis: © STUDIOCANAL| Poster aus "American Gods

"American Gods" - Staffel 1 - Kritik

von Thomas Söcker

Kritik

Mit Hannibal hat Showrunner Bryan Fuller vor ein paar Jahren eindrucksvoll bewiesen, dass man berühmte Filme mit Hilfe einer eigenen Vision und einer Extraportion Kreativität gelungen fürs Fernsehen adaptieren und sowohl Neulinge wie auch Fans der Vorlage gerecht werden kann. Als bekannt wurde, dass Fuller auch am langen Hebel der TV-Adaption von Neil Gaimans Roman American Gods sitzt, war der positive Aufschrei daher zurecht groß. Denn obwohl sich Gaimans Roman durch eine starke Episodenstruktur für eine TV-Adaption durchaus anbot, war es gerade das sperrige und eigenartige Narrativ, das viele Autoren vor Probleme stellte. Fulller, mit seinem Hannibal-Hintergrund, schien jedoch genau der richtige Mann zu sein, sowohl der narrativen Eigenart des Buches als auch dessen Geist wirklich gerecht zu werden. Und am Ende der ersten Season kann man selbstbewusst behaupten: die Symbiose aus Gaiman und Fuller geht auf und präsentiert uns eine gelungene, eigene Version der Vorlage, die den Geist jener aus jeder Pore atmet. Nur das narrative Handling der ersten 8 Episoden fällt ab und an etwas ab. Seit dem 27.07.2017 ist nun American Gods - Staffel 1 auf DVD/BD im Handel erhätlich. Wir haben einen Blick riskiert.

Wie nach den Trailern vermutet, ist es besonders der visuelle Stil, der American Gods auszeichnet. Was Fuller und Freunde hier auf den TV-Bildschirm bringen, hat in Sachen inszenatorischer Kreativität und visueller Wucht vielen derzeitigen Kinofilmen einiges voraus. Wie schon bei Hannibal schrapt die Inszenierung dabei zwar ab und zu an der Grenze zur prätentiösen Inhaltslosigkeit entlang, zum Großteil entfaltet sich die Magie der Inszenierung aber absolut wirksam und zieht den Zuschauer gewaltsam in seine Welt. Jene Gewalt ist es dann auch, die hier eine besondere Ästhetisierung erfährt: das Blut spritzt so kunstvoll aus den Arterien, Gliedmaßen werden so feinsäuberlich von Körpern getrennt, dass das beinahe schon vergessen lässt, dass der Extrafokus auf gewaltgeilen Einstellungen für die Serie eigentlich unnötig ist.

Doch nicht nur die Inszenierung stimmt hier zum Großteil und entführt in eine ganz eigene, fantastische Welt, auch der Look überzeugt. Ab und an mag der ein oder andere Greenscreen negativ auffallen, sonst durften sich Set- und Kostümdesigner hier in bester Manier austoben. Herausgekommen ist ein visuelles Kunstwerk, das mit seiner Detailverliebtheit mehr als einmal beeindrucken darf. Ebenso wie die Darsteller:

Ian McShane
(Der Spion und sein Bruder) hat einen Heidenspaß seine zwielichtige Figur Mr. Wednesday zu verkörpern, während sonst vor allem Pablo Schreiber (Weeds) als Mad Sweeney, Gillian Anderson (Akte X) als Media und Ricky Whittle (The 100) als Shadow Moon in ihre Rollen überzeugen dürfen. Gerade Whittle verleiht seinem Shadow eine emotionale Ebene, die das Buch bei ihm vergaß, was dazu führt, dass man Whittles Figur sogar als Weiterentwicklung zum Buch bezeichnen kann. Der Rest des Ensembles ergibt sich dem exzentrischen Over-Acting in solch ausschweifender Manier, dass es teilweise einfach nur Spaß macht den Darstellern bei ihren Schauspiel-Eskapaden zuzuschauen.

Doch natürlich kommt diese Adaption nicht ohne Veränderungen zur Vorlage aus. Wie viele Staffeln American Gods umfassen soll, ist scheinbar noch nicht komplett geklärt (Gerüchte besagen, es sollen fünf sein), doch selbstverständlich müssen im Zuge der Streckung viele Plotpoints ausgeweitet oder verändert werden. Dem Geist der Vorlage bleibt die Serie trotzdem stets treu. Vor allem die ersten 3 Episoden sind dem Roman unheimlich nah, erst danach wird sich auf teils stark divergierende Plotlines konzentriert. Und mag das zunächst natürlich kein Problem sein, verliert die erste Staffel von American Gods mit der Zeit ein wenig ihren Fokus. Den Machern gelingt es nicht hundertprozentig die episodenhafte Struktur der Vorlage aufzubrechen und einen befriedigenden Spannungsbogen über Staffel 1 zu legen. Das führt dann dazu, dass neue Charaktere eingeführt werden, die keinen Zweck verfolgen zu scheinen und Storybögen begonnen werden, die nicht einmal im Ansatz eine Auflösung erfahren. Gerade im Rückblick fragt man sich, warum Staffel 1 teilweise so viel Zeit an Nebenschauplätzen zugebracht und die Hauptstory dafür in den Hintergrund gedrückt hat, wenn diese doch nach den ersten 8 Folgen reichlich sinnfrei erscheinen. Hier hat man das Problem, American Gods noch nicht als Gesamtwerk bewerten zu können. Staffel 1 endet aufgrund dieser narrativen Probleme (die sich teilweise wie fuller’scher Füller anfühlen) relativ unrund.

Fazit

Bryan Fullers Adaption von Neil Gaimans Roman "American Gods"  kann insgesamt als gelungen gewertet werden. Gerade in puncto Inszenierung und Look gelingt den Machern eine Ausnahmeserie, die es, trotz der eigenartigen Vorlage, immer schafft den Geist des Originals zu wahren. "American Gods" wird so primär zu einem audiovisuellen Erlebnis, über das man weniger nachdenken, sondern das man erleben soll. Über das teils etwas holprige, unfokussierte Narrativ kann das aber leider nicht immer hinwegtäuschen, was zu einer leichten Trübung des Gesamtbildes führt. Dass "American Gods" nach wie vor das Zeug hat in zukünftigen Staffeln etwas ganz Besonderes zu werden, steht, allein schon wegen des grandiosen Casts, aber außer Frage. 

P.S: Weitere Worte zu American Gods gibt's noch in meiner Videokritik. 


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