Dieser thematisch und emotional hochsensible Indie-Film von Regisseur Mike Cahill aus dem Jahr 2014 regt zu Diskussionen an. Nach dem Verlassen des Kinos wird er die Geister der Zuschauer auf thematischer Ebene scheiden, obwohl er sie für knapp zwei Stunden auf der Gefühlsebene zusammengebracht hat. Denn I Origins – Im Auge des Ursprungs beschäftigt sich mit einer wichtigen Frage der grundsätzlichen Lebenseinstellung des Menschen: Glaube ich ausschließlich an die harten Fakten der Wissenschaft oder existiert eine spirituelle Welt?
Der Film konfrontiert seinen Hauptcharakter, den Wissenschaftler Ian Grey, mit spirituellen Ansätzen und religiösen Denkweisen. Damit wirft er einen brisanten Konflikt auf, der nicht nur das Leben der Filmfiguren durcheinander wirbelt, sondern auch den Zuschauer zum Nachdenken anregt. Der Zuschauer wird gedanklich in den Bann gezogen und nebenbei von den Schicksalsschlägen der Hauptperson emotional durchgerüttelt. Dabei umgeht der Film aber glücklicherweise die Tücken von gekünstelter Dramatik und Seifenoperatmosphäre. In klaren, minimalistischen Bildern sticht einerseits die Sachlichkeit des Wissenschaftlers und andererseits die künstlerische Kreativität der spirituellen, sensiblen weiblichen Figur durch. Es ist wahnsinnig spannend, dem Wissenschaftler bei seinen Forschungen zuzusehen und mindestens genauso packend, ihn in der Konfrontation mit der Spiritualität zu begleiten. In keinem Moment seiner Handlung übertreibt der Film: Die Trauer nach Sofis Tod wird in behutsamer Dramatik gezeigt und der Aufenthalt in Indien entpuppt sich nicht als Bollywoodtrip mit spirituell-religiöser Auflösung des thematischen Konflikts.
Die Darsteller gehören nicht zu der ersten Riege Hollywoods, was dem Film aber eine wunderbare Frische verleiht. Michael Pitt ist einfach großartig als kompromissloser Wissenschaftler, unsterblich Verliebter und abgekämpfter, in die Jahre gekommener Ehemann. Er macht eine rasante Entwicklung durch, die ihm ins Gesicht geschrieben steht. Astrid Bergès-Frisbey ist als naive, abenteuerlustige, intelligente Schönheit ebenfalls beeindruckend. Obwohl Brit Marling als ehrgeizige Laborpartnerin und später als Ians Ehefrau noch etwas mehr Respekt verdient. Zusammen mit einigen unvergesslichen Bildkompositionen prägt sich auch die dezent verwendete Filmmusik ein.
Der einzige Haken bei I Origins – Im Auge des Ursprungs ist das leicht enttäuschende Ende, welches etwas zu plötzlich kommt und ein unzufriedenes Gefühl hinterlässt. Nichtsdestotrotz ist der Film ein nahezu geniales Werk, das Seinesgleichen sucht. Am Schluss geht es nicht um den weltverändernden wissenschaftlichen Beweis, sondern um die persönliche Überzeugung. Das ist, auch wenn ein paar Szenen mehr zur Verdeutlichung gut getan hätten, eine starke Botschaft und eine exzellente Auflösung des Ganzen!