Sean Baker und sein Herz für (soziale) Außenseiter. Ein Weihnachtsfilm der etwas anderen Sorte, dafür sorgt allein die brodelnde Hitze auf den Straßen von Los Angeles. Der erste Kinofilm, der ausschließlich mit iPhones gedreht wurde. Eine Tatsache, die entgegen vieler Stimmen keine bloße Randnotiz sein sollte, sondern als essentielle Grundlage des Werkes fungiert. Weniger deswegen, weil das minimalistische Budget an sich beeindruckt, sondern vielmehr, weil die damit verbundene Ästhetik ausschlaggebend für die Wirkung des Films ist. Tangerine berichtet nicht bloß von seinem Milieu, er geht ganz und gar darin auf. Nichts wirkt aufgesetzt oder gar künstlich, Sean Bakers Authentizität ist seine größte Stärke. Dass die poppig grellen und von Farbe durchfluteten Bilder dabei an Instagramfilter erinnern, ist nur konsequent. Hektisch und schnell, vom Rhythmus einer Stadt getrieben, die nie schläft. Tangerine macht es seinen Zuschauern zu Beginn schwer. Eine Odyssee im transsexuellen Gewand, getrieben von Zuhältern und Drogen, Handjobs im Auto und gestohlenen Zigaretten. Die (sexuelle) Identität wird nicht verhandelt, sie ist den Figuren schlichtweg gegeben. Figuren, die man leicht verachten könnte. Figuren, die an den Nerven zerren. Figuren, denen Baker sich annimmt – und dadurch wird sein Mitgefühl schnell unser eigenes. Fulminant kulminieren die Ereignisse dort, wo sie auch angefangen haben. Im Donutladen um die Ecke, vorbei am Tresen der geplatzten Träume. Zunehmend tragischer lodert im Zentrum von Tangerine ein empathischer Kern, der entgegen jedem Rausch etwas zutiefst Emotionales, vielleicht sogar Sentimentales zum Ausdruck bringt. Letztlich vielleicht doch ein typischer Weihnachtsfilm, denn im Mittelpunkt steht die Familie. Nicht immer die natürliche, sondern gerne auch die selbstgewählte.