10 queere Dokus, die ihr nach dem Pride Monat gucken solltet

von Lida Bach

Pride Month ist vorüber, die Regenbogen-Hintergründe sind wieder aus den Social Media Profilen gelöscht und die Firmen nehmen ihre bizarren Produkt-Sonderserien, von deren Erlös sie 0,05% an eine hastig vom Praktikanten gegoogelte Organisation gespendet haben, wieder aus dem Sortiment. Damit der Start in die elf Folgen Straight Month leichter fällt, gibt es zum Abschied eine Top Ten. Ihr wusstet nicht, dass Pride Month ist? Dann lohnt sich umso mehr der Blick auf diese Liste mit sehenswerten LGBTQIA+ Docs der letzten Jahre. 

Lidanoir findet die IKEA-Tragetasche in Regenbogenfarben nicht besser 

10: The Stroll

So sehr D. Smiths Doku Kokomo City der Erfolg gegönnt sei, überschattete er leider auch Kristen Lovells und Zachary Druckers urbane Collage. Die zeichnet aus der Perspektive Schwarzer trans Frauen die Geschichte New Yorks berüchtigten Meatpacking Districts nach und verknüpft dabei melancholische Memoiren mit einem schillernden Stück Millieu-Historie. Expressive Schwarz-Weiß-Bilder suchen in  dem titelgebenden Viertel nach den Spuren einer von Gentrifizierung bedrohten Vergangenheit, die in den Erinnerungen der Protagonistinnen lebendig wird. 


9: Every Body

Ja, Julie Cohens tabubrechende Mischung aus sozial- und medizingesschichtlicher Chronik und persönlichen Porträts war bereits auf meiner Liste filmischer Geheimtipps des letzten Jahres und ich werde sie immer wieder empfehlen. Nicht nur, weil es zum Thema Intersexualität kaum Filme gibt. Die mit ebenso viel Witz wie Sensibilität und Hintergründigkeit inszenierte Doku zeigt die - wie so oft gesellschaftlich geschaffenen - Herausforderungen intersexueller Menschen, aber auch die beispielgebende Selbstbehauptung der vorgestellten Persönlichkeiten. 

8: Circus of Books

Mit Witz, Warmherzigkeit und Widerstandsgeist behaupteten sich Karen und Barry Mason über drei Jahrzehnte in West Hollywood als die Institution in Sachen schwuler Pornografie. Ihr Laden entwickelte sich zu einem Szene-Anlaufpunkt, wo die Community in Krsienzeiten halt fand. Als Tochter des Besitzer-Paares profitiert Regisseurin Rachel Mason quasi von Exklusivzugang zur Materie ihrer humorvollen Hommage an ein ungewöhnliches Unternehmen und die Power of Porn.


7: Are You Proud?

In ihrem ambitionierten Aktivismus-Rapport resümiert Ashely Joiner die historischen Marksteine des LGBTQIA+ Kampfs um Gleichberechtigung und Akzeptanz und konfrontierte die gegenwärtige Generation dabei auch mit unbequemen Fragen. Das gehört die nach der wachsenden Kommerzialisierung von Protestveranstaltungen, das Neuerstarken queerfeindlicher Gewalt sowie Intoleranz innerhalb der Szene. Sehr viel Material für eine einzelne Doku, die womöglich besser eine Mini-Serie geworden wäre, aber trotzdem eine Reihe relevanter Themen aufwirft.

6: Disclosure: Trans Lives on Screen

Serienkiller, Spott-Zielscheiben, Sexobjekte, Skandalfiguren: Die Darstellung von trans Menschen im Film war und ist zum Teil bis heute geprägt von Ablehnung, Abwertung und Ausblendung.  Entscheidend mitverantwortlich dafür ist die Diskriminierung innerhalb der Branche. Während cis Schauspielende für trans Rollen mit Lob und Preisen überhäuft werden, müssen ihre trans Kolleg*innen um ihren Platz auf der Leinwand kämpfen.  Gespickt mit fesselnden Interviews von Aktivist*innen und Filmschaffenden, betrachtet Sam Feders Doku anhand von Archivmaterial aus bekannten und unbekannten Werken Hollywoods problematische Beziehung zu trans Charakteren, fiktiven und realen. 

5: Rock Hudson: All That Heaven Allowed

Für Film-Fans ist der differenzierte Rückblick auf die schillernde Karriere eines der größten Stars Hollywoods Goldener Ära sowieso ein Muss.  Die Diskrepanz zwischen Leinwand- und Liebesleben des für seine braven Romantikkomödien mit Filmpartnerin Doris Day bekannten Posterboys ist exemplarisch für das für viele prominente Personen damals selbstverständliche Doppelleben. Mit dem war Schluss, als sich Anfang der 80er seine schwere Krankheit nicht mehr verbergen ließ und zu einem doppelten Coming out zwang.

4: Changing the Game

Nein, das ist nicht die ganz ähnlich betitelte Athleten-Ad für vegane Ernährung. Mit deutlicher politischer Direktive stellt Michael Barnett drei junge Sporttalente aus unterschiedlichen US-Bundesstaaten vor, die in ihrer jeweiligen Disziplin nicht nur gegen die Konkurrenz antreten müssen, sondern gegen eine uneinheitliche, uneinsichtige Gesetzgebung. Denn Sarah, Mack und Andraya sind trans, was sie in einem streng binären Wettkampfsystem vor institutionelle und individuelle Hürden stellt. Das oberste Ziel ist nicht siegen, sondern Authentizität und Fairness in einer von überholten Genderbildern geprägten Branche keineswegs selbstverständlich. 

3: Queer Planet

Dass Queerness nichts Unnatürliches ist, muss hoffentlich niemandem mehr erklärt werden. Trotzdem herrscht unverändert der Irrglaube vor, Heterosexualität und eine binäre Geschlechteraufteilung in männlich und weiblich sei im Tierreich die Norm und Abweichungen davon ein ausschließlich menschliches Zivilisationsverhalten. Amüsant und informativ vermitteln die Wissenschaftler*innen der mit vielfältigen biologischen Beispielen aufwartenden Natur-Doku, dass es tatsächlich genau andersrum ist. 

2: The Andy Warhol Diaries

Nachdem Andy Warhol 1968 von Valerie Solanas angeschossen und schwer verletzt wurde, begann er die tagebuchartigen Diktaten, die Andrew Rossi als Grundlage seiner semi-dokumentarischen Mini-Serie dienten. In sechs Folgen sinniert der ikonische Pop-Art-Star, dessen Stimme mit Hilfe von AI rekreiert wurde, über seine Laufbahn, seine romantischen Beziehungen zu Jed Johnson und Jon Gould sowie seine kreative Freundschaft mit dem jung verstorbenen Jean-Michel Basquiat. Obwohl die inszenatorische Interpretation nicht immer optimal ist, bleibt die Faszination Warhols als Mensch und selbstgeschaffene Kunstfigur ungebrochen.  


1: Outstanding: A Comedy Revolution

Ausgerechnet Standup Comedy, die sich historisch als progressives Podium einer Unterhaltungskultur jenseits bigotter Beschränkungen inszenierte, war und ist zum Teil bis heute buchstäblich eine Bühne für Ressentiments und Reaktionismus. Doch diese negative Facette ist nur ein kleiner Teil der turbulenten Geschichte queerer Comedy, die Comedian und Dokumentarfilmerin Page Hurwitz nachzeichnet. Archivmaterial und Interviews mit Szene-Stars liefern einen furiosen Einblick in den Revolutionen Einfluss queerer Komik. Gelungene Gags inklusive. 

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