Ein Film wie XOXO wäre gar nicht nötig gewesen, denn Harmony Korine (Trash Humpers) hat ihn mit Spring Breakers bereits gedreht. In seinem wild funkelnden Popkultur-Bonbon hat Korine die Befindlichkeiten der aktuellen Jugendgeneration auf geniale Weise eingefangen. Je nachdem, wie man den Film persönlich interpretieren mag, ist Spring Breakers wahlweise eine mahnende Anklage und überspitzte Satire des leeren Lebensgefühls einer unbekümmerten, verschwenderischen Spaßgesellschaft oder ein intimes. zutiefst verständnisvolles Porträt von Jugendlichen, die inmitten des von Beats und Neon-Lichtern durchfluteten Party-Rausches endgültig zu sich selbst finden. Christopher Louie scheitert mit seinem vermutlich ebenfalls als Generationenporträt der momentanen Smartphone- und EDM-Kultur angedachten Werk XOXO jedoch auf ganzer Linie.
Der Film ist kaum mehr als oberflächliches Abfeiern eines sinnlosen Lebensgefühls, bei dem naive Weisheiten, kitschige Plattitüden und entnervende Dauerbeschallung im Vordergrund stehen. Der Regisseur schickt sechs verschiedene Charaktere auf das XOXO-Festival in Portland, das auch real existiert. Während die reale Version eher eine Art Veranstaltung ist, die sich selbst als experimentelle Konferenz bezeichnet, auf der neuartige Technologien und Kunst vorgestellt werden, ist das XOXO in Louies Film kaum von einem Festival wie "Tommorrowland" zu unterscheiden, bei dem unterschiedliche DJs vor breiter Masse auflegen. XOXO ist so etwas wie das filmische Äquivalent zur Top 50 Deutschland Chartliste von Spotify. Vollgestopft mit seichten Mainstream-Songs, die jeder, der sich ernsthaft für Musik interessiert, kaum ertragen dürfte und schon unzählige Male im Radio hören musste, wobei ein simpel komponierter, lieblos produzierter Song dem anderen gleicht und immer nach dem selben Muster gestrickt ist.
Die Figuren in diesem Werk kommen über bloße Abziehbilder nicht hinaus und sind kaum mehr als Verkörperungen von glatten Stereotypen, die das titelgebende Festival aus unterschiedlichen Absichten besuchen. Einer von ihnen ist beispielsweise Ethan, ein Youtube-Star, dessen großer Hit über 1.000.000 Klicks verzeichnen konnte und der jetzt überraschenderweise einen Platz zum Auflegen auf dem Festival bekommen hat. Wie XOXO Ethan fast schon als modernen Helden stilisiert, der die Herzen der Massen im Sturm erobern kann, solange er nur auf sein eigenes Herz hört, wahre Freundschaften erkennt und auf dem Podium einige Regler verschiebt, grenzt an reine Parodie, auch wenn einem schnell klar wird, dass Louie seinen mit hektischen Schnitten, blinkenden Lichtern sowie bunten Farben getriebenen Film tatsächlich ernst meint.
Auch die Motive der anderen Figuren sind an seichten Belanglosigkeiten kaum noch zu steigern. Krystal ist ein schrill geschminktes, gutaussehendes Mädchen, das die meiste Zeit Nachrichten an ihren großen Schwarm verschickt, um ihn auf dem Festival endlich wiederzusehen, während sie nicht bemerkt, dass er vielleicht gar nicht der Richtige für sie ist. Shannie und Ray sind ein Paar, das auf eine Krise zusteuert, nachdem Shannie einen Job in New York angeboten bekommt und dafür weit weg ziehen müsste. Und dann ist da noch Tariq, der nicht nur Ethans Freund, sondern auch sein Manager ist. Als er bei XOXO ankommt, entwickelt sich seine Suche nach Ethan jedoch zu einem Chaos, nachdem ihm eine Festivalbesucherin per Zungenkuss LSD verabreicht und Tariq dadurch in einen absurden Drogentrip stürzt, Toiletten-Referenz an Danny BoylesTrainspotting - Neue Helden inklusive.
Keine der Figuren ist auch nur ansatzweise sympathisch, es entsteht das Gefühl, dass sich der Regisseur selbst keine Minute lang für sie interessiert und als Zuschauer fragt man sich, was einem XOXO überhaupt vermitteln will, abseits von hektischen Musikvideo-Montagen, platten Klischees und peinlichen Floskeln, die sich gut auf einer kitschigen Postkarte aus dem Urlaub machen würden.