Es hat immer etwas Verlockendes, sich den Reizen des Kinos vor allem auf audiovisueller Ebene hinzugeben. Dem Medium Film, das seit etwas über 100 Jahren existiert, wird gerne hin und wieder zur Last gelegt, dass sämtliche Geschichten längst erzählt seien und die Handlung in Drehbüchern oftmals lediglich eine leicht abgewandelte Variation eines vertrauten Szenarios darstellen würde. Dieser Vorwurf greift allerdings zu kurz und wird der Magie des Kinos nicht gerecht, denn die Kunstform Film ist insofern einzigartig, als dass sie ihre Kraft primär durch die Verbindung von Bildern und Tönen entfaltet und hierdurch so viel mehr erreichen kann als einfach nur Geschichten zu erzählen.
Diesem Ansatz, das Kino vor allem als sensorische Erfahrungsmöglichkeit zu begreifen, folgen auch Kate und Laura Mulleavy in ihrem Regiedebüt Woodshock. Die beiden Schwestern waren bislang unter dem Label Rodarte in der Öffentlichkeit bekannt, wo sie als Modedesignerinnen Kleidungsstücke und Accessoires kreierten. Neben Ausstellungen und einer Reihe von Awards kamen die Schwestern durch ihre Profession ebenfalls mit der Filmindustrie in Berührung, indem sie beispielsweise für Darren AronofskysBlack Swan an den Entwürfen der Kostüme beteiligt waren. Ihren ausgeprägten Sinn für formschöne Ästhetik, der im Beruf der Mulleavys oberste Priorität erhält, übertragt das Duo konsequenterweise auch auf ihren Einstand als Filmemacherinnen.
In Woodshock geht es um die von Kirsten Dunst (Marie Antoinette) gespielte Theresa, die bei ihrer eigenen Mutter zu Beginn des Films Sterbehilfe leistet. In gegenseitigem Einverständnis präpariert die Mitarbeiterin eines Geschäfts, in dem medizinisch verschriebenes Marihuana verkauft wird, ihrer Mutter einen Joint, den sie neben der eigentlichen Droge mit einem Giftstoff anreichert, der die totkranke Frau endgültig von ihrem Leiden erlösen soll. Das Vorhaben gelingt und Theresa bleibt als gebrochener Mensch zurück, der in eine Art depressiven Trauerzustand verfällt und daran zu zerbrechen droht, den mitverschuldeten Tod der eigenen Mutter zu verarbeiten.
Die Regisseurinnen inszenieren diesen Auftakt hingegen mit einer sedierenden Qualität, bei der die elegischen, weichgezeichneten Bilder den Anschein erwecken, als befänden sich die einzelnen Szenen des Films in einem schummrigen Dämmerzustand zwischen Traum und Realität. Die Protagonistin scheint im weiteren Verlauf der Handlung, die sich folglich kaum als solche bezeichnen lässt, immer stärker mit ihrer Umgebung zu verschmelzen, bis sie selbst kaum noch als konkrete Person wahrnehmbar ist und im surrealen Fluss der Inszenierung zum kryptischen Objekt transformiert wird. Bezeichnend hierfür ist eine Szene, in der sich Theresa im Badezimmer in einen durchsichtigen Duschvorhang einrollt. Als würde sie ihre eigene menschliche Form hinter sich lassen wollen, wirkt Theresa für diesen kurzen Moment wie ein Insekt, das sich in einen Kokon verpuppt hat, um eine neue Gestalt erreichen zu können.
In dieser handwerklichen Vorgehensweise offenbart sich zugleich die große Schwäche des Werks. Trotz hypnotischer Einstellungen strahlt Woodshock nichts als inhaltliche Leere aus und ist aufgrund der fehlenden Charakterzeichnung sowie langsam vor sich hin fließenden Erzählweise kaum mehr als ein ästhetisch hochwertig gefertigtes Vakuum. Selbstverständlich ist ein Film wie dieser in erster Linie als eigenwilliges Kunstwerk aufzufassen, das sich jedem Zuschauer auf völlig andere Weise erschließen kann. Dem Debüt der Mulleavys fehlt es aber trotzdem an der nötigen Radikalität. Sobald sich die Schwestern voll und ganz auf die einhüllende Ausstrahlung ihrer fremdartigen Impressionen verlassen, erscheinen manche Einstellungen so, als würde der Zuschauer durch ein Prisma blicken, das die Bilder in funkelnde Fragmente aufbricht.
Neben verspielten Stilmitteln, bei denen Theresa mitunter in Doppelbildern der Realität entgleitet, sind die Regisseurinnen aber auch an konventionelleren Erzählmustern interessiert, die nie mit der angestrebten Surrealität zusammenfinden. Theresas Partner, der mit ihr gemeinsam im Haus der verstorbenen Mutter mitten in den Wäldern Kaliforniens leben will, bleibt ebenso ein vage angerissenes, einseitig beleuchtetes Kuriosum wie Theresas Chef, der ungefähr im gleichen Alter wie sie ist. Zwischen den beiden deuten die Mulleavys eine zwischenmenschliche Dynamik an, die bestenfalls Behauptung bleibt und wiederholt angerissen, aber nie zufriedenstellend ausformuliert wird. Auch die Hauptdarstellerin, die unter anderem in Lars von Triers Meisterwerk Melancholia verschiedene Facetten einer an Depressionen leidenden Frau herausragend verkörperte, bleibt kaum mehr als ein hohles Gefäß sowie bloßes Mittel zum Zweck der ästhetischen Ambitionen des Regie-Duos.
Spätestens in der zweiten Hälfe, in der sich Theresa nach einem weiteren tragischen Zwischenfall dazu entschließt, die tödliche Kombination aus Droge und giftigem Wirkstoff in kleineren Dosen selbst zu konsumieren, verkommt Woodshock endgültig zu einer prätentiösen Aneinanderreihung schön anzusehender Bilder wie aus einem Modekatalog oder Parfüm-Werbespot. Dunst, die im ständigen Wechsel in verschiedene Kleidungsstücke der Mulleavys schlüpfen darf, ist das ausdruckslose, apathische Model, das zu flachen Vorführzwecken in ein gleichermaßen betörendes wie irritierendes Delirium entschwindet, dem die wenigsten Zuschauer noch aufmerksam folgen dürften.