Einem stetig schäumenden Quell des magischen Eskapismus gleich, durften wir uns in Steven Spielbergs cineastischen Sternstunden mit Haut und Haaren vergessen, fremdartige Welten entdecken (= erfahren), neue Freunde ins Herz schließen, dicke Tränen vergießen, die noch aus einem ehrlichen Hang zur Sentimentalität gebiert wurden. Nach „Jurassic Park“ aber schien es so, als hätte Spielberg das emotionalisierte Träumen aufgegeben und ein gewisses Maß an energischer Kindlichkeit eingebüßt, der seinen Filmen doch erst Flügel verliehen hat. Natürlich inszenierte der New-Hollywood-Titan immer wieder außerordentlich gute Streifen,„Minority Report“und „Catch Me If You Can“ sind nach dem Jahre 1993 besonders zu erwähnen, doch die sinnliche Unbeschwertheit, der Lust an der betörenden Überwältigung, die die Augen vor Staunen gar nicht weit genug aufreißen lassen konnte, schien weitestgehend abhandengekommen. Es erscheint an dieser Stelle auch wie eine logischer Schlussfolgerung, das „Krieg der Welten“, der wahrscheinlich nihilistischste Spielberg, in einer ungeahnten Größe auf den Zuschauer einschlägt.
Ungeahnt, weil er sich inszenatorisch keinesfalls hinter den Klassikern des Meisters verstecken muss, in der Tonalität aber vorerst in eine ganz andere Richtung schwimmt: „Krieg der Welten“ nämlich ist eine aus allen Rohren pfeifende Angst-Maschine, die es sich nicht nehmen lässt, die Zuschauerschaft mehrere Male in voller Gewalt zu überrollen. Irgendwo in New Jersey verdient sich Kranführer Ray (Tom Cruise, „Live. Die. Repeat. – Edge of Tomorrow“) sein täglich Brot. Mit der Familie läuft es nicht ganz so rund, von seiner Frau getrennt, sieht er seine beiden Kinder Robbie (Justin Chatwin,„Shameless“) und Rachel (Dakota Fanning, „Night Moves“) nur noch selten – Offensichtlich ist er noch in der Lage, Verantwortung zu zeigen. Und wie es sich für einen Film von Steven Spielberg geziemt, darf dieser Topos oberste Priorität inne tragen: Der kräftezehrende Weg zum Erwachsenen. Interessant ist das an dieser Stelle, weil es eben keinen Jugendlichen trifft, der momentan den Irrungen und Wirrungen der Adoleszenz erliegen muss, sondern einem Mann mittleren Alters.
Ray muss lernen, dass Vater zu sein nicht nur bedeutet, sich ab und an einen Baseball im Garten zuzuwerfen, die Umstände für diesen Lernprozess sind denkbar katastrophal: Inmitten des Zusammenbruches jedweder zivilisatorischen Struktur, sehen wir einen Tom Cruise, der gezwungen wird, permanent das Undenkbare in sich aufzusaugen: Die minutiöse geplante Invasion einer außerirdischen Spezies nimmt Form an und bohrt sich aus dem Erdboden. Wie Steven Spielberg diesen Umsturz in Szene gießt, von familiären, gerne mit ironischem Zwinkern versehenen Zwistigkeiten, hin zum apokalyptischen Panik-Szenario, geschieht in einer rigorosen Zäsur, wie sie bedrängender kaum sein könnte und prophezeit gleichwohl, dass der Regisseur seinen künstlerischen Zenit offensichtlich noch lange nicht überschritten hat. Blitze feuern repetitiv aus der sich unheilvoll zusammenbrauenden Himmeldecke, was erst noch als „cooles“ Naturspektakel verstanden wird, ist in Wahrheit der initiierende Beginn des Unvorstellbaren. Wo andere Filmemacher sich auf eine herzlose Materialschlacht beziehen würden, fungiert Spielberg weitaus geerdeter, sucht die effektiven Anschlussstellen kollektiver Angstzustände.
Der Spielberg'sche Gigantismus steht nicht für den Selbstzweck, und die großartigen Effekte erbauen sich nicht um Superstar Tom Cruise herum, sondern setzen ihn mitten hinein, direkt ins Herz der Finsternis. Die beklemmenden Fotografien, die Janusz Kaminski für diese Vision der Ausrottung findet, fräßen sich ins Gedächtnis: Die zu Staub zerfallenden Menschen, die Kleidungsstücke, die durch die Lüfte wehen, die Leichen, die den Fluss hinabtreiben, der in Flammen stehende Güterzug – und natürlich eine Familie, die nicht nur die aggressiven Ausmaße der neidvollen Ungeheuer aus den dunkelsten Winkeln des Weltalls erleiden, sondern auch die Verschüttung moralischer Etikette ihresgleichen. Dass die Impressionen des Grauens nicht zufällig tief in der Post-9/11-Gesellschaft verwurzelt sind, intensiviert das Geschehen umso mehr. Dass sich am ruckartigen Ende allerdings dann doch noch Spielbergs harmoniesüchtiger Knüppel aus dem Sack springt, verleidet den defätistischen Gesamteindruck marginal. Nichtsdestotrotz hat Steven Spielberg hier wohl einen der eindrucksvollsten Sci-Fi-Filme der letzten Jahre gedreht, nicht zuletzt dank seiner ungemein destruktiven Poesie, die sich in so manch erschütterndem Frame entlädt.