Inhalt
Französisches Krimidrama um einen ehemaligen Gangster, der sich und seine Frau durch einen Gefängnisausbrecher bedroht sieht und keine andere Möglichkeit mehr sieht, als sich Hilfe aus dem alten Milieu zu holen.
Kritik
Mickey (Gérard Depardieu, Welcome to New York) und Serge (Pierre Forget, Der Profi) brechen gemeinsam aus dem Gefängnis auf. Auf der Flucht tötet Mickey in der Hitze des Gefechtes einen Polizisten und Serge wird bei einem Hinterhalt rachsüchtiger Gangster – in den sie Mickey’s drogensüchtiger Freund Ricky gelockt hat - schwer verwundert. Sie suchen Unterschlupf bei Serge’s ehemaligen Bandenmitglied Noël (Yves Montand, Lohn der Angst). Dieser hat die krummen Geschäfte lange hinter sich gelassen und betreibt nun mit seiner Gattin Nicole (Catherine Deneuve, Die letzte Metro) ein Gestüt. Dennoch gewährt er den beiden Männern Unterschlupf. Als Serge stirbt und die Polizei auf dem Hof auftaucht, glaubt Mickey, Noël hätte ihn verpfiffen. Ein folgenschwerer Irrtum, der eine fatale Ereigniskette nach sich zieht.
Mit Wahl der Waffen weckt Regisseur & Co-Autor Alain Corneau (Nächtliches Indien) nicht nur Erinnerungen an den klassischen Film Noir, sondern lässt das französische Gangsterkino der 60er & 70er Jahre wiederaufleben. Beinah wirkt sein Film wie ein großer Abgesang, wie ein Spät-Western eines anderen Genres. Dafür versammelte er mit Yves Montand, Gérard Depardieu und Catherine Deneuve drei der größten Stars ihrer Zeit vor der Kamera und lässt sie in eine düstere wie tragische Geschichte um Vergeltung und Vergebung eintauchen. Jean-Pierre Melville (Vier im roten Kreis) lässt dabei eindeutig grüßen. Fast mehr Charakterstudie und Psychodrama denn Kriminalfilm stehen hier die hervorragend geschriebenen, vielschichtigen Figuren verstärkt im Fokus. Keine von ihnen ist eindimensional und die Beweggründe für ihre Taten erscheinen aus ihrer Perspektive immer schlüssig, auch wenn sie sich damit natürlich unweigerlich auf den Abgrund zubewegen. Der hitzköpfige Mickey ist im tiefsten Inneren eigentlich nur ein einsamer und von Schuldgefühlen geplagter Mann, den seine unkontrollierten Kurzschlusshandlungen immer wieder noch tiefer reinreißen. Noël hingegen ist dem Irrglauben erlegen, seine bewegte Vergangenheit für immer begraben zu haben. Sie hat nur geschlafen. Jetzt ist sie erwacht und fordert ihren Tribut. Wer so lange im Geschäft war, kommt nie wieder heraus. Irgendwann ist die Zeit gekommen und egal wie beharrlich er sich dem lange verweigert, mit dem Rücken zur Wand und nichts mehr zu verlieren kommt er erneut zu der titelgebenden Wahl der Waffen.
Was das exzellent durchdachte Skript am Ende besonders veredelt ist nicht nur sein spannender Aufbau und die grandiose Figurenzeichnung: Es ist trotz seiner niederschmetternden Dramaturgie niemals zynisch oder alttestamentarisch. Auge um Auge schießt den Protagonisten in den Minuten des größten Schmerzes sicherlich durch den Kopf, dennoch bewahren sie sich schlussendlich ihre Menschlichkeit. An dieser Stelle würden viele Filmemacher dem Reiz der einfachen Vergeltung sicherlich erliegen, Alain Cournau rundet durch seine kluge Selbstbeherrschung dieses ohnehin hochveranlagtes Gangsterdrama erst auf absolutem Top-Niveau ab. Darstellerisch ohnehin sensationell. Bei dem mehr als fragwürdigen Lebenswandel eines in den letzten 20 Jahren offensichtlich völlig übergeschnappten und eindeutig maßlos gewordenen Gérard Depardieu mag man eventuell schon mal vergessen, was für ein wahnsinnig talentierter Schauspieler mit einzigartiger Leinwandpräsenz er doch mal gewesen ist.
Fazit
Eine abgründiges Krimimelodram und fantastische Charakterstudie, dass sich in Stil und Wirkung am großen, französischen Gangsterkino der Vergangenheit orientiert. Herausragend geschrieben und gespielt, präzise inszeniert und mit der nötigen Mischung aus emotionaler Wucht wie besonnener Empathie. Klasse, von vorne bis hinten.
Autor: Jacko Kunze