Inhalt
Eine Frau (Françoise Lebrun) und ein Mann (Dario Argento) in ihren 80ern sind in ihrer Pariser Wohnung zunehmend mit ihrem Alltag überfordert. Ihre scheinbar heile Welt wird langsam von einer heimtückischen Krankheit zerrissen, durch die sich die Frau bald in ihrem eigenen Kopf verliert. Sie ist nicht die einzige Liaison im Leben ihres sich vielbeschäftigt gebenden Mannes, dessen Kräfte ebenfalls schwinden. Das Ende ist absehbar. Ihr Sohn (Alex Lutz) kann ihnen kaum helfen, doch das eigene Heim wollen sie nicht verlassen.
Kritik
Was ist Die kurze Summe des Lebens, die Ernest Dawson im Titel eines zu Beginn von Gaspar Noés (Climax) Split-Screen-Sterbestudie referenzierten Gedichts beklagt, ist nicht mehr als eine dröge Diashow. Dieses in seinem unsentimentalen Realismus prägnante Fazit seiner filmischen Verarbeitung einer Hirnblutung wäre weit wirksamer, bräuchte der Regisseur und Drehbuchautor bis dahin nicht über zwei Stunden. Die füllt neben dem biografisch schattierten Doppelporträt eines gesundheitlich und geistig maroden Seniorenpaares eine Unzahl künstlerischer und gesellschaftlicher Anspielungen.
Noch vor der Handlung läuft der komplette Abspann, denn um das Ende geht es hier. In nostalgischem Sepia sing Françoise Hardy (Die Invasion der Barbaren) ihren Chanson „Mon amie la rose“, der textlich das parallel im Szenenbild evozierte Vergänglichkeits- und Blumenmotiv aufgreift. Wer es dann noch nicht kapiert hat, kriegt das Poe-Zitat vom Leben als „Traum innerhalb eines Traumes“ von Dario Argentos (Dark Glasses) prototypisch nur als „Vater“ benannten Protagonisten, der an einem Buch über „Kino und Träume“ arbeitet, erklärt.
Subtilität war nie die Stärke Noés, dessen egozentrische Inszenierung oftmals den Blick auf das Kernmotiv versperrt: die absurde Nichtigkeit des Daseins. Zweite vermitteln lakonische Momente - etwa, wenn der Vater die zugemüllte Messie-Mietwohnung gegenüber dem Junkie-Sohn (Alex Lutz, Asterix und das Geheimnis des Zaubertranks) zum Erinnerungshort verklärt - geschickter als überdeutliche Kunstgriffe wie die zweigeteilte Leinwand oder plakative cineastische Metaphern wie die Begräbnis-Szene aus Dreyers Vampyr. Poesie und Prätention, Tragik und Trivialität liegen nah beieinander, im Film wie im Leben.
Fazit
Die Überlänge, erschöpfende Enge und schier unerträgliche Leere des Alters absorbiert Gaspar Noés filmisches Diptychon in einer Form, die das ähnlich seinen greisen Figuren zwischen Erkenntnissen und Dumpfheit schwankende Kammerspiel absichtlich quälend macht. Dieses Konzeptkino ist unendlich erschöpfend, doch letztlich lohnend. Françoise Lebruns schauspielerische Reise in geistige Umnachtung begleitet die Demaskierung ihrer kunstsinnigen Kernfamilie als ein von Sucht, Selbstbetrug und Senilität zersetztes Grab der Lebenden: Kein Mausoleum, sondern eine Müllhalde, die uns alle erwartet.
Autor: Lida Bach