Time’s Up, #MeToo und andere sozialpolitische Bewegungen der letzten Jahre haben nicht nur gesellschaftliche Umwälzungsprozesse in Gang gesetzt, sondern auch die Inklusionssensibilität vieler Kunstliebhaber geschärft. Die Filmindustrie reagiert seither zaghaft: Längst nicht prominent genug, aber doch immer öfter gelingt es Kunstschaffenden, die sich zu marginalisierten Gruppen zählen, im Filmgeschäft Fuß zu fassen. Bombshell, der erste große Mainstreamfilm dieser Post-#MeToo-Zeit, nimmt sich der Nacherzählung eines Ereignisses an, das der Bewegung vorausging und den ersten Kanonenschuss im diskursiven Schlachtfeld der Folgejahre markiert haben könnte. Geschrieben und inszeniert wurde er von zwei Männern.
Charles Randolph (The Big Short) und Jay Roach (Trumbo) erzählen vom Skandal um den amerikanischen Nachrichtensender Fox News, dessen langjähriger CEO Roger Ailes im Jahr 2016 zurücktrat, nachdem ein Dutzend Mitarbeiterinnen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs gegen ihn erhoben. Die um drei Schlüsselfiguren - Megyn Kelly (Charlize Theron), Gretchen Carlson (Nicole Kidman) und die fiktive Kayla Pospisil (Margot Robbie) – aufgespannte Geschichte wird dafür mit knirschender Drehbuchmechanik aus ihrem politischen Kontext gelöst und zum Manifest weiblicher Ermächtigung verklärt. Die Ergebnisse sind verheerend.
Die Filmversionen dieser Frauen, die für ihre Fernsehauftritte zum Tragen kurzer Röcke gezwungen wurden, müssen nun einem liberalen Kinopublikum schmackhaft gemacht werden. Dazu schickt Randolph sich an, ihnen die schlimmsten konservativen Geister auszutreiben. Carlson darf in ihrer ersten Szene darüber seufzen, dass sich die Mehrheit der amerikanischen Fox-News-Zuschauer nicht mit einer kleinen Handfeuerwaffe für den Eigenbedarf begnügen. Die für den Film herangedichtete Pospisil, eine überzeugte Republikanerin, die den Sender vor allem für seine "ausgewogene" Berichterstattung bewundert, ist nur ein junges Doofchen, dem die Realität des Erwachsenenlebens auf die harte Weise beigebracht werden muss.
Jess Carr (Kate McKinnon), ebenfalls eine fiktive Figur, ist heimlich lesbisch und hat ein Poster von Hillary Clinton in ihrer Wohnung hängen. Und Megyn Kelly, zuletzt 2018 medienpräsent aufgrund ihrer Verteidigung sogenannten „Blackfacings“, hat vom Patriarchat erst recht die Schnauze voll! Alle diese Figurenzeichnungen sind nicht per se verwerflich, im Gegenteil sogar, in ihrer Widersprüchlichkeit – ob nun als verblendete Mittäter oder Opfer eines finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses – hätte sich der faszinierende Kern dieser Geschichte ausmachen lassen können. Wie gegen ein misogynes Umfeld aufbegehren, das man selbst mitkonstituiert hat? Vor allem wenn man – und hier macht der Film aufgrund seiner Unbedarftheit sogar einen aktiv frauenfeindlichen Punkt – nicht länger davon profitiert? Bombshell aber ist die Heiligsprechung dieser problematischen Figuren gerade gut genug.
Zugute halten lassen sich dem Film lediglich zwei Momente, die aus dem Kontext des Films herausgelöst durchaus funktionieren. Beide kreisen sich um die von Margot Robbie gespielte Kayla Pospisil, die von Ailes sexuell missbraucht wird. Anstatt diesen Missbrauch in expliziten, entblößenden Bildern konkret visuell fassbar zu machen, entblättert sich die schreckliche Tragweite von Ailes' Taten in stillen, andeutungsweise inszenierten Situationen, die der Zuschauer selbst weiterdenken muss. Das erste Treffen zwischen Pospisil und Ailes (im Fatsuit: John Lithgow) treibt das offensichtliche Machtgefälle zwischen dem alten, lüsternen Chef und der jungen, hübschen Angestellten an die Grenze der Unbehaglichkeit.
Seine beste Entscheidung trifft der Film aber erst kurz vor Schluss, wenn er die zunehmend desillusionierte Kayla einen Telefonanruf tätigen lässt. Erst im Gespräch mit einer Freundin realisiert die junge Frau, Opfer sexueller Nötigung geworden zu sein. Die Überwindung selbst verinnerlichter patriarchaler Denkstrukturen, einer der diskursiven Hauptschau- und Streitplätze der #MeToo-Bewegung, wird so erstmalig auch im Mainstreamkino nachfühlbar gemacht. Mit beiden Momenten gelingt Randolph und Roach die inszenatorische Nachempfindung einer spezifisch weiblichen Erfahrung im Rahmen patriarchaler Strukturen, die sich unwohl unter die Haut graben – hoffentlich auch bei dem einen oder anderen männlichen Zuschauer.