Erwähnungen
Letnie przesilenie
Unser letzter Sommer (2015)
Inhalt
Kritik
Die abendliche Sonne taucht die Wiesen und Wälder in ein warmes goldenes Sommerlicht. Die Vögel zwitschern, die Bienen summen. Mehrere Soldaten einer Einheit der deutschen Sicherheitspolizei stehen um das größer werdende Feuer eines kurz zuvor entfachten Heuhaufens. Fast schon eine idyllische Atmosphäre, wären da nicht die entsetzlichen Schreie einer Frau und eines Babys, die sich im Heuhaufen vor den Deutschen versteckt hatten und nun elendig verbrennen.
Unser letzter Sommer ist ein historisches Coming-of-Age-Drama, das in seinen Schauplatz in einem ländlichen Polen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs hat. Zu dieser Zeit, genauer im Jahr 1943, war Polen von den Deutschen besetzt. Um Partisanen und jüdische Flüchtlinge aufzuspüren, wurden an vielen strategischen Punkten sogenannte Sicherheitspolizisten eingesetzt. Gruppen, die zumeist aus altgedienten Wehrmachtssoldaten und Jünglingen – bei diesen oft zur Strafe – bestanden.
Die Geschichte spielt sich durchweg durch die Perspektive zweier Buben ab. Beide 17, beide voller Träume, Wünsche und Abenteuerlust. Einer, der Pole Romek (Filip Piotrowicz), fühlt sich widerwillig in seinem eigenen Land unterdrückt und eingesperrt und arbeitet für die polnische Eisenbahn, die im Auftrag der SS Gefangene abtransportiert. Romek versucht seiner Mutter (Agnieszka Krukowna) zu helfen, die von ihrem Freund Leon (Bartlomiej Topa), ein Eisenbahn-Kollege seines verschollenen Vaters, geschlagen und unterdrückt wird. Leon hortet heimlich wertvolle Besitztümer, die von deportierten Juden abgenommen wurden. Romek ist verliebt in Franka (Urszula Bogucka), der Tochter eines reichen Farmers. Doch er schafft es nicht, ihr nahe zu kommen.
Es ist der junge Guido (Jonas Nay), ein Träumer, der trotz der Sprachbarriere ihre Aufmerksamkeit erregt. Guido, ein großer Fan von amerikanischem Swing und Jazz, wurde beim Hören dieser entarteten Musik erwischt, aus der Schule gerissen und nach Polen versetzt. Guidos einziger Freund und eine Art Vaterersatz scheint der ältere Odi (Gerdy Zint) zu sein, der ihn immer wieder vor Ärger schützt, denn auch in Polen hat es Guido nicht so mit den deutschen Vorschriften. Dies ändert sich schlagartig, als die Truppe Besuch eines sadistischen Oberleutnants (Steffen Scheumann) bekommt. Dieser duldet keinerlei Ungehorsam und verfolgt Vergehen mit aller Härte.
Nachdem Romek nur knapp dem Tot entronnen ist, begegnet er im Wald eher ungewollt einer aus dem Zug geflüchteten Jüdin aus Warschau, der jungen Bunia (Maria Semotiuk), derer er sich schließlich annimmt. Mehrmals kreuzen sich die Wege von Romek und Guido und mehrmals müssen sie entscheiden, ob der Feind gegenüber leben oder sterben soll. Obwohl die Front weit weg ist, zeigt der Krieg schließlich auch hier seine hässliche Fratze und raubt beiden Buben auf eine grausame Art die Unschuld.
Eine der ersten Inspirationen war ein Bild, das ich in meinem Familienalbum entdeckt habe. Es zeigte drei junge Paare, die ausgelassen in einem Fluss tobten. Das ist erst mal nichts Besonderes, aber das Datum war außergewöhnlich. Auf dem Bild stand: Mai 1943. Mir fiel schnell der Konflikt auf, den das Bild andeutete. Man sah das Glück und wusste um die Tatsache, was in diesem Jahr geschehen ist. Michal Rogalski
Der Erstlingsfilm des Drehbuchautos und Regisseurs Michal Rogalski ging in den deutschen Kinos völlig unter. „Nicht noch eine Geschichte über den Zweiten Weltkrieg“ mag sich so mancher gedacht haben. Tatsächlich jedoch ist der Film, der kürzlich auf DVD und Blu-Ray erschienen ist, äußerst sehenswert.
Rogalski gewann mit seinem komplexen und provokativen Skript bereits vor der Verfilmung den Hartley-Merrill Wettbewerb für das beste Drehbuch und bekam für die Realisierung seines Werkes deutsche Fördergelder, weshalb der Film letztendlich in enger deutsch-polnischer Zusammenarbeit enstanden ist.
Wie der kürzlich erschienene Unter dem Sand setzt Rogalski inhaltlich, visuell wie auch akustisch auf klevere Kontraste. Ein klassisches Stilmittel im Film, das er überaus gekonnt einsetzt. Seien es die im Wind rauschenden Bäume, das Zwitschern von Vögeln oder das gold leuchtende Kornfeld. Die Naturaufnahmen, für die sich die Kamera immer viel Zeit und Ruhe nimmt, wirken unglaublich idyllisch und friedlich. Diese Szenen jedoch werden immer wieder durch schockierende Momente unterbrochen, sei es der eingangs erwähnte gebilligte Feuertod oder eine gnadenlose Hinrichtung, die einen - wähnte man sich zuvor noch in einem friedlichen Waldstück mit knorrenden Bäumen - völlig unerwartet aufschreckt.
Immer wieder verschlägt es die Protagonisten an den leise plätschernden Fluss, der sich in der Nähe durch die Landschaft schlängelt und an dem sich die unterschiedlichen Handlungsstränge mehrfach kreuzen.
Die Geschichte an sich entwickelt sich zu anfang sehr ruhig und langsam und konzentriert sich völlig auf seine jungen Protagonisten. Doch eine unterschwellige Spannung ist jederzeit präsent, zumal das Dorf, Schauplatz de Ereignisse , nicht weit vom Vernichtungslager Treblinka entfernt liegt. Diese Kriegsschrecken werden nie direkt thematisiert, doch die viele Koffer und Wertgegenstände entlang der Bahnstrecke zeugen davon, dass die Fahrgäste wohl nicht mehr zurückkehren werden. Eine Armada an Kriegsbombern, die in großer Entfernung über die Landschaft fliegen, lassen erahnen wie es an der Front zugehen muss.
Einen Film über die Normalität in Zeiten des Krieges wollte Rogalski drehen, ohne Schießereien und Explosionen. Doch ist Normalität hier überhaupt möglich? Langsam schleicht sich der Schrecken bei den arglosen Protagonisten ein. Diesen Prozess inszeniert Rogalski sehr gelassenen, teilweise fast kammerspielartig. Damit dürfte so mancher Zuschauer seine Probleme haben, denn diese Inszenierung fordert vor allem im ersten Drittel Films Geduld ab. Deshalb sollte man grundsätzlich etwas Interesse an der damaligen Zeit mitbringen und natürlich die Lust, bei den vielen langen polnischen Dialogen die Untertitel im Auge zu behalten.
Darüber hinaus könnte man kritisieren, dass die Entwicklung der unterschiedlichen Handlungsstränge ab einem gewissen Punkt recht vorhersehbar sind und keine großen Überraschungen bereit halten. Dies liegt vor allem auch an der eher konventionell gehaltenen Figurenkonstellation. Da ist der gehasste Schwiegervater, die nicht erwiderte Liebe, der rebellische Soldat, ein sadistischer Vorgesetzter und viele zufällige Begegnungen, bei denen es das Schicksal nicht immer gut meint. Trotzdem erzählt Rogalski sein Erstlingswerk handwerklich so gekonnt, dass man der Geschichte jederzeit gespannt folgt. Vor allem visuell ist Unser letzter Sommer mit seinen vielen Weitwinkelaufnahmen und Kontrasten so beeindruckend in Szene gesetzt, dass er keinen internationalen Vergleich scheuen muss.
Dass der Film auch emotional mitreißt, liegt vor allem auch an den jungen Hauptdarstellern aus Polen und Deutschland, die ihre Rollen unglaublich natürlich und unverkrampft verkörpern. Dass sämtliche Dialoge in ihrer jeweiligen Landessprache vorgetragen werden, macht das Ganze noch authentischer. Ganz besonders hervorzuheben ist Jonas Nay als Guido (überzeugte bereits in Deutschland 83), der als Heranwachsender mehr der Abenteuerlust fröhnt, als sich den steifen Pflichten eines Soldaten zu beugen.
Fazit
Trotz der sehr nüchtern und ruhig erzählten Handlung, die zeitweise einiges an Geduld abfordert, ist die deutsch-polnische Koproduktion Unter dem Sommer ist ein Kriegsdrama, das unter die Haut geht und keinen Zuschauer kalt lassen wird. Dazu tragen vor allem die bildgewaltige Inszenierung sowie die überzeugenden und unverbrauchten Darsteller bei. Darüber hinaus gelingt Regisseur Rogalski eine sehr differenzierte und glücklicherweise nicht zu einseitige Darstellung von Deutschen und Polen während des Zweiten Weltkriegs.
Kritik: André Schiemer
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