Inhalt
Es ist ein ganz normaler Morgen für Rachel (Caren Pistorius): Sie ist wieder mal zu spät dran und steckt im täglichen Verkehrschaos auf dem Weg zur Schule mit ihrem Sohn Kyle (Gabriel Bateman) fest, als ihr auch noch die wichtigste Klientin kündigt und der Autofahrer (Russell Crowe) vor ihr hartnäckig die grüne Ampel ignoriert. Laut hupend zieht sie an ihm vorbei und ahnt nicht, dass sie so zur Zielscheibe der geballten Wut eines Mannes wird, der nichts mehr zu verlieren hat. Entschlossen heftet er sich an Rachels Fersen, um ihr eine Reihe von Lektionen zu erteilen, die sie so schnell nicht vergessen wird. Und nicht nur sie ist sein Ziel, sondern auch alle, die sie liebt. Gnadenlos und scheinbar unaufhaltsam schlägt der Fremde immer wieder zu…
Kritik
Vor der Ästhetik überfüllter Autobahnen, gestresstem Gehupe und ineinander rasender Karosserie inszeniert das Team rundum Regisseur Derrick Borte (The Joneses) einen kurzweiligen Actionthriller, der leider die falsche Ausfahrt nimmt: Der Film ist interessiert an einem Katz-und-Maus-Spiel, dessen wesentliche Spannung nicht aus dem Verlauf der Geschichte oder den Charakteren erwächst, sondern aus der rasanten Inszenierung, den gut arrangierten Verfolungsjagden und der treibenden Angst der Protagonistin. Das bescheidene Vergnügen solider Unterhaltung in Form eines Genre-Filmes bleibt dem Zuschauer jedoch verwehrt. Der Auslöser der Verfolgungsjagd ist dabei eine stressige Situation innerhalb der Morgenroutine: Rachel (Caren Pistorius, Mortal Engines) hat mal wieder verschlafen und versucht dem Stau zu entkommen, um ihren Sohn rechtzeitig zur Schule zu bringen und pünktlich mit ihrer Arbeit beginnen zu können. Als an einer Kreuzung die Ampel auf "Grün" schaltet, doch der vor ihr stehende Fahrer keine Anstalten macht, aufs Gaspedal zu treten, drückt sie die Hupe durch bis sie ihn letztlich wütend umfährt.
Wenige Augenblicke später steht sie wieder im Stau und neben ihr öffnet ein Mann (Russell Crowe, Der verlorene Sohn) sein Fenster. Er bekennt sich dazu, die Schlafmütze an der Ampel gewesen zu sein, entschuldigt sich und erwartet im Gegenzug auch eine Entschuldigung für das aggressive Anhupen. Rachel weigert sich, woraufhin der Mann beschließt, ihr eine Lektion zu erteilen. Diese besteht in einem unverhältnismäßigen Rachefeldzug, auf dem er sie durch die halbe Stadt verfolgt und ihre Verwandten und Freunde bedroht, foltert und ermordet. Bald bekommen wir lose Versatzstücke über die Hintergrundgeschichte des Mannes an die Hand gereicht, die vermuten lassen, dass er ein ungeklärtes Verhältnis zu seiner (Ex-)Frau hat, dass er einen modernen Werteverlust beklagt und in seinem Leben keine besondere Perspektive mehr erkennen kann. Dieser Frust entlädt sich auf Rachel, in der er das Sinnbild all dessen, was er zu beklagen hat, zu erkennen versucht - auch wenn das keinesfalls der Wahrheit entspricht, wie wir immer wieder erfahren. Somit ist das Grundfundament für einen teilweise spannend inszenierten Actionthriller gelegt, der die räumlichen Gegebenheiten der verschiedenen Autobahnen, Wohnsiedlungen und Hauptstraßen auszukosten weiß.
Vorrangig scheitert Unhinged an der Ausarbeitung des Antagonisten. Borte ist versucht, Psychologisierungen und Gesellschaftskritik vage anzudeuten, aber nicht an ihr Ende zu führen, wohl in der Hoffnung, dem Charakter dadurch die Spannung des Ungewissen zu verleihen. Russell Crowes überpräsentes Schauspiel, seine grimmigen Reden und die eigenartige Intimität, die sein Charakter zur Protagonistin aufbaut, nehmen dabei zu viel Raum ein. So gewinnt der Zuschauer am Ende den Eindruck eines unausgegorenen Filmes, in dem man zu wenig über Crowes Charakter erfährt, um ihn als solchen anzunehmen, und zu viel, um ihn als Archetypen eines "Fremden" anzuerkennen. Letzteres liegt weniger am inhaltlichen Gehalt der Figur, als an Crowes Auftreten selbst. Man wollte seinem Star-Schauspieler wohl mehr Profil gewähren. Diesen unbefriedigenden Mittelweg wählt Unhinged auch ab und zu erzählerisch , wenn er auf eine vermeintliche Doppelbödigkeit verweist, die nicht gegeben ist. Diese Verweise fühlen sich - ebenso wie das Auftreten des Antagonisten - wie billige Anleihen an Filmen wie Falling Down oder Taxi Driver an, erinnern dadurch aber eben an Werke mit gewisser Doppelbödigkeit. Davon abgesehen ist das Werk vorhersehbar und nicht frei von Logiklöchern, weshalb am Ende lediglich der Eindruck einiger netter Verfolgungsjagden übrig bleibt.
Fazit
"Unhinged" hätte ein solider Genre-Film werden können: Die Verfolgungsjagden sind treibend inszeniert und die Räumlichkeiten der verschiedenen Straßen werden überzeugend eingefangen. Leider ist die Handlung vorhersehbar, nicht frei von Logiklöchern und umschließt einen Antagonisten, der weder als Archetyp des "Fremden", noch als wirklich interessanter Charakter funktionieren mag.
Autor: Maximilian Knade