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Inhalt

"Eine Dame verschwindet" ist ein Kriminalthriller von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1938, der in einem Zug spielt. Die Heldin behauptet, eine Mitreisende sei verschwunden. Niemand glaubt ihr.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

„Eine sehr ereignisreiche Reise.“

Kann man wohl sagen. Dabei geht alles so harmlos, wenn auch stressbeladen, aber eben nicht lebensgefährlich los. Mit einem durch eine Zugverspätung hoffnungslos ausgebuchten Bahnhofshotel in einem fiktiven, osteuropäischen Land. Dort sammeln sich vornehmlich britische Staatsbürger, die alle auf den Anschlusszug nach Bern hoffen. Dieser noch sehr der Screwball-Comedy angelehnter Prolog wird entspannt, aber sorgfältig zur Vorstellung der wichtigsten Figuren verwendet: Als da wären zwei arrogante Gentlemen mit Cricket-Tick, ein zerstrittenes Pärchen (was sich im weiteren Verlauf nicht etwa als Ehepaar, sondern verbotene Affäre herausstellt), eine angehende Braut mit drohender Altar-Torschlusspanik, ein Klarinette -spielender Lebemann & Playboy mit losem Mundwerk und natürliche eine nette, alten Dame, die nach 6 Jahren als Gouvernante und Musiklehrerin wieder zurück in die englische Heimat möchte.

Fast unvermittelt in dieses amüsante Stelldichein mit heiterem Grundton bricht nach gut 25 Minuten plötzlich ein Mord wie aus dem Nichts herein. Allerdings nur, wenn man nicht wüste wer hier die Fäden zieht. Jemand, der das was ihm am meisten Freude bereitet diesmal noch exzessiver auslebt als bei den meisten seiner vorangegangenen Werken (Geheimagent war vom Aufbau ähnlich, allerdings nur rudimentär). Sein Publikum zu unterhalten, gerne auch mit pointiertem, spitzfindigem Witz, aber hauptsächlich natürlich in dem Kreieren einer für die Hauptfigur(en) misslichen Situation, befeuert durch Bedrohung, Ausweglosigkeit und kulminierend in dem, was besonders eben besagter Alfred Hitchcock als Begriff Suspense prägte. Genüsslich ausgedehnt, das Publikum immer involvierend und stets im Blick, wie er es einerseits effektiv ins Boot holt und mit höheren Informationen füttert, nur um es durch das Vorenthalten anderer Details - bzw. der Spekulation über den weiteren Ablauf – erst richtig am Haken zappeln lässt. Sobald die vorher (tatsächlich notwendig) so überdurchschnittlich ausgiebig eingeführten Personen - in Anbetracht von Entstehungszeitraum und Spielzeit - erst den Zug besteigen (was für ein Hitchcock-Fetisch, hatte bestimmt eine ganze Modelleisenbahn-Landschaft im Hobbykeller), wird praktisch eine 60minütige Suspense-Sequenz aufgeführt.

Die nach den anfänglichen Zweifel, dem geschickten Spiel mit der womöglich nicht ganz zurechnungsfähigen Wahrnehmung seiner Protagonistin diesen Aspekt schnell selbst aufklärt, da er nicht im Interesse von Hitchcock’s Spannungsbogen ist. Dieser konzentriert sich nämlich nicht auf das Was, die Klarheit darüber benötigt er sogar um das Szenario erst richtig ausweglos, paranoid und interessant zu gestalten. Das Wie (noch nicht mal wirklich das Warum), darum dreht sich alles. Die daraus resultierend Schnitzeljagd auf der Suche nach der Wahrheit ist geprägt von ihrem hohen Tempo und der klugen Konstruktion, die immer im rechten Moment das Geschehen durch neue Hinweise, Verdachtsmomente wie Bestätigungen effektiv vorantreibt und enorm vital gestaltet. Den vorherigen, humorvollen Tonfall legt der Film dabei niemals ab, was ihn trotz des dadurch generierten, verschmitzten Unterhaltungswertes nicht in jeder Situation gut tut. Manchmal geht es fast eine Spur zu locker zu. Dass sich die Pointe gar als ziemlicher Unfug herausstellt stört wiederum überhaupt nicht, denn auch das macht Hitchcock bewusst nie so wichtig, als das es die Zuschauer verärgern könnte.

Es geht doch im Prinzip nur um die Situation, nicht wieso sie existiert. Viele Filmemacher stolpern trotzdem darüber, weil sie dem zu viel Relevanz zugestehen. Oftmals auch müssen aus Mangel an inszenatorischer wie narrativer Finesse. So drehte Hitchcock keine Filme und konnte es sich aufgrund seiner Fähigkeiten auch erlauben. Das zu seinem Merkmal und seiner Waffe machen. Eine Dame verschwindet ist ein Beleg für diese große Qualität und zählt somit neben Die 39 Stufen zu seinen persönlichen Highlights der 30er Jahre. Etwas ungeschickt erscheint das unpassend actionlastige Finale, das wie ein Notbehelf wirkt, um die Geschichte  - die nun in ihrer Essenz, dem Wie, einfach auserzählt ist - irgendwie zu beenden. Das sind kleine Detail-Kritikpunkte, ohne die sich diese (immer noch) frühe Perle vielleicht sogar einen sicheren Platz in seinen Top-Ten erkämpfen könnte. Aber auch so steht sie mindestens auf der Gästeliste.

Fazit

Ein echter Hitchcock mit Leib, Seele und purer Freude am Filmemachen. Die kleinen Schwächen sind mehr festzustellende Randnotizen, die den Genuss am wirklich Wichtigen kaum bis gar nicht schmälern. Später wurde Hitchcock zwar noch besser aufgrund seiner Routine, seines verbesserten Handwerks und seiner enormen Selbstkritik, die ihn immer wieder zum Perfektionismus antrieb. Aber alles, was ihn grundsätzlich auszeichnete und für den hohen Wiedererkennungswert seiner Arbeiten sorgte, das findet sich hier schon vor. Mit mehr als 80 Jahre nicht nur rüstig, sondern taufrisch.

Kritik: Jacko Kunze

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