Was in seiner Formulieren noch an eines der ungeschriebenen, aber allseits bekannten Gesetze von Las Vegas erinnert, wird dem jungen Pater Michael Logan (Montgomery Clift, Red River) beinahe zum Verhängnis: Egal, zu welchen Sünden sich ein Mensch im Beichtstuhl bekennt, sie verlassen diesen Ort höchstens durch das eigene, öffentliche Geständnis, nicht aber durch die Offenlegung des Geistlichen. Der Hausmeister der katholischen Kirche nämlich offenbart ihm, dass er in der Nacht zuvor einen Mord begangen hat – im Gewand eines Pastors gekleidet. Ich beichte porträtiert daraufhin den moralischen Gewissenskonflikt des Pater Logan, oszillierend zwischen theologischer Ideologie und gesetzlicher Gerechtigkeit. Alfred Hitchcock (Psycho) rollt das Feld von hinten auf, indem er den Mord und seinen Täter direkt zu Anfang entlüftet, anstatt auf die Auflösung dieser mittels akribischer Ermittlungsarbeit hinzuarbeiten und zur eigentlichen Klimax der Geschichte zu machen.
Der thematische Schwerpunkt wird ganz anders verlagert, denn es geht eben nicht nur um das konventionelle Bedienen von altbekannten Elementen eines Thriller-Kino, sondern um die inneren Entscheidungen des Pater Logan, die er im Verlauf der Handlung für sich gedenkt zu treffen: Bleibt er sich im Angesicht des Beichtsiegels treu oder siegt die Angst davor, dass er für etwas verurteilt werden könnte, für das er schlicht nicht verantwortlich ist. Ich beichte - und das macht ihn erst so wertvoll – ist ein ungemein menschlicher Film, der aufzeigt, wie aufreibend dieser Zwiespalt zwischen dem, was der Kopf und dem, was das Herz befiehlt, sein kann. Pater Logan weiß, dass der Hausmeister für seine Tat zur Rechenschaft gezogen werden muss, aber Pater Logan weiß auch, dass nicht er die Rolle des Richters einnehmen darf, sondern Treue in Bezug auf seinen aufrichtigen Schwur der Verschwiegenheit beweisen und leisten muss. Wie Montgomery Clift, der – wie beinahe üblich – Teil einiger künstlerischer Diskrepanzen am Set wurde, den eingeengten, aber standhaften Hochwürden verkörpert, gleicht einer introvertierter Bravourleistung.
Pater Logan nämlich sieht sich zu keiner Sekunde dazu gezwungen, in theatralische Gesten zu verfallen, sein Habitus mag im ersten Moment ausdruckslos erscheinen, in den Augen dieses Mannes spielt sich allerdings eine ganze Palette an Emotionen ab: Verzweiflung und Hoffnung, Furcht und Unentwegtheit – aber niemals Resignation. Wenn Ich beichte seinen Schauplatz in den Gerichtssaal transportiert und sich nicht nur die Motivationen des Mordes langsam herauskristallisieren, sondern auch der gesamte Hintergrund und die weiteren Ziele des Täters, dann wird Pater Logan, obgleich seiner Unschuld, in eine Rolle gezwängt, die er trotz jeder Tugendhaftigkeit ausfüllen muss, denn die Meinungen sind vom fauchenden Mob in und um das Gerichtsgebäude bereits zementiert. Ich beichte beweist dabei, gerade im Anblick der Menschenmasse, die Pater Logan am liebsten mit der Mistgabel durch das katholische Québec scheuchen würden, wie kritisch man kirchliche Grundstrukturen beäugen und hinterfragen sollte, nicht aber den Menschen, der sich diesen unterordnet.
In seiner verzweigten Konstruktion ist Ich beichte natürlich – ebenfalls ein typisches Merkmal für einen Film von Alfred Hitchcock – nicht gerade versessen auf eine durch und durch realistische Tonalität. Selbst die unzähligen Kirchtürme, die das kanadische Québec aus dem Boden stampft, werden durch expressionistische Mittel und sakraler Düsternis begleitet und gezielt in eine klare Richtung stilisiert. Die überdeutliche Botschaft ist in ihrer Vermittlung alles andere als subtil, doch sie findet den Empfänger, wenn auch vorerst mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen. Wenn sich dann noch im letzten Abschnitt ein Verfolgungsjagd in Ich beichte entfaltet, dann mag das auch reichlich deplatziert wirken, gibt Pater Logan in der letzten Einstellung aber die Chance, zu seinen geistlichen Wurzeln vollends zurückzukehren und sein Fleisch endlich wieder reinzuwaschen. Obwohl es doch nie beschmutzt wurde.