„How Many Days Of Your Life Have You Been Sick?“
Mit The Sixth Sense wurde der damals gerade mal 29 Jahre alte und bis dato nicht großartig aufgefallene Regisseur & Autor M. Night Shyamalan im Jahr 1999 auf einen Schlag weltberühmt. Der Low-Budget-Msytery-Thriller ging vom Einspielergebnis durch die Decke, wurde gar für 6 Oscars nominiert und sein Schöpfer bereits als neues Wunderkind der Branche ausgerufen. Für den Moment gibt es bestimmt nichts Schöneres für einen noch verhältnismäßig so jungen Mann, auf den vorher niemand auch nur einen Pfifferling gesetzt hätte. Im Umkehrschluss muss der Folgefilm nahezu zwangsläufig zur Bürde werden. In Anbetracht dieser Tatsache lässt sich dem später vielfach (und oft nicht unberechtigt) in Ungnade gefallenen Filmemacher nur auf die Schulter klopfen, wie gelungen und nicht nur aufbauend auf die Erfolgsformel seines Vorgängers Unbreakable – Unzerbrechlich ausgefallen ist.
„Ich erinnere mich an keinen Tag, an dem ich meine Augen aufgemacht habe und nicht traurig war.“
David Dunn (Bruce Willis, Death Wish) ist seine konstante Traurigkeit in jedem Moment anzusehen. Wie ein Geist bewegt er sich durch sein Leben, welches viele andere völlig erfüllen und glücklich machen würde. Gut, der Job bei der Stadionsecurity ist nicht unbedingt der höchste Rang auf der Karriereleiter, aber es reicht für ein gutbürgerliches Leben. Dazu verheiratet mit seiner immer noch attraktiven College-Liebe (Robin Wright, Wonder Woman) und mit einem gut geratenen Sohn gesegnet, warum also dieser Dauer-Blues? Nun, das weiß David selber nicht. Auf eine (noch) passive, (noch) nicht suizidgefährdete Weise ist er Lebensmüde, was seine Ehe bereits an den Rand des Scheiterns gebracht hat. Eigentlich sind sie emotional schon getrennt, geschlafen wird schon länger in anderen Zimmern, er hat sogar schon einen neuen Job in New York in der Tasche. Bis ausgerechnet eine fatale Katastrophe seinem Leben wieder eine Form von Sinn gibt, oder wenigstens die Perspektive auf einen. Als einziger Überlebender einer Zugkatastrophe, noch dazu ohne nur den kleinsten Kratzer, wird er kurz zum Medienstar und erweckt die Aufmerksamkeit des an der Glasknochenkrankheit erkrankten Elijah Prince (Samuel L. Jackson, Kong: Skull Island). Dieser erläutert seine ganz eigene Theorie, warum sie beiden vermutlich so sind, wie sie sind und was speziell für David daraus als Bestimmung resultiert.
War The Sixth Sense noch ein klar im Übernatürlichen angesiedelter Film zwischen Mystery, Suspense und Horror, der ganz klassischen Pfade des (wenn auch recht subtilen) Gruselfilms bestritt und sich trotz seiner schlauen und damals völlig verblüffenden Pointe auch nicht wirklich davon entfernte, ist da dieser Film doch ganz und dadurch erfrischend anders. Genau kategorisieren lässt sich die Geschichte selbst auch nach dem für Shyamalan meist unumgänglichen Schluss-Paukenschlag nicht. Den vorher schon erprobten Elementen werden ein gehöriger Schuss Familien- und Selbstfindungsdrama hinzugefügt, der Horroraspekt völlig zurückgeschraubt und bis zum Ende bleibt es in der Schwebe, in wie weit das Ganze de facto im Übernatürlichen oder Phantastischen in irgendeiner Weise beheimatet ist. Diese Mischung funktioniert im Aufbau wie der behutsamen Erzählweise überwiegend ziemlich gut. Besonders die Involvierung des Sohnes als tragende Figur, der mit seinem kindlichen Glauben an etwas Heldenhaftes in seinem Vater wohl auch vordergründig die zerbröckelnde Familie zusammenhalten will. Der David letztendlich erst dazu ermutigt dem Unsinn wirklich eine Chance zu geben, installiert im Plot eine zusätzlich tragische, empathische Nuance, die nicht in Selbstzweckhaft-Kitschige kippt und sogar eine der stärksten Szenen erst ermöglicht (Stichwort: Pistole).
Kleiner Details müssen trotz aller Bemühungen und Verweisen auf diverse Comic-Logik ausgeklammert werden (z.B. das ein locker 40jähriger Mann - und dessen langjährige Lebensgefährtin -, erst von einem Wildfremden darauf hingewiesen werden muss, dass er noch nie in seinem Leben krank war), dafür lohnt die Zweitsichtung bei diesem wie bei allen der besseren Shyamalan-Filme durch wohl dosierte, smart eingestreute Details, die bei einer unvorbereiteten Erstsichtung schnell und selbstverständlich übersehen werden bzw. kaum in ihrem Dasein als versteckter Hinweisgeber erkannt werden können. Geschickt entwickelt und mit einem melancholischen Grundton versehen weißt Unbreakable – Unzerbrechlich Parallelen zu vielen selbst nicht direkt tangierten Genres auf, was ihn in seiner Kreuzung durchgehend reizvoll gestaltet. Als man sich schon beinah auf ein leicht zu versöhnliches (obwohl es sich absolut gerecht anfühlt) und etwas zu einfach gedachtes Finale eingestellt hat, ist es das tatsächlich eher ambivalente Ende – das eine Co-Existenz zweier verschiedener Theorien zulässt -, das den entscheidenden Nadelstich im richtigen Moment setzt, alles in einen in sich stimmigen und logischen Kontext rückt und selbst nach dem missratenen Split noch Lust auf den bald kommenden Glass macht. Mit Skepsis, das bleibt beim Werdegang von Mr. Shyamalan leider nicht aus.