Elio Petri galt besonders als politischer Regisseur, der mit pessimistischen wie entlarvenden Blicken auf die italienische Gesellschaft seine größten Erfolge feierte, wie z.B. mit dem Oscar-prämierten Ermittlungen gegen einen über jeden Verdacht erhabenen Bürger. Das verfluchte Haus oder A Qiuet Place in the Country (im Original Un tranquillo posto di campagna) geht da einen weit experimentelleren Weg und lässt sich nur ganz schwer exakt kategorisieren. Ein Film, der nicht unbedingt auf breitgefächerte Gegenliebe stieß und auch in Zukunft noch stoßen wird, zu extravagant, irritierend desinteressiert an konventionellen Unterhaltungsmechanismen ist er dafür. Dabei nicht nur unverkennbar ein Kind seiner Zeit, sondern noch viel mehr ein Wegbereiter für ähnlich gelagerte Werke, von denen wenigstens eines (mit Recht) als ganz großer Klassiker der Filmgeschichte gilt.
Wir sprachen von der Entstehungszeit: Es ist 1968 und bereits in den ersten Minuten springt einem Das verfluchte Haus damit förmlich ins Gesicht. Der Vorspann ist eine schrille, verzerrte Melange aus flackernd geschnittenen Bildimpressionen und einem abstrakten Beatnik-Score, der doch tatsächlich aus der Feder von Ennio Morricone stammt. Der war in seinem unfassbar großen Schaffen eh immer breit gefächert, so was hat man von ihm aber nun wirklich selten bis noch nie gehört. Doch dann geht es erst richtig los: Bereits die erste Szene - die sich in der Folge als Traum entpuppt – setzt die Segel für die gesamte Stimmung der folgenden 106 Minuten. Eine surreal-groteske Situation zwischen den Hauptfiguren, dem exzentrischen Maler Leonardo (Franco Nero, Der Tag der Eule) und seiner Geliebten Flavia (Vanessa Redgrave, Der Butler), die ihren unausgesprochenen Konflikt metaphorisch auf den Tisch bringt. Flavio steckt in einer Schaffenskrise, fühlt sich beengt und gefesselt von seiner eher materialistisch konzentrierten Geliebten, ist gleichzeitig aber auch Geisel seiner Libido, die trotz ihres ausgiebig praktizierten Liebeslebens scheinbar nicht gestillt ist. Es ist weniger etwas Körperliches, mehr eine nicht genauer definierbare, unbefriedigte Triebhaftigkeit, die er versucht durch den Konsum billiger Sex-Magazine irgendwie zu kompensieren. Und am Ende steht immer diese Mordfantasie.
Per Zufall stößt Leonardo auf ein seit Jahren unbewohntes, relativ runtergekommenes, an sich aber sehr prunkvolles Herrenhaus in der Provinz. Dieser Ort scheint ihn beinah hypnotisch anzuziehen. Nur hier, so vermutet er sofort ohne rational belegbaren Grund, kann er seine kreative Durststrecke überwinden. Allerdings ergreift ihn bald die dunkle Geschichte seines neuen Landsitzes. Im Zweiten Weltkrieg starb dort unter tragischen Umständen die junge Wanda. Eine bildhübsche Nymphomanin, die etliche Männer im Dorf verführte und sie ihr hörig machte. Leonardo ist fasziniert davon uns lässt alles stehen und liegen, um noch mehr über sie zu erfahren. Getrieben von einer nicht definierbaren Macht, beinah einer Präsenz. Bald glaubt er, dass Wanda selbst von ihm Besitz ergreifen will. Ihn begehrt – und dementsprechend nicht sonderlich begeistert ist, als Flavia ihrem Geliebten nachreist.
Das verfluchte Haus könnte man als frühen Giallo fantastico oder dezenten Haunted House-Film bezeichnen, aber nichts davon ist wirklich zutreffend. Er erinnert an vieles und lässt sich bewusst nie am Schopf packen. Stilistisch stark beeinflusst scheint er zweifelsohne von Michelangelo Antonioni’s zwei Jahre vorher erschienenen Meisterwerk Blow-Up, mehr als einmal sind Assoziation zu ihm unvermeidlich – und das nicht (nur) wegen Vanessa Redgrave. Genau genommen wirft er viel mehr Fragen auf, als er konkret beantwortet. Wenn das überhaupt ein einziges Mal der Fall ist. In praktisch jeder Facette interpretativ belassen lässt er sich zwar relativ klar deuten, aber stets mit dem Hintertürchen, das alles doch ganz anders sein könnte. Damit macht er es dem durchschnittlichen Konsumenten natürlich nicht leicht, sich darauf einzulassen. Er erweckt den Verdacht, auf einen klassischen Gruselfilm hinauszulaufen, dabei verschwimmen hier die Grenzen aus Mystery-Suspense, abstrakt-schizoiden Psychogramm und galliger Gesellschafts-Bestandsaufnahme (das passt ja wieder zu Elio Petri) in einer gewollt nie dingfest zu machenden Masse. Wahn und Wirklichkeit sind kaum noch zu trennen, wobei die gesamte Spukhaus-Thematik dabei nur ein Blender ist. Ein narratives Mittel, um den eigentlichen, bereits lange vorher begonnenen, psychischen Verfall seines Protagonisten anderweitig zu kanalisieren.
Das verfluchte Haus bewegt sich dabei elegant zwischen den Stühlen, inspirierte eindeutig andere Genre-Filme aus Italien maßgeblich (z.B. Das Haus der lachenden Fenster), kann sich aber durchaus auch als inoffizieller Vorgänger von Wenn die Gondeln Trauer tragen betiteln lassen. Dessen Niveau erreicht er insgesamt nicht, nichtsdestotrotz ein Film, der von viel Mut, Selbstbewusstsein und künstlerischer Eleganz zeugt. Speziell die ultra-zynische Pointe holt den Zuschauer wieder zurück auf den Boden der Tatsachen. Und ist beinah Vorbote für das Ende der 68er-Bewegung. Der kalte, unmenschliche und kapitalistische Gedanke, er setzt den Schlusspunkt. Insgesamt ziemlich faszinierend und für seine vorrausschauende Qualität deutlich unterschätzt.