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New York. Ein junger Mann sträubt sich gegen sein vorbestimmtes Schicksal und weigert sich, die Frau zu ehelichen, die seine Eltern für ihn ausgesucht haben. Denn er hat sich in eine andere verliebt: seine neue Nachbarin, deren Schönheit ihm den Atem verschlägt. (Text: Lovefilm)
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

James Gray bleibt auch bei seinem vierten, abendfüllenden Spielfilm dem erprobten  Themenschwerpunkt treu, obwohl es oberflächlich zunächst nicht den Anschein hat. Erstmals nach Little Odessa – Eiskalt wie der Tod (1994), The Yards – Im Hinterhof der Macht (2000) und Helden der Nacht - We Own the Night (2007) losgelöst aus dem kriminellen Milieu, doch stand der Krimi- oder Gangsterfilmaspekt nie im Vordergrund seiner Geschichten. Immer behandelte es tief verwurzelte Konflikte innerhalb einer Familie, zwischenmenschliche Beziehungen und deren hart auf die Probe gestellte Strapazierfähigkeit in angespannten Situationen, was meistens in seinem Desaster endete. Bei Two Lovers spielt sich alles im legalen Rahmen ab, sonst ist fast alles beim Alten…und doch ganz anders.

Vom Grund des East Rivers, in dem er sich aus Liebeskummer ertränken wollte, gelangt Leonard (Joaquin Phoenix, Her) in nur wenigen Stunden auf Wolke 7. Oder eher zweimal Wolke 3,5. Nachdem ihm seine Verlobte verlassen hat, haben ihn seine Eltern wieder bei sich aufgenommen. In ihrer kleinen Wohnung wie dem Familienbetrieb, einer Reinigung. Der eigentlich talentierte Fotograph hat sich in ein Schneckenhaus aus Selbstmitleid und totaler Lethargie zurückgezogen. Fürsorge verwechseln seine Eltern, besonders seine Mutter Ruth (Isabella Rossellini, Blue Velvet), mit Spionage, Kontrolle bis hin zur völligen Fremdbestimmung, was Leonard ohne Antrieb über sich ergehen lässt. Um ihm wieder auf die Beine zu helfen – so scheint es – arrangieren die Eltern einen Verkupplungsversuch mit Sandra (Vinessa Shaw, Cold in July), der attraktiven Tochter eines befreundeten Ehepaars. Und siehe da, die beiden sind sich trotz der mittelalterlichen Verschacherungsmethoden der tief in alten Traditionen verankerten, jüdischen Familien gegenseitig sehr sympathisch. Der behutsame Beginn einer aufkeimenden Romanze, es könnte so schön und einfach sein. Bis Leonard die Frau vom Fenster am anderen Ende des Hinterhofs kennen lernt: Michelle (Gwyneth Paltrow, Iron Man).

Die einfache, sichere und ja durchaus nicht zu verachtende „Variante“ ist zum Greifen nah und würde ganz nebenbei auch den Eltern eine Freude machen. Aus nicht ganz uneigennützigen, alles andere als romantischen Gründen, wie Leonard später noch feststellen soll. Eine Hand wäscht die andere und bei einem Kuhhandel wie in der alten Heimat soll schließlich auch was Ordentliches bei rumkommen. Wesentlich interessanter, anziehender, offenkundig auch ungemein schwieriger und damit ihm selbst in all seinen Problemen deutlich ähnlicher ist leider die Baustelle von gegenüber. Eine von Minderwertigkeitskomplexen und Borderline-Symptomen schwer gezeichnete Frau, die krampfhaft versucht aus ihrem unzufriedenen Alltag auszubrechen und dabei nur immer weiter darin versinkt, sich selbst zu Grund zu richten droht und von einer dominanten Vaterfigur kleingehalten wird…die darüber hinaus ihr verheirateter, wesentlich älterer Boss, Liebhaber und Sponsor ist. Sie sich wie ein Vögelchen im Käfig ganz in seiner Nähe hält, zu dem er sich schleichen kann wenn Frau und Kinder selig schlafen. Ein destruktiver Teufelskreis. Aus dem ihr Leonard einen Ausweg sein könnte. Wenn sie sich denn auf ihn einlassen könnte und wollte. Und er in der Lage wäre, sich seinen Gefühlen ehrlich zu stellen und diese offensiv nach außen zu vertreten. Aber das hat er längt verlernt, bzw. es wurde ihm erfolgreich abtrainiert.

Zwei Menschen, unfähig ihr eigenes Leben (wieder) selbst in die Hand zu nehmen. Aus unterschiedlichen Gründen. Sie könnten glücklich miteinander werden, müssten sich dafür aber zum Einen ihren eigenen Problemen stellen, zum Anderen denjenigen die Stirn bieten, die ihnen doch nur Gutes tun wollen, sich um sie kümmern und sie dadurch gleichzeitig eigentlich nur egoistisch für sich vereinbaren. Gefangen in einem falschen Gefühl der Dankbarkeit und Bringschuld, längst nicht mehr fähig für sich selbst einzustehen. Unprätentiös, glaubwürdig und voller Respekt vor seinen verletzlichen Figuren schildert James Gray eine jazzige, trist-rührende Ballade von Einsamkeit, zärtlicher Annährung und einer dysfunktionalen, zum Scheitern verurteilten Beinah-Romanze, der man so sehr einen rosigen Ausgang gönnen würde, egal wie klischeebeladen und kitschig sie dadurch werden könnte. Man hat aber kaum das Gefühl, dass dies möglich sein kann. Authentisch eingebettet in ein unmissverständlich auf eigenen Erfahrungswerten basierendes Setting weiß James Gray behutsam die genau richtigen Töne zu spielen, errichtet eine Brücke aus der Trostlosigkeit, nur um sie im letzten Moment mit dem Vorschlaghammer wieder zu zertrümmern. Was für ein Romantiker, was für sein Sadist! Liebe ist keine logische Schlussfolgerung, darf kein Quid pro quo sein, ist als Kompromissentscheidung immer falsch. Und doch unter gewissen Umständen besser als nichts? Hoffentlich nicht.

Fazit

Ohne aufgesetzte Emotionen und rührseligen Einheitsbrei erzählt „Two Lovers“ eine sehr bittere wie aufrichtige Geschichte, die einige wichtige Grundsatzfragen über Familie, die eigene Identität und ganz besonders natürlich die Liebe an sich stellt und diese ganz klar beantwortet, ohne als aufdringlicher Besserwisser mit seiner Weisheit zu nerven. Hervorragend gespielt, zurückgenommen und trotzdem mit viel Eleganz inszeniert, ganz ehrlich und empathisch im Umgang mit seinen Figuren. Ein ganz toller Film, der einen gerührt, nachdenklich und sogar ein Stückweit erschüttert zurücklässt.

Kritik: Jacko Kunze

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