Inhalt
Nachdem der Vater der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld) hinterrücks von Tom Chaney (Josh Brolin) ermordet wurde, schwört diese unerbittliche Rache. Da jedoch die Justiz Chaney als nicht wichtig erachtet, will sie das Gesetz in die eigene Hand nehmen. Sie heuert den raubeinigen Alkoholiker Reuben J. Rooster Cogburn (Jeff Bridges) an, um ihr bei der Suche zu helfen. Anfangs gar nicht begeistert, lässt sich der Marshall durch etwas Geld schlussendlich überreden. Auch der junge Texasranger LaBoeuf (Matt Damon) ist scharf auf das Kopfgeld, das auf Chaney ausgesetzt wurde, und schließt sich der Jagd an…
Kritik
Seit nun fast zwanzig Jahren erzählen die Brüder Joel und Ethan Coen eine unglaubliche Geschichte nach der anderen. Sie erschufen den Dude, schickten William H. Macy in das verschlafene Städtchen Fargo, ließen George Clooney nach einem Schatz jagen und sandten mit Javier Bardem den Teufel höchstpersönlich nach Texas. Hierbei immer mit dem typischen Coen-Humor sowie einer ordentlichen Prise Moralverdrehung. Nach vielen unterschiedlichen und abwechslungsreichen Werken folgt nun mit dem Western True Grit ebenfalls wieder ein völlig neues Genre. Zwar lässt sich No Country for Old Men als Neowestern klassifizieren, doch die Geschichte um Mattie Ross geht noch einen Schritt weiter. Doch können die Coen-Brüder einen klassischen Western nach alter Machart erzählen? Die Antwort darauf ist leicht: Ja, und was für einen.
True Grit basiert, wie auch schon Der Marshal aus dem Jahr 1969, auf dem Roman Die mutige Mattie von Charles Portis. Aufgrund dessen müssen sich die Coens direkt mit dem Altwerk von John Wayne messen lassen. Der Duke legte damals mit der Darstellung des rauen Rooster Cogburn eine unglaubliche Glanzleistung ab, womit die Erstverfilmung des Stoffes ein Klassiker des Genres wurde. Dennoch schaffen es die Coen-Brüder mit ihrer Version der Geschichte, deutlich enger am Roman zu bleiben als dies noch Regisseur Henry Hathaway getan hatte. Das Resultat daraus ist eine Story, die zum einen den typischen Charakter eines Coen-Filmes besitzt, zum anderen aber auch als hervorragender Vertreter klassischer Western gelten kann und somit einen grandiosen Genrebeitrag leistet.
Im Kern bleibt die Handlung um die 14-jährige Mattie Ross allerdings eine traditionelle wie simple Vergeltungsgeschichte, welche ohne passende Inszenierung kaum der Rede wert wäre. Genau hier können Joel und Ethan Coen ihre Trümpfe ausspielen. Sie inszenieren True Grit in fast epischer Weise und schaffen so eine Bildgewalt, die sich besonders durch hervorragende Kamerafahrten auszeichnet. Zu Recht wurde die Kameraarbeit von Roger Deakins mit einer Oscar-Nominierung ausgezeichnet. So wird eine Westernwelt kreiert, die hervorragende Landschaftsbilder präsentiert, die von dreckigen Kleinstädten, düsteren Absteigen, Schnee durchtriebenen Wäldern bis hin zu kargen Steppen und Hügeln alles bietet, was das Genreherz begehrt. Auch bei den Charakteren macht die grandiose Atmosphäre keinen Halt. So sind die Figuren dreckig, rauh und durchtrieben. Die harten Jahre kann man förmlich in ihren Gesichtern sehen. Wenn sich die drei ungleichen Protagonisten auf die Jagd nach dem Mörder Chaney machen, kommen zwei weitere typische Coen-Muster hinzu: Der äußert subtile aber stets präsente Humor sowie die Zerstörung klassischer Moralvorstellungen.
Besonders letzteres ist interessant, da Chaney lange Zeit ein Geist bleibt. Erst im Finale wird seine Psyche offenbart, die sich mehr oder weniger als kaum boshaft beschreiben lässt. Sieht man sich dann Rooster Cogburn an, der schneller mit dem Colt zur Hand ist als er Gangster lebend gefangen nimmt, wirft dies die Frage auf, wer hier rechtschaffen und ethisch agiert. Neben dem Säufer und ehemaligen Kriminellen Cogburn ist auch der Texasranger LaBoeuf kein unbeschriebenes Blatt, als Einfallspinsel und arrogant ließe er sich beschreiben. So wirft er anfangs Mattie sogar zu Boden, um ihr gehörig den Hintern zu versohlen. Nur Mattie scheint moralisch über jeden Zweifel erhaben zu sein – eine erwachsene Frau im Körper eines Kindes, welches kein Blatt vor den Mund nimmt. Doch die Frage nach unerbittlicher Rache um jeden Preis ist kaum vereinbar mit ihrer anfangs gezeigten Religiösität. So ergibt sich ein Dreiergespann, welches, neben den vielen verschieden persönlichen Aspekten, auch durch glorreiche Dialoge und gemeinsames Agieren überzeugen kann. Trotz all dieser Punkte schwächelt dennoch die Geschichte etwas zum Ende hin, was besonders der simpel gestrickten Handlung geschuldet ist.
Dies lässt sich im Hinblick auf das mehr als würdige und äußert grandiose Finale jedoch schnell verschmerzen. Hier geht True Grit sogar noch einen Schritt weiter als es noch Hathaway 1969 tat und zeigt den kompletten Schlussakt in all seiner Traurigkeit. Dadurch bleibt der Abgesang auf die Westernzeit erhalten, liefert aber auch einen Abschluss, der konsequent sowie passend zum ganzen Film ist. Neben der grandiosen Atmosphäre stimmt auch das Western-Setting zu jeder Zeit. Dass die Coen-Brüder die Wurzeln des Genres dabei nicht vergessen haben, zeigt sich an vielen kleinen glorreichen Details. Sei es der richtige Sound von Waffen, alte Ranger-Tricks wie ein Seil, um den Schlafplatz gegen Schlangen oder solch banale Dinge wie Maisbrötchen. So eine Detailverliebtheit gibt es selten, was aus True Grit eine Art Hommage an längst vergessene Zeiten macht. Das Ganze wird zudem durch einen ausgezeichneten Soundtrack von Carter Burwell verstärkt.
Bei der Darstellung der Figuren kommt einem die Frage, ob denn Jeff Bridges gegen John Wayne bestehen kann. Der Dude gegen den Duke. Das Duell muss als unentschieden gewertet werden, denn beide haben die Rolle des Reuben J. Rooster Cogburn einzigartig interpretiert und hervorragend umgesetzt. Bridges geht ein wenig offensiver heran, punktet durch verschiedene spaßige Mimen und spielt die Rolle konsequent. Doch auch Wayne lieferte zu seiner Zeit eine absolute Glanzleistung ab und wandelte sich vom aufrechten Helden zum verbrauchten Anti-Helden. Beim Duell Kim Darby (1969) gegen Hailee Steinfeld gewinnt Steinfeld auf ganzer Ebene. Zwar hatte Darby seinerzeit eine passende Performance geliefert, doch Steinfeld spielt die Rolle der Mattie Ross authentischer. Sie schafft es mit Bravour die Vierzehnjährige wie eine unaufhaltsame, erwachsene Frau wirken zu lassen. Zum Vergleich: Steinfeld war während der Dreharbeiten tatsächlich erst 14, Darby bereits 22. Matt Damon kann als Sidekick LaBoeuf nicht sonderlich viel von sich zeigen, schlägt sich jedoch wacker und sorgt für ein paar glorreiche Momente. Josh Brolin als Tom Chaney und Barry Pepper als Lucky Ned Pepper (Namensgleichheit durchaus Zufall) zeigen sich anschaulich, haben jedoch zu wenig Spielzeit um bezüglich ihrer Darstellung punkten zu können.
Fazit
"True Grit" ist eine Ode an den klassischen Western, zugleich aber auch eine exzellente Fortführung ihrer Traditionen. Die Coen-Brüder schaffen es, die Geschichte um die 14-jährige Mattie Ross so imposant wie möglich zu inszenieren, ohne dabei die Wurzeln des Genres zu vernachlässigen. Zwar hat die simple Handlung ihre Schwächen, doch durch ein hervorragendes Dreiergespann, dem typisch passenden Coen-Humor sowie einer gelungenen Bildgewalt zählt das Werk zu dem besten Genrebeitrag in der jüngeren Westerngeschichte. Bleibt zu hoffen, dass nun eine Renaissance dessen ansteht und bald glorreiche neue Filme folgen werden.
Autor: Thomas Repenning