Inhalt
Als die junge Künstlerin Tove Jansson 1945 in Helsinki die Mumins erfindet, steckt sie gerade mitten in einer Sinnkrise: Sie führt eine offene Beziehung mit dem Politiker Atos und fühlt sich gleichzeitig zur Theaterregisseurin Vivica hingezogen. Toves Vater, ein renommierter Bildhauer, blickt verächtlich auf ihre Arbeit. Deswegen zweifelt sie selbst an ihren Werken. Nur nebenbei entwickelt sie gezeichnete Geschichten über die Trollwesen mit den Knollennasen, die später zu ihrem größten Erfolg werden.
Kritik
Die Muminsgeschichten begeistern immer noch Millionen von Kindern auf der ganzen Welt. Wer mit den süßen Geschichten über die niedlichen nilpferdartigen Trollwesen, Mumins, aufgewachsen ist, wird Tove Jansson gut kennen. Sie war eine finnische Schriftstellerin und Malerin, die eine besondere Gabe besaß, nämlich Kinder glücklich zu machen. Sie erschuf wunderbare Geschichten über die gutmütigen Mumins, die viele Abenteuer bestehen mussten. Tove selbst verbrachte als Kind viele Sommer auf einer besonderen Insel, namens Glosholm, die eine verblüffende Ähnlichkeit mit der herrlichen Welt der Mumins im Mumintal hat. Zusammen mit ihren Eltern machte sie Bootsfahrten und Ausflüge in die Natur und diese Erlebnisse inspirierten sie Jahre später dazu, die Muminswelt mit ungewöhnlichen Charakteren zu erschaffen. Im Mittelpunkt steht die Muminfamilie, die aus Muminpapa, Muminmama und Muminkind besteht. Muminvater liebt das stürmische Meer und macht gerne Bootsausflüge, Muminmama hat die starke Schulter zum Anlehnen und Mumin ist ihr abenteuerlustiges und neugieriges Kind und steht vermutlich für Tove selbst.
„Ich glaube, das Leben ist ein wunderbares Abenteuer. Man sollte alle seine Drehungen und Wendungen erkunden.“
Tove ist ein Biopic, das die Person hinter dem weltweiten Erfolg der Muminbücher zeigt. Es ist eine Geschichte über einen Freigeist, der sich getraut hat, das Leben nach seinen eigenen Vorstellungen und Wünschen zu leben und zu gestalten. Tove legt den Fokus stark auf das Liebesleben der Künstlerin, die sich in ihrem Privatleben genauso wenig, wie bei ihrer Kunst festlegen konnte. Sie wollte alles auf einmal sein: Malerin, Schriftstellerin, Illustratorin. Sie strebte diese Freiheit allerdings nicht nur in ihrem künstlerischen Schaffen an, sondern auch bei ihren Beziehungen, indem sie nicht nur eine offene Beziehung zu einem verheirateten Politiker (Shanti Roney, Applaus), sondern auch zu der verheirateten Theaterregisseurin Vivica Bandler (Krista Kosonen, Blade Runner 2049) unterhielt. Die wenigsten Menschen trauen sich, ihr Leben frei von gesellschaftlichen Konventionen zu leben und Tove war so mutig, sich ihre Freiheit einfach zu nehmen. Auch wenn sie dabei lernen musste, dass auch derjenige, der frei ist, nicht gegen Liebe gefeit ist.
Toves Gefühlswelt wird ausgezeichnet auf der Leinwand inszeniert. Mit Vorliebe mit ausdrucksstarken Tanzbildern, bei denen Tove mal verführerisch, mal lebensfroh, mal eifersüchtig, mal voller wilder Entschlossenheit und Wehmut tanzt. Diese wundervollen Szenen lassen sich perfekt in den Film integrieren, ohne dass es aufgesetzt wirkt, denn Künstler feiern nun mal gerne Partys und Alma Pöysti (Vuosaari) verkörpert die kindliche und lebensfrohe Natur von Tove so gut wie es keine andere hätte machen können. Sie war geradezu dafür prädestiniert diese Rolle zu übernehmen, weil sie nicht nur Tove Jansson in einem gleichnamigen Theaterstück verkörperte, sondern ihr Großvater Lasse Pöysti (Staden) sogar die Hauptrolle des Mumin in Theaterstücken spielte. Außerdem war ihre Großmutter mit Tove Jansson befreundet und hatte ebenfalls Bühnenauftritte in den früheren Mumin-Adaptionen. Es fühlt sich fast so an, als wäre diese Rolle ihre Bestimmung, der Alma Pöysti glücklicherweise gefolgt ist. Mit ihrer Hilfe ist ein authentisches Biopic über eine ungewöhnliche und starke Künstlerin entstanden, das Einblicke in ihr Privatleben gibt.
Ein zentraler und wichtiger Punkt der filmischen Inszenierung ist nämlich die komplizierte Beziehung von Tove zu ihrem Vater, die durch viel Kritik an ihrer Arbeit geprägt ist. Statt nur Worte sprechen zu lassen, bedient sich die Regisseurin Zaida Bergroth starker Symbolik, indem sie Toves Vater Viktor (Robert Enckell, Iris) bewusst mehrmals seiner Tochter den Rücken zukehren lässt und das nicht nur im übertragenen Sinne. Während er bei den früheren Szenen sich während einer Veranstaltung der Künstler nur kurz zu ihr umdreht, um ihr zu sagen, dass er recht hatte und ihre Kunst nicht gut genug sei, dreht er sich im Laufe des Films nicht einmal mehr zu ihr um, als er in einer Szene in seinem Sessel sitzt und nicht die Güte hat seine Tochter anzusehen, weil sie keine Bildhauerin, wie er geworden ist, sondern nur eine gewöhnliche Malerin. „Du verschwendest dein Talent mit falschen Dingen!“ Diese negativen Gefühle, die ihr durch ihren Vater vermittelt wurden, spielen im Film eine große Rolle, weil sie eine Künstlerin zeigen, die von Selbstzweifeln geplagt ist und die trotz dieser Zweifel etwas so Wundervolles erschaffen hat.
Bei Tove trifft die typische Unbekümmertheit der Künstlerwelt und das Streben nach Freiheit in jeglicher Hinsicht auf das Bestreben aller Menschen nach Anerkennung. Tove sehnt sich danach, ihren Vater stolz zu machen, der sie paradoxerweise nicht versteht, obwohl er eigentlich als Künstler die Wahrhaftigkeit und Individualität ihrer Kunst erkennen müsste. Stattdessen versucht er sie in eine Schablone zu pressen und sie lässt es viel zu lange zu. Im Laufe des Films lernt Tove immer mehr sich selbst und ihre eigene Kunst kennen und begreift, wie wichtig es ist, sowohl ihr wahres Ich, als auch ihre eigene individuelle Form der Kunst zuzulassen. Der beste Weg zum Erfolg ist immer der eigene Weg und Tove erzählt eindrucksvoll die Geschichte einer begabten Künstlerin und inspirierenden Frau auf ihrer Selbstfindungsreise. Auf dieser Reise macht sie nicht nur lustvolle, sondern auch schmerzliche Erfahrungen mit ihrer Geliebten Vivica Bandler (Krista Kosonen). Die Liebesszenen zwischen den beiden Frauen sind wirklich gut umgesetzt, man spürt die gegenseitige Anziehung, auch wenn vieles nur angedeutet wird, doch es reicht völlig aus, um das Knistern zwischen den beiden darzustellen. Insgesamt ist der Film von lebensfroher Atmosphäre durchflutet und mit passender Musik ausgestattet. Mit solchen Liedern wie „Sing, Sing, Sing“ von Benny Goodman (Sweet and Low-Down) und „In the mood“ von Glenn Miller, aber auch mit Musik von Edith Piaf (Edith Piaf- Chanson der Liebe) schafft es der Film eine glaubhafte Leichtigkeit und Frohsinn der Künstlerwelt darzustellen.
Fazit
„Tove“ erzählt hervorragend die Geschichte einer begabten Künstlerin und inspirierenden Frau auf ihrer Selbstfindungsreise. Es ist die wahre Geschichte von Tove Jansson, die als Schöpferin der Mumins, der nilpferdartigen Trollwesen, auf der ganzen Welt bekannt wurde. Tove Jansson war eine ungewöhnliche und faszinierende Künstlerin, die sich weder im Hinblick auf ihre Kunst noch auf ihre Liebesbeziehungen festlegen wollte. Sie war ein Freigeist, der das Leben nach seinen eigenen Vorstellungen gestaltete und es sich von niemandem nehmen ließ so zu sein, wie sie sein wollte. Ihre kindliche, freiheitsliebende Art wird exzellent im Film eingefangen. Sogar so gut, dass man zwischendurch glaubt echte Aufnahmen von Tove Jansson zu betrachten. „Tove“ ist ein Film, der unbedingt gesehen werden muss, vor allem wenn man selbst mit ihren wundervollen Büchern aufgewachsen ist.
Autor: Yuliya Mieland